Irrenhaus

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Anonym

Gast
"Sie sah geschlechtslos aus, als hätte sie's über Bord geworfen, wie ein ungewolltes Kind"

Nur die grobkörnigen, dickschädleligen Alten, die die hitzigen Bewegungen der Jugend nochmal tun, schnaufend ranzig Imitierende, Alberne, die an ihrem Seilenden des Lebens furchtsam pendeln und sich mühsam am ausgefranzten Endstück halten, nur die Stiernacken, die hässlich Unverfrorenen und traurig unverhofft Verlorenen, so denkt man sich's, nur solchen macht es Spaß. Nur denen fehlt's an genug Gewissen, an Anstand, an feiner leitender Erziehung. Nur die Verhunzten gehen zur Tür gedankenlos, als wäre es ein Waschraum, nur eine weitere Toilette, passieren sich in den schummerigen Katakomben, Bauch zuerst, ohne den Anderen zu gewahren, womöglich schmerzhaft unkomisch lächerlich verkleidet und mit Brillen ausstaffiert. Leute mit zu engem Kopf. Eben geistlose Lakoniker, Trottel oder Würstchen, steinernd Gemachte von hoch Oben, gierige sabbernde Konsumenten, Kräftige, die sich was leisten wollen.

Im besten Fall sucht wer eintritt Orientierung, einen menschlich schlauen Rat. Eine Weise, eine gewitzte Dumme, einen Mund, der Wahrheit kennt. Einen Klaps, eine Schelte, ein Rütteln am rostig eingefrorenen Kompassgerät, einen Tritt in den faulen Allerwertesten, in die schlaff hängenden Hoden. Eine heilsame, lehrreiche Schmach mag sich mancher heimlich wünschen, einen Fingerzeig zurück zur Straße, raus aus ihrem Bett. Illusionen für das Herz. So stellt man sich das vor, so hält man es mit aus. Wie im Raum voll Spieler, an denen sich jeder für den Kenner hält, für einen Virtuosen, für den, der es versteht, und der Rest sind Einfaltspinsel, nur Klatschmasse, Melkkühe im tosenden Konzert. Und so marschiert man im Gebäude, jede Figur mit eigener treuer Sucht, einer eigenen Erklärung, einer eigenen Fa­çon. Da sind Unglück Kaschierende, manche süchtig nach der Macht, manche reif für Therapeuten. Hedonisten als Wandnachbarn von Schon-in-bälde-Mördern. Von der eigenen Sprachlosigkeit Überraschte, von Unverständnis Zerrüttete und Enthemmte. Männer in den besten schlimmsten fragwürdigsten Jahren. Oder Knabenchöre auf Exkursion.

Jene, die ihren Dienst schon länger treiben, haben alles schon gesehen, haben die Ausreden gehört, die Stummen, die Beredeten mitgetragen. Bei Licht oder bei Dunkelheit ist ihre Könnerschaft gefragt, nur die Klientenschaft wechselt mit den Stunden in Menge oder Form. Wie auf einer Ölplattform macht man den Job sicher nicht ewig, ein paar durchschwitzte Jahre höchstens und dann wird man vernünftig, gediegen, kriegt die Kurve und schläft ein, in einem eigenen hübschen Haus, mit oder ohne Mann, besser wirklich ohne, oder nur geistig interessiert, und dann gibt es einen Morgen mit Vogelträllern und Holzgeknister, und ein kindlich erprobtes entzückend schönes Happy-End.
 
A

aligaga

Gast
"Sie sah geschlechtslos aus, als hätte sie's über Bord geworfen, wie ein ungewolltes Kind"
ergibt für @ali keinen Sinn. Vielleicht besser "hätte[red]n[/red]"? Und das bombastische "wie" könnte entfallen.

@Ali glaubt nicht, der Autor oder die Autorin hätte sich je länger in einem Puff aufgehalten - er oder sie hätte sonst feststellen können, dass die "Kundschaft" keineswegs so einseitig dumpf und widerwärtig daherkommt, wie hier überzeichnet, sondern quer, aber wirklich quer durch die Bevölkerung schneidet und weniger um der Notdurft willen an der Pforte klopft, sondern um sich zu "amüsieren", was immer darunter zu verstehen wäre. Nicht zuletzt deshalb hießen und heißen die Bordelle immer und immer noch "Freudenhäuser".

Publikumsbeschimpfungen der vorliegenden Machart, sich eines Mischmaschs an Vulgär- und Hochsprache bedienend und gängige Metaphern ziehend, wird rasch öde, wenn kein Kontrapunkt gefunden wird, und lässt den Verdacht keimen, hier lauerte die Moralkeule im Hintergrund.

@Ali hält das Klima in einem Bordell für jederzeit mit dem "normalen" Leben draußen vor der Tür vergleichbar, wo Frauen nach wie vor dümmer oder klüger wie Männer, frei oder unfrei, berechnend oder großzügig sind, beschützt oder gequält, benutzt und ausgenutzt werden et vice versa. Zwischen einem Bordellbetreiber und dem Vermieter eines zentral gelegenen, ordinären Plattenbaus ist längst kein großer Unterschied mehr.

Die "Milljöhschilderung" greift nach @alis Dafürhalten zu kurz und zu einseitig. Völlig missraten scheint ihm der Schluss, wo die Hure nach vollbrachter Lebensdienstleistung bei bester Gesundheit und Vernunft am eigenen, heimischen Herd pensioniert. Als hätte sie nie ein Alkohol- und/oder Drogenproblem gehabt und sich nicht seelisch verbraucht über die Jahre.

TTip: Mal wirklich ins Bordell gehen. Mit Nutten und mit Freiern reden und versuchen, draufzukommen, was die "Männerwelt" wirklich dazu bringen kann, für ein paar Minuten Lust und das Drumherum so viel Geld auszugeben. Ein Puff ist nämlich kein billiger Straßenstrich.

Oder sich einschlägige Literatur reinziehen: Millers "Wendekreis", zu Beispiel, oder den "Schwarzen Obelisken". Oder Gaisers "Schlussball". Da kann man wirklich hinter die Kulissen gucken.

Heiter

aligaga
 

Anonym

Gast
Das Zitat am Anfang (als raunender Hirnfurz) sollte eigentlich noch irgendwo in den Text. Passte aber nicht, deshalb so losgelöst, als Vorsprechteil davor.

Ansonsten, fast zu viel der Bespiegelung lieber (immer in der 3. Person postender?) Ali, aber danke für die Literaturverweise. Den Miller hatte ich mir schon irgendwo mal aufnotiert.
 
A

aligaga

Gast
Sorry, wenn @ali dir zu viel zugeschrieben hat. Es wir ganz gewiss nie wieder vorkommen.

eom

aligaga
 



 
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