Irrtümer

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Oliver

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Irrtümer



Fred war müde. Er gähnte ins Moor. Auch das Moor gähnte ihn an, freilich ohne es zu wissen. Das Moor hat schon so viel gesehen, dachte er, aber jetzt schläft es bestimmt.
Doch da irrte Fred. Er irrte sich überhaupt sehr oft. Man kann sagen, er war ein wenig trottelig.
Nun saß er auf einem Angelhocker und angelte im Schlamm. Ein alter Fischer hatte ihm einmal gesagt: "Fred, weißt du, ähm, im Moor, also da gibt´s alles mögliche: Autoreifen, kleine Fliegen, Bahnsteigkarten, naja, aber eben keine Fische." Doch Fred wollte davon nichts wissen. "Kein Wunder, dass Sie ein armer Fischer geblieben sind", meinte er," im Meer gibt´s ja kaum noch was zu holen. Aber im Moor!" Ein Übersetzer, der zufällig das Gespräch gehört hatte, bemerkte leise: "mehr und more ist dasselbe", wurde jedoch überhört.
Die Limonade schmeckte immer noch wunderbar. Fred nippelte an der Flasche mit der Aufschrift "Capri-Sonne". Dann sang er:
" Wenn bei Capri die rote Sonne im Moor versinkt,
und es schon nach alten Fische-Kadavern stinkt..."
"Der Gesang der Sirenen hat schon manche Fische angelockt", so hatte es Fred in einer Fernsehsendung gehört. Der Sprecher war Norddeutscher und verschluckte gerne das "R" am Ende eines Wortes. So verstand Fred "Fische" statt Fischer". Fred bemühte sich, sehr laut zu singen, um möglichst viele Fische anzulocken.
Als sich nach sechs Stunden noch nichts getan hatte, langweilte sich Fred. Er schaute weg vom Moor, auf den Weg hinter ihm. Da entdeckte er ein Schild. "Gehwegschäden" stand darauf. Oha, ein Zeichen, dachte er. Ich soll hierbleiben, es lohnt sich. Ganz klar: "geh- weg- Schäden" heißt das, wenn ich also weggehe, ist´s zu meinem Schaden. Kaum hatte er das zuende gedacht, spürte er, dass sich die Angelschnur straffte. Fred zog an. Fast wäre er ins Moor geplumpst. Der Widerstand war stark. Langsam und kräftig zog Fred, und allmählich gelang es ihm, die Sehne einzuholen, Zentimeter um Zentimeter. Dabei wunderte er sich: Warum zappelt der Fisch nicht? Alle sagen, dass Fische zappeln. Naja, vielleicht ist das im Moor anders. Schließlich bin ich der Erste in meinem Dorf, der im Moor angelt. Und jetzt hab´ ich so einen Brocken an der Leine. Da wird der arme, alte Fischer aber staunen!

Etwas Helles schob sich aus der dunklen Fläche. Ein Fischbauch? Fred zog weiter. Weiter wurden auch seine Augen. Sie weiteten sich. Fred erkannte die Hand erst, als sie in Reichweite war. Ein bißchen schüchtern ergriff er die tote Hand und murmelte: "Guten Tag."

