Kölner Dom

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Kölle

Mitglied
Kölner Dom
Als der Regionalexpress im Kölner Hauptbahnhof zu stehen gekommen war, verließen zwei Männer den Zug und schlenderten durch die Hallen des Bahnhofs zum Dom. Bis zur Abfahrt des Anschlusszuges hatten sie über eine Stunde Zeit, die sie für einen Domaufstieg nutzen wollten.
Auf dem Domvorplatz schauten sie an der dunkelgrauen Fassade des Doms zu den Turmspitzen hoch. Der ältere der beiden sagte: “157, 38 Meter.” Der andere schaute ihn mit gespielter Hochachtung an und hörte als Antwort: “Du weißt doch, ich bin Lehrer!”
“Dass du die Höhe kennst, konnte ich mir denken. Aber du solltest wissen, dass es nur 157,31 Meter sind.”
“Da muss ich jetzt aber lachen...!”
Es folgte ein verbales Geplänkel, halb Ernst, halb Spaß, bei dem jeder vom anderen die Quelle seiner Information forderte. Aber sie wollten sich nicht wegen sieben Zentimetern Unterschied wie kleine Kinder zu streiten, und entschieden, der Sache in einer Buchhandlung auf den Grund gehen. Für die beiden Lehrer war die Aussicht, in den nächsten Minuten zwischen hohen Regalen zu stehen und vielleicht einen Reiseführer nach dem anderen aus den Regalreihen zu ziehen, das reinste Vergnügen.

Die erste Fundstelle war eine Enttäuschung: “Laut diesem Reiseführer sind es 157,22 Meter. Das kann ja wohl nicht wahr sein!” entrüstete sich der ältere und der jüngere Lehrer fand in einem anderen Buch “seine” 157, 31 Meter - allerdings für den Südturm, während der Nordturm angeblich 157,38 Meter erreicht.
“Und hier”, warf der Kollege ein, der kaum zugehört hatte, “hier steht, dass der Nordturm 157,31 Meter hoch ist und der Südturm sieben Zentimeter kleiner. Macht 157,24 Meter!?”
In einer Kölner Buchhandlung ist der Bestand an Reiseführern über Köln und den Kölner Dom immens. Und so ackerten sie sich durch viele Bücher hindurch, lasen sich gegenseitig ihre gefundenen Höheangaben vor - und wussten am Schluss nicht, welcher Quelle sie am meisten Glauben schenken sollten.
Ihre Recherche hatte die beiden Lehrer die Zeit vergessen lassen. Also mussten sie plötzlich zum Hauptbahnhof zurückhetzen und erreichten gerade noch ihren Anschlusszug. Wenige Sekunden später verließ der Zug den Hauptbahnhof, ratterte durch die Innenstadt und machte schließlich einen weiten Bogen um Köln herum Richtung Süden.

Die beiden Kollegen saßen sich - noch immer leicht außer Atem - am Fenster gegenüber, sahen in der Ferne den Kölner Dom aus dem Häusermeer herausragen und beide hatten ein und den selben Gedanken: Wie hoch ist er nun, der Dom?
 
C

cellllo

Gast
Wenn solche Lehrer auf die Schüler losgelassen werden,
dann wundere ich mich nicht mehr über das Referat einer
kleinen Fünftklässlerin (= 10/11 Jahre alt) über Pferde :
"Das Vollblut-Pferd misst vom Maul bis zum Pferdeschwanz ca .., .. m !
Es ist von den Vorderhufen bis zu den Ohrenspitzen ca ..,.. m hoch.
Die Beine sind ca ... cm hoch.
Der Oberkiefer hat ... Zähne,
der Unterkiefer hat ... Zähne.
Endlose weitere Maße und kahle Daten folgten, heruntergelesen in atemloser Geschwindigkeit.....
Für den Rest der Stunde sollten die Schüler anhand des Biologiebuchs die Daten der Fledermaus, des Igels und noch einiger anderer absolut zusammenhangloser Tiere in Arbeitspapiere eintragen......
Da der Fachlehrer abwesend und ich nur als stumme Aufsicht bestellt war, beklagte ich mich später bei einer anderen Biologielehrerin über diese trockene Datenpaukerei und fragte entsetzt, ob das normal sei. Nein nein das sei nicht immer so.... allerdings sei eine gewisse Tendenz in diese Richtung nicht zu leugnen.....
:-((
cellllo
 

Kölle

Mitglied
Na ja, liebe Celllo, ich habe hier zwar Lehrer agieren lassen, aber eigentlich muss man sich gar nicht in den Schulbetrieb hineindenken, denn schließlich waren wir alle einmal Schüler und haben - während wir erwachsen wurden - aus dieser Zeit viel mitgenommen.

