Ist die Zeit für alle da?

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Anonym

Gast
Ist die Zeit, von Bedeutung bei der Suche nach einem Glück?
So ursprünglich wie der Stein, ist auch die Zeit. So wie die unendliche Frage, nach Glück oder Sinn eines Lebens. Und so unablässig, weil doch nie vollständig beantwortet.

Aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen, sagte Johann Wolfgang von Goethe einst.

Wege sind steinig. Nicht jeder Stein gibt die Sicherheit die er zu erfüllen hat.
Ideologie und Realität, ziehen meist zur selben Zeit, am selben Strang.
Illusionen wiegen sich in einem Vakuum von Wunschträumen und betten ein, in eine Leichtigkeit. Täuschungen dienen Strecken eines Lebens als Sicherheitsnetz.

Nur der Geduldige kocht einen Stein, bis er Brühe davon trinken kann.
Doch es ist nicht der Sinn des Lebens, den Sinn des Lebens, während des Sterbens zu erkennen.
Es gibt viele Antworten auf die Frage nach dem Glück.

Fanya fand das Glück in der Flucht. Sie gab ihr die Identität zurück, die sie verlor, als sie die Illusion verfolgte, in einem Land wo sie Reichtum vermutete, auch ihr Glück zu finden.

Fanyas Anblick durchbohrt die Zöbinger Frauen immer wie eine süße Rakete, so als hätte der Backenzahn ein Loch. Man isst Süßes und der Schmerz durchbohrt wie eine Rakete das Hirn.
Der Franzl hat die Fanya aus der Ukraine geholt. Er hat sie aus einem Katalog ausgesucht. Viel Zeit verbrachte er auf seinen Weinbergen in Heiligenstein und hatte nicht die Zeit, sich anders um eine Frau zu bemühen.
Der Franzl hat Hilfe auf seinem Hof gebraucht. Und auch ein bisschen Zärtlichkeit. In der Rubrik ihrer Eigenschaften wurde sie als zärtliches, anhängliches Wesen beschrieben, dass geschickt und fleißig ist. Genau das, was der Franzl brauchte.
Die Männer in Heiligenstein, verrenken sich nach Meinung der Frauen, ihre Augen und Körper, wenn sie der Fanya begegnen. Seit die Fanya in den kleinen Ort gezogen ist, in dem größtenteils Weinbauern leben, hat sich ein Loch aufgetan, in den alle guten Absichten von den Heiligensteiner Männern reinfielen.
Die Fanya wurde im Frauenhimmel mit übermäßig weiblichen Attributen ausgestattet, die in Heiligenstein keinen Vergleich fanden. Und die Fanya wurde einzig auf diese Attribute reduziert.
Speziell von den Frauen in Zöbing am Heiligenstein. Sie empfanden Fanya als Schatten der sie verfolgt, obwohl sie keine Sonne begleitete.

Eh kloar, aufn Franzl sein Hof hot´s leicht lochn.
De Oarbeiter, de aufm Hof san, de hots gscheit unter ihre Fittich. Zohin brauchts eahna eh fost nix mehr, weus des russische Weib so auhümmeln, ois hätts an Heiligenschei. Bis oba lochn vom russisch orthodoxen Hümmi, auf den´s die Fanya sicha a no begleiten.
Und da Franzl der Depp, der merkts net, weil a dauernd umakraxln muaß, auf de Weinberg. Trogt ihr a no des gaunze Göd zuwe. Durt wos herkummt hots woahrscheinli eh in ana Barakn gwohnt. Oba do,... kauns ihr goar net fei gnua sei.

Fanya sah in die Sonne. Ihr Gesicht war so blass. Die Nacht begleitete ihre Augen.
Dreh dich nicht um Fanya, es macht nicht viel Sinn.
Du würdest sowieso nur Materialien sehen.
Woher hättest du auch wissen sollen, dass die Menschen in Zöbing am Heiligenstein nur Wasser vom eigenen Brunnen holen, um Tröge zu waschen. Du konntest nicht wissen, dass sie nur in den eigenen Brunnen steigen, wenn die Pumpe klemmt.