"Sensationell! Vierhundert Jahre alt!" Der Moderator brüllte die Studiogäste an.
"Stellen Sie sich das vor! Und gefunden hat unseren Urahnen: Fred aus Köckritz! Fred, wie ist es dir gelungen, sozusagen ohne Kenntnisse der ähm, Homöopathie, das heißt, ohne Vorkenntnisse der Archäologie, also wie hast du das gemacht?"
"War ganz einfach. Man sitzt am Moor und angelt. Denkt an nichts. Aber singen muß man. Wie die Sirenen..."
"Soso, wie die Sirenen." Der Moderator kratzte sich am Kinn. Im Publikum wurde gekichert. Einige Gäste räusperten sich. "Nun, Fred, mein Lieber, verrätst du uns auch, was du da gesungen hast?"
" Naja, genau weiß ich´s nicht mehr, so Fischerlieder eben, ähm, "Napalm- Oma" zum Besipiel."
"Napalm- Oma?" Ein Herr in der ersten Reihe rief: "Napaloma!", ein anderer gluckste:
" Vielleicht, hihi, meint er wirklich, hihihi Napalmoma, ein vietnamesisches Lied, hihi, aus dem Krieg." Die Leute tobten. Das Gelächter unterdrückte vereinzelte Rufe der Empörung wie "Darüber scherzt man nicht!"
Der Moderator bewegte die Arme auf und ab, als wollte er sagen: "Bleibt ruhig, Leute, jeder kann sich mal irren." Als der Lärm abschwoll, sagte Fred: \"Nein! Also : ja, ich habs!", und sang sehr kräftig und deutlich: "Wenn bei Capri die tote Oma im Moor versinkt".
Die Leute waren nicht zu halten. Sie kreischten, schrieen, klatschten wild, etliche fielen von den Stühlen, einer schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Brille auf die Bühne flog...
Während des minutenlangen Tobens wurde der Moderator von einem Mitarbeiter aus dem Saal gezogen. Bei den letzten Glucksern und Seufzern des Publikums erschien der Redaktionschef. "Meine Damen und Herren. Ich muß Ihnen eine enttäuschende Mitteilung machen. Bei der Errechnung des Alters der Moorleiche ist dem Computer ein Fehler unterlaufen. Die Leiche ist nicht 400 Jahre alt, sondern nur 4 Jahre."
"ÖÖÖÖÖHHHHH..." der ganze Saal stöhnte. Fred sagte: "Nur vier Jahre alt? Komisch. Das ein so kleines Kind so schwer sein kann."
Der Redaktionschef rief in das erneute Gelächter: "Nein, Fred, du irrst dich. Natürlich war es ein Erwachsener, aber die Leiche liegt seit vier Jahren im Moor. Nun gut
Meine Damen und Herren, was lehrt uns das? Jeder kann sich mal irren. Sogar ein Computer."
 
Hallo Oliver

Hallo Oliver,

Ganz schön traurig deine Geschichte. :O) Ich meine, erst verlierst du deine Oma im Meer. Hast nur einen Schaden davon, wenn du dich vom Moor weg begibst. Und nachher ziehen sie dich noch in die Öffentlichkeit um dich wegen der Ahnungslosigkeit bloß zu stellen. Und das alles, weil es so viele Schlager gibt! Ich habe gelacht und die Tränen ins Taschentuch gebracht *g

In diesem Sinne......Stephanie
 

Rainer

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hallo oliver,

ich fange mal mit dem erfreulichen an:
nur sehr kurz dachte ich an die alten sketch-up-kalauer, wo die diva immer wieder die bühne betritt, um "wenn bei capri..." zu intonieren, und sich dann doch sehr vorhersehbar zu "versingen" - dein repertoire ist reichhaltiger und einfallsreicher. über die napalmoma konnte ich mich im kontext richtig kringeln; (aber nur in diesem kontext).

vielleicht wirkt das auch alles noch anders, wenn du es vorliest... in geschriebener form belustigt mich z.b. der gehwegschaden nicht, sondern wirkt arg konstruiert.
überhaupt glaube ich, du solltest, zumindest bei texten die mensch hier nur lesen kann, eine etwas frischere herangehensweise wählen.


was ich als ganz schlimm empfinde (`tschuldigung) - die schlußpointe. es ist ein weitverbreiteter irrglauben, dass sich computer irren - das tun, bzw. KÖNNEN sie nun gerade nicht. selbst durch rundungs-"fehler" (zwischen null und 1) entstandene fehlinterpretationen beruhen im endeffekt immer auf einem menschlichen programmier- oder bedienungsfehler.
alles andere würde sie "vermenscheln" - und das wollen wir ja nun hoffentlich wirklich nicht :).

trotz allem genöhles, der text war flüssig und mit freude(n) zu lesen.

viele grüße

rainer

p.s. mit dem edit/delete-button unter deinem text, kannst du die doch arg störenden schrägstriche entfernen.
 



 
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