Jadebusenblues

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Jadebusenblues

Blau streift die Brise meine Gänsehaut,
während sausende Schwanenschwingen
über mir heisere Lieder singen,
Eiderenten mich mit ihren Tänzen
in knisternde Schaumkronen locken.

Rau küsst mich die rissige Landzunge
zum Abschied – und ich? Ich wate.
Wate im Schlick und ertaste Priele,
spür‘ im Trüben zarte Meersalzbisse,
höre Scheidenmuschelschalen knacken.

Faul perlt Eigeruch in Blasenketten
zur Oberfläche, eine Kompassqualle
weist mir den Weg: Nesselfäden prickeln
im Nacken – und ich? Ich schwimme.
Schwimme allein, allein auf off‘ner See.

Gleite müd‘ durch schummrig-grüne Jade,
tauche ab in Meereseichenreiche,
lausche, wie Sirenensilbenstimmen
unkenhell von Nuschelbänken klingen,
wälze mich mit Wortwalriesen nächtelang.

Und du? – Du bestreitest diese Tage,
flickst im Sturm die Deiche unsrer Warften,
wuchtest Wellenbrechertetrapoden
in die Brandung, baust mir Rettungsbojen,
löschst mit deinem Lächeln unsre Ladung.
 

Tula

Mitglied
Hallo Artbeck

ein sprachlich und bildlich sehr reichhaltiges Gedicht, das liegt ja sicher voll in deiner Absicht und ist dir auch gelungen, wobei es mir als Leser dann mitunter doch schwer fällt, mich in der Abfolge und Fülle der Bilder nicht zu verlieren.

Manche Stellen wirken auf mich semantisch gesehen widersprüchlich, z.B. bei den Sirenensilbenstimmen, welche dann unkenhell ... (?)

etwas verunsichert, aber auf jeden Fall gern gelesen

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
wunderbar!
Wird bei jedem Lesen besser, weils reichhaltig ist. Und klanglich schön komponiert.
 
Hallo, Tula!

Vielen Dank für die Schilderung deiner Leseeindrücke!

Dass ich für ein wenig Verunsicherung bei dir sorgen konnte, nehme ich fast schon als Kompliment - obwohl dein kritischer Einwand
wobei es mir als Leser dann mitunter doch schwer fällt, mich in der Abfolge und Fülle der Bilder nicht zu verlieren.
gar nicht so sehr im Widerspruch zur Intention steht, ein lyrisches Ich darzustellen, das in seinen eigenen "Bewusstseinsströmungen" umhertrudelt und fortgespült wird, immer weiter weg von den Realitäten des Alltags.

Mich würden aber auch die semantischen Widersprüche interessieren, die dir aufgefallen sind. Würde mich freuen, wenn du diese noch einmal konkretisieren könntest - wenn du magst.

Grüße aus Osnabrück,
Artbeck
 
Hallo, Mondnein!

Herzlichen Dank für deine Bestätigung, was den Inhalt und den Klang bestrifft! Auch für deine Bewertung!

Freut mich natürlich sehr, dass der Text beim wiederholten Lesen Neues bieten kann und nicht zu sehr an der Oberfläche dümpelt.

Viele Grüße,
Artbeck
 

Tula

Mitglied
Hallo Artbeck

ich werde mich hiermit wohl zum Krümelkacker küren, aber die Stellen, die ich meinte, sind die folgenden:

sausende Schwanenschwingen

Der Schwan symbolisiert neben Schönheit, Eleganz, Treue (in der Liebe) auch so etwas sie 'ruhende Kraft', er ist in seiner Erscheinung erhaben. Da will mir das Sausen nicht so recht passen, das klingt eher nach einem Raubvogel.

Dann singen die sausenden Schwingen heisere Lieder ... Überzeugt mich weniger.

Dann nannte ich bereits:

Sirenensilbenstimmen
unkenhell


Singen Unken so schön wie Sirenen? Ich kann den Übergang nicht wirklich nachvollziehen.

Nesselfäden prickeln

Nun ja, sie prickeln nicht, eher schmerzend. Aber der körperliche Schmerz in der Liebe kann ja durchaus stimulierend sein :)

Andere Formulierungen aber sehr interessant, mir gefällt's wirklich.

LG
Tula
 
Hallo, Tula!

Deine Ausführungen empfinde ich überhaupt nicht als „Krümelkackerei“ – vielmehr weiß ich einen genaueren Blick, gerade zur späten Stunde auf die Zeilen geworfen, sehr zu schätzen.

Kritische Einwände möchte ich nicht schönreden, da es ja schließlich um deine persönliche Wahrnehmung geht - nur kurz begründen, warum ich mich für die eine oder andere Formulierung entschieden habe.

In der ersten Strophe ist das lyrische Ich noch ganz im realen Hier und Jetzt (was sich ja im Verlauf ändert…). Deswegen sind die „sausenden Schwanenschwingen“ recht naturalistisch gedacht – ohne jegliche traditionelle Symbolik, so wie du sie andeutest. Sie vermögen mich dennoch jedes Mal zu verzaubern (deswegen „heisere Lieder“), wenn sie mir beim Meerforellenangeln an der Ostseeküste meist paarweise über den Kopf hinwegfliegen. Der Flügelschlag klingt beim Höckerschwan wie ein fast metallisches Sausen (lautmalerisch wie fruu-fruu-fruu-fruu-fruu…).

Dass die Nesselfäden nur „prickeln“, ist vielleicht der Bewusstseinsveränderung oder -verzerrung des lyrischen Ichs geschuldet. Die äußeren und inneren Seelenlandschaften geraten aus dem Gleichgewicht, das in LI in Trance …Ein Prickeln kann auch warnen. Die Menge macht das Gift, wie beim Fugu-Essen, wo es im Gaumen nur leicht prickelt, wenn der Koch es richtig angestellt hat...

Die Rufe der Rotbauchunken finde ich glockenhell und habe sie das erste und einzige Mal im Putgartener Dorfweiher neben dem Rügenhof Kap Arkona gehört. Sie klingen unwirklich-wehmütig-lockend, wie nicht von dieser Welt (das ist aber nur mein subjektiver Eindruck) – und man kann sich beim Lauschen darin verlieren … kein Vergleich zum gewöhnlichen Froschquaken (ein Beispiel https://www.youtube.com/watch?v=6t-yYE7Gnnc))

Bevor ich aber meinen eigenen Text interpretiere, schließe ich hier lieber fürs Erste…

Vielen Dank fürs genaue Lesen und die Bewertung!

Gruß,
Artbeck
 

Tula

Mitglied
Hallo Artbeck

Danke für deine ausführliche Antwort. Die Beschreibung der Eindrücke des Erlebens der Natur haben mich ohne Zweifel überzeugt, mich einfältigen Stadtmenschen :)

LG
Tula
 



 
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