Kapitel „Rückfahrt“

anonyma-b

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Auf der Rückfahrt von Baiersbronn fuhr Ulrike und ich hing meinen Gedanken nach versuchte sie von der letzten Nacht zurückzuholen.
Ein Ort nach 25 Jahren des Wiedersehens, wo keiner gealtert war, außer einem alten Eremit. Früher war meine gesamte Familie öfters nach Kärnten gefahren. Immer schönes Wetter im Sommer, im Winter immer Schnee und der See zugefroren, bis auf Jahre später, wo in der Mitte im Eis eine riesige freie offene Stelle war, eigenartig hell beleuchtet und von Nebel umgeben.
Damals, nach unserem letztem Urlaub auf dem Berghof, erzählte mir die Wirtin, nach einem beschwingten Abend, die Geschichte vom hell erleuchteten Seitental, als sie auf dem Heimweg von Spittal war, aus ihrem Auto stieg, um nachzuschauen, was das bedeutete - alles im grellen Licht, nichts zu erkennen und später zu Haus niemandem davon erzählte, nur später mir. - „Die würden mich doch für verrückt erklären!“
Nun, nach über 25 Jahren kam ich zurück, auch aus der Erinnerung, denn außer, Berta, waren auch die anderen ein netter Menschenschlag, an diesem stillen See, sehr umgänglich, ob Jung oder Alt. Auch ob der Hof noch bewirtschaftet wurde?
Freunde von uns waren zwischenzeitlich für ein paar Tage dort gewesen und erzählten von jungen Leuten die den Hof führten.
Mit meinen 70 Jahren war ich gespannt, wie sie aussahen, sich verändert hatten, mancher vielleicht schon verstorben war.
Am Ortseingang wurde, wie damals, auf dem Bolzplatz Fußball gespielt, viele junge Leute sahen zu und manche winkten erstaunlicher Weise. Vielleicht lag es an meinem alten VW-Cabrio, Froschgrün Baujahr 1973 und jetzt, bei herrlichem Sonnenschein, auch noch offen wie früher, quasi ein Erkennungszeichen.
Als ich am Berghof ankam, stand oben auf der Weide die Tochter des Hauses, um Heu zu rechen. Sophia jung und hübsch, stutzte einen Moment, als sie näher trat, betrachtete meinen Käfer und fragte:
„Bist Du es Eric!“ und ich: „immer noch.“ Wir lachten herzlich und umarmten uns. Sie ging vor mir her, eine junge Frau, als wenn keine Jahre vergangen wären. „Ja, da staunst du wohl, ich führe jetzt den Berghof, bin ja auch schon 40!“. „Siehst aber wie 20 aus“, staunte ich, aber rechnerisch kommt das hin, murmelte ich mir in meinen Bart. Und dann Sophia: „Deine Aquarelle hängen immer noch im Treppenhaus, du wirst sehen und dein Cabrio läuft ja immer noch, ist auch jung geblieben.“ „Wie geht es deinen Eltern?“ „Vater gestorben, vor 6 Jahren, aber der Mutter geht es gut, die sieht aus wie früher und kochen kann sie noch besser.“ „Habt ihr noch das leckere Veltins?“ „Na klar, komm doch rein!“
Ich parkte den Wagen am See und ging mit meinem Rucksack über die Stichstraße, zu den Stufen, hoch zur Terrasse.
Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über den See zum Spitzegel, auf dem, an diesem schönen Herbsttag, schon Schnee lag und die Abendsonne tat ihr übriges.
„Bist du es wirklich!“, ich drehte mich um, eine Frau mittleren Altes, gut aussehend, trotz Schürze wie eine Dame, schlank wie eh und je, trat auf mich zu und Eric: „Mein Gott Berta, du hast dich überhaupt nicht verändert“, stammelte ich. Und sie: „bei uns aber manches schon und du bist immer noch ein Gestandener!“ Wir umarmten uns und ich roch an ihr die sämtliche Gewürze ihrer mediterranen Kochkunst.
Mittlerweile kam Sophia, die junge Wirtin, mit einem herrlichen Pils und setzt sich zu uns. „Wie lang bleibst denn?“ fragte die Mutter. „Ja, wenn ihr noch für mich was frei habt, übers Wochenende, wenn es geht?“, „Schön das passt schoa, ich muss schnell nochmal nach oben!“, rief Sophia.
„Apropos, oben, lebt der Chrischt noch?“ „ja, der!“, sagte Berta, „der lebt bestimmt ewig.“ und Eric staunend: „Der muss doch an die 100 sein?“ „Aber rüstig!“, warf Berta ein.