Du packst die Koffer?
Du könnest die Materie des Nichts in deinem Geburtsland wieder abstreifen, meintest du.
Du gehst auf die Bank und behebst das Ersparte. Der Schalterbeamte zahlt dir das Geld aus. Er beachtet dich nicht.
Du fährst zum Bahnhof. Du siehst den Kerl nicht, der dich beobachtet, als du deinen Ausweis und das Kuvert mit dem Bargeld aus der Handtasche nimmst und es in die große Reisetasche stopfst. Du kaufst dir am Schalter eine Bahnkarte in die Ukraine.
Während du in den Zug steigst und du an die Klaviersonate Nummer sieben von Sergej Prokofjew denkst, dessen Noten du dir in Charkiw unbedingt besorgen willst und die Abteiltür öffnest, blickst du in die Augen dieses Kerls, der dich davor schon die ganze Zeit beobachtete. Du siehst wie elegant er gekleidet ist. Du denkst an den Franzl und denkst, dass er ihm ähnlich sieht.
Während du mit dem Unbekannten Augenkontakt aufnimmst, findet Andreas auf dem Hof in Zöbing am Heiligenstein, tief unten im Brunnen eine Ikone mit der Abbildung der heiligen Jungfrau Maria. Er befördert sie mit dem Eimer nach oben, den ihm Schorsch mit nach unten gab.
Beide stellen sie fest, dass sie Ähnlichkeit hat mit der Ikone, die sie gestern im Weinkeller im Hang fanden, als sie versuchten einen Fasan zu fangen, der sich in den Weinkeller verlief. Du hast sie dort deponiert, sie sollten die Fenster öffnen. Aber immer mehr Regentropfen verloren sich auf der Fensterscheibe und haben die Aussicht auf Zugehörigkeit getrübt.
Der Franzl und der Schorsch gingen danach in den nächsten Ausschank und diskutierten mit heftiger aber bestimmter Aussprache, die Ausstattung der Frauen aus dem Asiatenkatalog.

Als du die Reisetasche im Abteil auf die obere Ablage hebst, ist dir der unbekannte Beobachter behilflich. Du bemerkst, wie er scheinbar zufällig mit seinen Armen an deiner Brust streift. Du strafst ihn mit bedächtig ausgesuchten Worten und mit deinem Blick.
Der Unbekannte spuckt dir mit seinen Worten ins Gesicht.
Bei uns sind Bäume noch immer grün und Flüsse noch immer blau.
Nur Ausnahmen bestätigen die Regel. Grüne Bäume und blaue Flüsse benötigen keine Randsteinableger! Wir haben unsere Traditionen. Du verstehen?
Wir sind Randsteintrampler mit festen Schuhen. Mit Farbe, mit Stil, mit Form, von einer einzigen Schablone geformt. Gegossen, aus einem Material.
Du kannst lange auf das Stück vom Serviettenknödel warten.

Das Abteil und ihr Inhalt reflektieren den Ekel.

Du verabscheust es in der Schlange zu stehen und auf Menschlichkeit zu warten.
Du bist es leid, mit dem Gesicht der Mauer zugewandt, auf Würde zu lauern.
Sehsüchtig erwartest du die Grenze deiner Herkunft.
Du verstehst die Paradoxe nicht. Vor der Grenze, Almosenkreatur zu sein, geduldet höchstens als stumme Marionette. Gehasst, sobald die Fäden der Marionette laufen lernen. Hinter der Grenze, die gehätschelte Milchkuh. Das Absurdum einer Grenzbeziehung mit meterhohen Auflagen zur Verhinderung von eventuellen Grenzverletzungen.
Als müsste man die Identität an der Grenze zurücklassen. Als hätte die Identität nur hinter der Grenze, ihre Legitimität.
Mit einem Koffer voller Ikonen aus der Ukraine geholt. Heimlich eingepackt die Identität. Sie ist empfindlich, sie ist abhängig von der Zeit. Zeit spielt eine große Rolle. Wie die Fenster zur geistlichen Welt. Aber sie werden gleich an der Grenze eingeschlagen, ohne Rücksicht auf die Ikonendarstellung der heiligen Jungfrau Maria.
Der Oblast Charkiw liegt im Osten der Ukraine im Norden an der Grenze zu Russland. Aufgewachsen im Oblast Donezk in der gossen Stadt Donezk am großen Fluss Donez.
Du liebst Flüsse. Flüsse sind neutral. Sie verschwinden nicht in einem Tunnel von Wörtern. Sie versickern nicht im Buchstabensalat saurer Marinaden und aalen sich nicht in öliger Selbstgefälligkeit, einer konstruierten Moral aus Serviettenknödel, getarnter Kirchenmessenbesucher und Einkaufstratsch.