Der Horror ist eigentlich der: aus Schülern werden heimliche Lehrer, und die sind unter uns...
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sag Deinen Lehrern, dass Astronaut Alexander Gerst den Kölner Dom vom Weltall aus gesehen hat. (!) Damit werden alle exakten Höhenangaben unwichtig.
:)

Das Stück hier gefällt mir, denn es zeigt so richtig schön die elende Besserwisserei von Besserwissern ...

LG Doc
 

Rafi

Mitglied
So richtig ganz und gar gefällt's mir nicht … Das Geschichtchen hat mir doch zu viele „Fakten“ und zu wenig Ereignis. Auch das Ende kommt mir ein wenig banal rüber:
Die beiden Kollegen saßen sich - noch immer leicht außer Atem - am Fenster gegenüber, sahen in der Ferne den Kölner Dom aus dem Häusermeer herausragen und beide hatten ein und den selben Gedanken: Wie hoch ist er nun, der Dom?
Hier hätte mir eine – ich will mal sagen „schmunzelnde“ Erkenntnis – besser gefallen. Vielleicht so: Die beiden Kollegen saßen einander - noch immer leicht außer Atem - am Fenster gegenüber, sahen in der Ferne den Kölner Dom aus dem Häusermeer emporragen. So hoch, dass es in Metern und Zentimetern gar nicht auzudrücken war. Und dann begann er zu schrumpfen, wurde kleiner und kleiner, bis er sich schließlich hinter Dächern und Türmchen und Giebeln versteckte, die plötzlich noch höher waren als er. Doch seine Größe, die würden sie nie erreichen …

Das wäre dann rein auf das Bauwerk bezogen. Als Metapher könnte ich mir dann auch eine gewisse Größe (oder Kleinheit), ein Wachsen und Schrumpfen der beiden Lehrer vorstellen.

Nichts für ungut
Rafi
 

Kölle

Mitglied
Hallo Rafi,

danke für deine Gestaltung des Endes der Geschichte. Sie ist rund und gelungen, und du arbeitest auf eine Metapher hin. Ehrenwert und sicherlich auch eine Möglichkeit...

Das war nicht meine Absicht. Mir ging es um Schlaumeierei, mir ging es um die Relativität der gedruckten Objektivität - aber beides eher als Nebenkriegsschauplatz, es sind ja Binsenweisheiten -, und mir ging es darum, dass wir Menschen manchmal den selben Gedanken haben, der uns in zwillingshafter Weise verbindet. So sehr sich die beiden Lehrer auch konfrontativ gegenüberstehen, so sehr sind sie gleichzeitig durch den selben Gedanken miteinander verbunden. Ähnlich wie zwei Menschen, die voneinander denken: "So ein Idiot!" Der Inhalt trennt die Menschen, der Satz/Gedanke verbindet sie, ohne dass sie es merken. So gesehen sind die beiden Idioten sich näher als ihnen lieb ist...

Und ich gebe dir grundsätzlich recht, dass das Ende banal rüberkommt. Das liegt vielleicht daran, dass ich dem Leser viel Interpretationsspielraum geben möchte. In diesem Fall wusste ich zwar, was ich aussagen wollte/will, doch habe ich es offensichtlich nicht geschafft, das elegant rüberzubringen - ohne Erklärung.

Einen kommentierenden Satz wie
Doch seine Größe, die würden sie nie erreichen …
macht das Motiv des Autoren dingfest. Das aber möchte ich so gut es geht vermeiden. Wie gesagt, ich möchte Interpretations- bzw. Assoziationsspielraum geben.

Dass dadurch inhaltliche Schärfe auf der Strecke bleibt, ist natürlich schade. Aber wer weiß? Vielleicht wendet sich das Blatt einmal und ich möchte meine Absichten eindeutig erkannt wissen. Zum Glück schenkt uns das Leben ja einige Jahre, in denen wir dies oder jenes ausprobieren können.

Danke für dein Feedback.

LG Kölle
 
Kölle, mir hat's ausgesprochen gut gefallen, als Anekdote wie auch als Ausführung eines Plans, wie von dir heute um 19.03 Uhr dargelegt.

Dein Text rief in mir die Erinnerung an ein Prachtexemplar von Erdkundelehrer wach. Er war so sehr buchgläubig, dass er sich weigerte, die fragliche Bevölkerungsdichte von Belgien aus Flächengröße und Bevölkerungszahl zu errechnen (von einem Schüler vorgeschlagen) - nein, nein, er werde zu Hause in seinen Unterlagen nachsehen und dann auf die Sache zurückkommen.

Arno Abendschön
 
C

cellllo

Gast
Schönen Abend Arno Abendschön !
Ich möchte dem "Prachtsexemplar" gerne Apostrophen
verabreichen....
cellllo
 



 
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