Chrischt, auf dem Kamm wie man hier zu sagen pflegt, weil er früher Hirte war, hochdeutsch Christian, war ein einsamer Kauz, lebte unterhalb des Hausberges in seiner Einsiedelei. Die Hütte schmiegte sich in einem Kar und außer paar Ziegen hatte der Einsame noch einen schön angelegten Garten, mit allerlei Gewürzen. Ich war oft bei ihm oben gewesen und dann tranken wir, an seinem Steintisch vor der Türe, selbstgerannten Marillengeist und philosophierten über Anfang und Ende unseres Daseins.
Nachdem ich das Bier geleert hatte, fragte ich Berta, ob sie noch vom Selbstgebrannten was hätte, und ging mit einer Flasche, aus lauter Neugierde, keuchend den steilen Pfad nach oben.
Sein Bart, quasi mit dem Haupthaar verwachsen, war schlohweiß geworden, etwas gebeugter seine Haltung, aber sonst, wie es mir schien, noch sehr agil, als der Eremit mich grübelnd begrüßte:
„Woas, dös hält moa unser ans nit für möglich, also, der Bildhauer, bists wirklich, naja unsern Gebrannten hos jo mit!“ und er nahm die Flasche, holte 2 Gläser und stellte sie auf den Tisch, dass es klirrte: „Jo, wie lang ists her?“ und Eric: „über 25 Jahre.“ „Jo mei, siehst ja noch stramm aus, dann gieß ma oi.“ Ich goss ein, nach dem Prosit erzählten wir von alten Zeiten, dass sich hier kaum etwas verändert hätte und alle noch so jung geblieben wären. Darauf der Alte kichernd: „Jo, i ja nett, aber du host recht, da kann wos nit stimme, wenn die beiden ab und zu was hoch bringa täten, dann wunderts mich schoa.“ Eric nachdenklich seinen Bart graulend: „Hat dir denn Berta nichts von damals erzählt? Ich hatte ihr gesagt, das du es ruhig wissen solltest, denn du bist ja ein stiller und quatschst nicht wie die anderen.“ „Ah so, dös meinst, jo hm“ und schaute mit seinen seeblauen Augen unter den weißen Büscheln Eric an. „jo, host ihr a geglaubt“ und Eric „warum sollte so etwas nicht vorkommen, aber wenn, dann sind sie noch hier oder sie beamen sich hin und her, oder zu mindestens haben sie die Leute hier manipuliert, denn man sieht keine Alten nur alt gebliebene, sonst ja nur junge. Was war mit dem Sepp von Berta, wie ist der eigentlich gestorben? „Na a der ist nicht gestorben, der ist vermisst, aber wurde nie gefunden, nachdem er domals ins Tal wollte.
„Chrischt, ich komme morgen wieder, jetzt bin i müd“, erhob sich Eric, leicht den Dialekt annehmend und wanderte die Viertelstunde den Pfad hinunter.
Nach dem köstlichen Abendessen zu dritt, denn es waren auch keine weiteren Gäste da, setzten wir uns mit einem Grauvernatsch an den Kamin und erzählten. Sophia war müde und sah auch etwas älter aus und ging früher zu Bett.
„Sag mal Berta, die Geschichte die du mir damals vertraulich erzähltest, also nur mir, ist danach noch was passiert?“
„Welche Geschichte meinst du, ah, ich weiß, die mit Joschi und seiner besseren Gattin?“
„Nein, ich meine was du mir erzählt hattest, mit dem hellen Licht im Seitental, als du damals aus Spittal abends zurückkamst!“
„Ach das Phänomen, das gibt es doch öfters in der letzten Zeit, das kennen auch die anderen.“ und Eric erwidernd: „Aber du hast doch niemandem davon erzählen wollen?“
„Aber Eric, davon erzählen viele.“
„Und warum seid ihr so jung geblieben, zumindest äußerlich!“ platze es aus mir heraus. Berta rutschte lächelnd näher zu mir: „aber Eric, wir waren doch schon immer außerirdisch, was haben wir manchmal gefeiert, grade zu orgiastisch.“
„Und dein Sepp, immer scharf auf die Städterinnen, auf seine hübschen Gäste.“
Berta mittlerweile ganz nah: „und ich scharf auf dich.“ dabei beugte sie sich grinsend rüber, um mich zu küssen und Eric konnte in ihrem Dekolleté die schlaffe, faltige Haut erkennen.
Erschrocken fuhr ich auf. „Naa Eric,“ fragte Rike, „du warst aber weit weg!“ und fuhr in Düsseldorf in unsere Garage.
 



 
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