Es ist gewollt. Oder zugelassen.
Fanya! Du würdest sowieso nur Materialien sehen, weißt du noch?

Hatte Johann Wolfgang von Goethe recht, mit den steinigen Begleitern, die man zu seinen Verbündeten erklären kann?
In der Reinkarnation bestünde die Möglichkeit, als Tautropfen geboren zu werden, liebe Fanya!

Als Tautropfen in morgendlicher Röte, würdest du auch in der Zukunft finden, was andere in der Vergangenheit gesät haben, aber du wärst ohne Gedanken. Du wärst eine ursprüngliche Kraft, die durch ihre Unberührtheit siegt.
Nicht das Böse schreibt er in den Stein und nicht das Gute in den Staub. Kein Gut und kein Böse, würden dich als Tautropfen formen. Denn die formvollendete Natürlichkeit würde die Kürze deines Daseins nicht stärken müssen.
Du würdest sie leben, diese selbstverständlich kurze Zeit, und dir deiner Wichtigkeit sicher sein. Und du müsstest niemals auch nur einen einzigen Gedanken an den Sinn deines Daseins verschwenden.

Der Stein drückt die Erde und die Erde den Stein, aber zuletzt wird der Stein von der Erde bedeckt.
In der Waagschale bleibt die Zeit. Die Zeit, die Wunden heilt. Die Zeit, die als einzige die Gefälligkeit beherrscht, für alle da zu sein.
 
D

Denschie

Gast
hallo,
ich mache mal einen versuch.
zuerst sei gesagt, dass ich deinen text sehr
stark finde. wie immer an einigen stellen etwas
schwer zugänglich, aber nach einer gewissen zeit
unglaublich faszinierend.

Ist die Zeit, [blue](kein Komma) [/blue]von Bedeutung bei der Suche nach einem Glück?
So ursprünglich wie der Stein, [blue](kein Komma)[/blue] ist auch die Zeit. So wie die unendliche Frage, [blue](kein Komma)[/blue] nach Glück oder Sinn eines Lebens. Und so unablässig, weil doch nie vollständig beantwortet.

Aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen, sagte Johann Wolfgang von Goethe einst.
[blue](evl. als Zitat kennzeichnen, bei einer Lesung aber uninteressant)[/blue]
Wege sind steinig. Nicht jeder Stein gibt die Sicherheit die [blue](Komma) [/blue]er zu erfüllen hat.
Ideologie und Realität, ziehen meist zur selben Zeit, am selben Strang. [blue]Beide Kommata weg. Abgesehen davon ein sehr schöner Satz![/blue]
Illusionen wiegen sich in einem Vakuum von Wunschträumen und betten ein, [blue](kein Komma)[/blue] in eine Leichtigkeit. Täuschungen dienen Strecken eines Lebens als Sicherheitsnetz. [blue]Das wird nicht klar. Der Gedanke ist meiner Meinung nach zu komplex, um ihn einfach so stehen zu lassen.[/blue]

Nur der Geduldige kocht einen Stein, bis er Brühe davon trinken kann. [blue]Ist das auch ein Zitat?[/blue]
Doch es ist nicht der Sinn des Lebens, den Sinn des Lebens, während des Sterbens zu erkennen. [blue]Beide Kommata weg. [/blue]
Es gibt viele Antworten auf die Frage nach dem Glück.

Fanya fand das Glück in der Flucht. Sie gab ihr die Identität zurück, die sie verlor, als sie die Illusion verfolgte, in einem Land wo sie Reichtum vermutete, auch ihr Glück zu finden.

Fanyas Anblick durchbohrt die Zöbinger Frauen immer wie eine süße Rakete, so als hätte der Backenzahn ein Loch. Man isst Süßes und der Schmerz durchbohrt wie eine Rakete das Hirn. [blue]Doppelung von "Rakete".[/blue]
Der Franzl hat die Fanya aus der Ukraine geholt. Er hat sie aus einem Katalog ausgesucht. Viel Zeit verbrachte er auf seinen Weinbergen in Heiligenstein und hatte nicht die Zeit, sich anders um eine Frau zu bemühen.
Der Franzl hat Hilfe auf seinem Hof gebraucht. Und auch ein bisschen Zärtlichkeit. In der Rubrik ihrer Eigenschaften wurde sie als zärtliches, anhängliches Wesen beschrieben, dass [blue]mit einem "S"[/blue] geschickt und fleißig ist. Genau das, was der Franzl brauchte.
Die Männer in Heiligenstein, verrenken sich nach Meinung der Frauen, [blue]Beiden letzten Kommata weg.[/blue] ihre Augen und Körper, wenn sie der Fanya begegnen. Seit die Fanya in den kleinen Ort gezogen ist, in dem größtenteils Weinbauern leben, hat sich ein Loch aufgetan, in den alle guten Absichten von den Heiligensteiner Männern reinfielen.
Die Fanya wurde im Frauenhimmel mit übermäßig weiblichen Attributen ausgestattet, die in Heiligenstein keinen Vergleich fanden. [blue]Etwas ungelenk. Vielleicht: Wie sich in Heiligenstein keine vergleichlichen fanden.[/blue] Und die Fanya wurde einzig auf diese Attribute reduziert.
Speziell von den Frauen in Zöbing am Heiligenstein. Sie empfanden Fanya als Schatten [blue](Komma)[/blue] der sie verfolgt, obwohl sie keine Sonne begleitete.
[blue]Sehr schön dieser Vergleich mit Schatten und Sonne.[/blue]

Eh kloar, aufn Franzl sein Hof hot´s leicht lochn.
De Oarbeiter, de aufm Hof san, de hots gscheit unter ihre Fittich. Zohin brauchts eahna eh fost nix mehr, weus des russische Weib so auhümmeln, ois hätts an Heiligenschei. Bis oba lochn vom russisch orthodoxen Hümmi, auf den´s die Fanya sicha a no begleiten.
Und da Franzl der Depp, der merkts net, weil a dauernd umakraxln muaß, auf de Weinberg. Trogt ihr a no des gaunze Göd zuwe. Durt wos herkummt hots woahrscheinli eh in ana Barakn gwohnt. Oba do,... kauns ihr goar net fei gnua sei.

Fanya sah in die Sonne. Ihr Gesicht war so blass. Die Nacht begleitete ihre Augen.
Dreh dich nicht um Fanya, es macht nicht viel Sinn.
Du würdest sowieso nur Materialien sehen.
Woher hättest du auch wissen sollen, dass die Menschen in Zöbing am Heiligenstein nur Wasser vom eigenen Brunnen holen, um Tröge zu waschen. Du konntest nicht wissen, dass sie nur in den eigenen Brunnen steigen, wenn die Pumpe klemmt. [blue]Etwas kryptisch dieser Abschnitt. Was sind "Materialien"? Könntest du dieses Wort nicht austauschen? Vielleicht in "Fassade"?
[/blue]
Du packst die Koffer?
Du könnest die Materie des Nichts in deinem Geburtsland wieder abstreifen, meintest du.
Du gehst auf die Bank und behebst das Ersparte [blue]hebst das Ersparte ab[/blue]. Der Schalterbeamte zahlt dir das Geld aus. [strike]Er beachtet dich nicht.[/strike] [blue]Überflüssig.[/blue]
Du fährst zum Bahnhof. Du siehst den Kerl nicht, der dich beobachtet, als du deinen Ausweis und das Kuvert mit dem Bargeld aus der Handtasche nimmst und es in die große Reisetasche stopfst. Du kaufst dir am Schalter eine Bahnkarte in die Ukraine.
Während du in den Zug steigst und [strike]du [/strike]an die Klaviersonate Nummer sieben von Sergej Prokofjew denkst, dessen Noten du dir in Charkiw unbedingt besorgen willst und die Abteiltür öffnest, blickst du in die Augen dieses Kerls, der dich davor schon die ganze Zeit beobachtete. [blue]Zu viele verschachtelte Relativsätze, um zu mitzukommen.[/blue] Du siehst wie elegant er gekleidet ist. Du denkst an den Franzl [blue](das Komma kommt an diese Stelle, vor das "und dass")[/blue] und [strike]denkst [/strike][blue]Doppelung von "denkst"[/blue], dass er ihm ähnlich sieht.
Während du mit dem Unbekannten Augenkontakt aufnimmst, findet Andreas auf dem Hof in Zöbing am Heiligenstein, tief unten im Brunnen [blue](Komma)[/blue] eine Ikone mit der Abbildung der heiligen Jungfrau Maria. Er befördert sie mit dem Eimer nach oben, den ihm Schorsch mit nach unten gab.
Beide stellen sie fest, dass sie Ähnlichkeit hat mit der Ikone, die sie gestern im Weinkeller im Hang fanden, als sie versuchten einen Fasan zu fangen, der sich in den Weinkeller verlief. Du hast sie dort deponiert, sie sollten die Fenster öffnen. Aber immer mehr Regentropfen verloren sich auf der Fensterscheibe und haben die Aussicht auf Zugehörigkeit getrübt.
[blue]Ich finde diesen Abschnitt gut. Markiert habe ich ihn bloß, weil vielleicht nicht nach dem ersten Lesen/Hören klar wird, was du eigentlich meinst. [/blue]
Der Franzl und der Schorsch gingen danach in den nächsten Ausschank und diskutierten mit heftiger [blue](Komma) [/blue]aber bestimmter Aussprache, die Ausstattung der Frauen aus dem Asiatenkatalog. [blue]Ich würde beide Adjektive, "heftig" und "bestimmt" weglassen. [/blue]

Als du die Reisetasche im Abteil auf die obere Ablage hebst, ist dir der unbekannte Beobachter behilflich. Du bemerkst, wie er scheinbar zufällig mit seinen Armen an deiner Brust streift. Du strafst ihn mit bedächtig ausgesuchten Worten und mit deinem Blick.
Der Unbekannte spuckt dir mit seinen Worten ins Gesicht.
Bei uns sind Bäume noch immer grün und Flüsse noch immer blau. [blue]Ist das wörtliche Rede?[/blue]
Nur Ausnahmen bestätigen die Regel. Grüne Bäume und blaue Flüsse benötigen keine Randsteinableger! Wir haben unsere Traditionen. Du verstehen?
Wir sind Randsteintrampler mit festen Schuhen. Mit Farbe, mit Stil, mit Form, von einer einzigen Schablone geformt. Gegossen, aus einem Material.
[blue]Du kannst lange auf das Stück vom Serviettenknödel warten.
Herrlich![/blue]

Das Abteil und ihr Inhalt reflektieren den Ekel. [blue]Verstehe ich nicht. Wessen Ekel wird reflektiert? Der der Frau?
[/blue]
Du verabscheust es in der Schlange zu stehen und auf Menschlichkeit zu warten.
Du bist es leid, mit dem Gesicht der Mauer zugewandt, auf Würde zu lauern.
Sehsüchtig erwartest du die Grenze deiner Herkunft.
Du verstehst die Paradoxe nicht. Vor der Grenze, Almosenkreatur zu sein, geduldet höchstens als stumme Marionette. Gehasst, sobald die Fäden der Marionette laufen lernen. Hinter der Grenze, die gehätschelte Milchkuh. Das Absurdum einer Grenzbeziehung mit meterhohen Auflagen zur Verhinderung von eventuellen Grenzverletzungen.
Als müsste man die Identität an der Grenze zurücklassen. Als hätte die Identität nur hinter der Grenze, [blue](kein Komma)[/blue] ihre Legitimität.
Mit einem Koffer voller Ikonen aus der Ukraine geholt. Heimlich eingepackt die Identität. Sie ist empfindlich, sie ist abhängig von der Zeit. Zeit spielt eine große Rolle. Wie die Fenster zur geistlichen Welt. Aber sie werden gleich an der Grenze eingeschlagen, ohne Rücksicht auf die Ikonendarstellung der heiligen Jungfrau Maria.
Der Oblast Charkiw liegt im Osten der Ukraine im Norden an der Grenze zu Russland. Aufgewachsen im Oblast Donezk in der gossen Stadt Donezk am großen Fluss Donez.
Du liebst Flüsse. Flüsse sind neutral. Sie verschwinden nicht in einem Tunnel von Wörtern. Sie versickern nicht im Buchstabensalat saurer Marinaden und aalen sich nicht in öliger Selbstgefälligkeit, einer konstruierten Moral aus Serviettenknödel, getarnter Kirchenmessenbesucher und Einkaufstratsch.

Es ist gewollt. Oder zugelassen.
Fanya! Du würdest sowieso nur Materialien sehen, weißt du noch?

Hatte Johann Wolfgang von Goethe recht, mit den steinigen Begleitern, die man zu seinen Verbündeten erklären kann?
In der Reinkarnation bestünde die Möglichkeit, [blue](kein Komma)[/blue] als Tautropfen geboren zu werden, liebe Fanya!

Als Tautropfen in morgendlicher Röte, würdest du auch in der Zukunft finden, was andere in der Vergangenheit gesät haben, aber du wärst ohne Gedanken. Du wärst eine ursprüngliche Kraft, die durch ihre Unberührtheit siegt.
Nicht das Böse schreibt er in den Stein und nicht das Gute in den Staub. Kein Gut und kein Böse, [blue](kein Komma)[/blue] würden dich als Tautropfen formen. Denn die formvollendete Natürlichkeit würde die Kürze deines Daseins nicht stärken müssen.
Du würdest sie leben, diese selbstverständlich kurze Zeit, und dir deiner Wichtigkeit sicher sein. Und du müsstest niemals auch nur einen einzigen Gedanken an den Sinn deines Daseins verschwenden.

Der Stein drückt die Erde und die Erde den Stein, aber zuletzt wird der Stein von der Erde bedeckt.
In der Waagschale bleibt die Zeit. Die Zeit, die Wunden heilt. Die Zeit, die als einzige die Gefälligkeit beherrscht, für alle da zu sein.

mir gefällt, wie du das schicksal der frau an fragen
von zeit und steinen bindest.
aber ganz zu ende bin ich mit dem text noch nicht.
es ist bestimmt schwierig, ihn nach einmaligem
hören/lesen ganz zu verstehen. aber das muss vielleicht
nicht sein. du hast genug sätze darin, die deine
position deutlich machen.
lg und viel glück,
denschie
 
D

Denschie

Gast
eine sache noch: der titel. er verspricht
wenig, weil er sehr allgemein ist.
fällt dir da nicht noch etwas besseres ein?
d
 

sun

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Denschie
wie immer an einigen stellen etwas
schwer zugänglich, aber nach einer gewissen zeit
unglaublich faszinierend.

Eine tatsächliche Anonymität hätte mich auch gewundert.

Jetzt lese ich den Text.
 
D

Denschie

Gast
hallo sun,
was willst du mir sagen?
natürlich ist der text auch für mich so lange
anonym, bis mir der autor eine mail schreibt und
mich darauf aufmerksam macht.
alle unklarheiten beseitigt?
viele grüße,
denschie
 



 
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