Es war die Nacht vor meinem achten Geburtstag, als ich hellwach, in Decken eingemummt in meinem Bett lag und zum Fenster herausblickte. Auf der Straße stand eine Laterne, deren Licht jede Nacht in mein Zimmer schien, doch das störte mich nicht, hatte ich mich doch über all die Jahre daran gewöhnt. Im Gegenteil, denn stolz war ich auf meine Lampe, da wohl kein anderes Kind sich von so einem großen Nachtlicht erhellt, im Schlafe sicher fühlen konnte. Der eigentliche Grund aber, warum ich jeden Abend so lebhaft auf die Laterne blickte, waren die vielen kleinen Käfer und Motten, wie sie so lustig und frei um den Schein des Lichts herumtanzten. Eines dieser seltsamen Insekten hatte ich besonders ins Herz geschlossen, denn auf ihn war wahrlich immer Verlass. Es war Mantus - der Mottenkönig. Zwar wusste ich, dass er jeden Herbst fortgehen musste, doch sagte mir meine Mutter, dass er nur Winterschlaf hielt und tatsächlich! Er kam jedes Jahr, wenn es warm wurde wieder! Er war wirklich der Meister aller Mottentänzer und niemals hätte ich ihn mit einem anderen Flugobjekt verwechselt, so deutlich hob er sich mit seiner gekürten Akrobatik von all den anderen ab. Jede Nacht, außer während der kalten Wintertage, war es er, der mich mit seinen erstaunlichen Künsten in den Schlaf wog und genau das war auch der Grund, wieso ich diese Nacht nicht schlafen konnte. Ich machte mir ein wenig Sorgen um ihn, denn es war schon später Herbst und mit dem ersten Nachtfrost würde er die heimatliche Laterne verlassen müssen. Dann saß er wahrscheinlich in einer Mauerspalte und schlief, während ich wach lag und mir allerlei Ablenkungen ausdenken musste, dass ich überhaupt einschlafen konnte. War Mantus erst einmal weg, fiel mein Blick viel zu oft auf den Mond, vor dem ich mich maßlos fürchtete, da er stets dazu geneigt war, mich so starr zu beobachten. Riesengroß grinste er mich an, als wollte er sagen: \"Heute Nacht fall ich auf dich drauf!\"
Zum Glück aber waren Mantus und seine Untertanen noch zugegen und es lag wohl eher an der Aufregung vor meinem Geburtstag, dass es mir so schier unmöglich erschien einzuschlafen. Wer nun meint, es sei doch außerordentlich langweilig, die seltsamen Tiere bei ihren Flügen zu beobachten, täuscht sich wirklich ganz gewaltig, denn wahrscheinlich hat er noch nie die Gefahr bemerkt, die mit den heiklen Manövern verbunden ist. In eine Art Rausch schienen meine geflügelten Freunde zu verfallen, während sie die ganze Nacht über versuchten, so nah wie möglich an der heißglühenden Lampe vorbeizusausen. Schon öfters war ich Zeuge gewesen, wenn einer von ihnen seine Fähigkeiten überschätzte und sich folglich die Flügel versengte. Jämmerlich stürzten diese zu Boden - doch das wäre Mantus niemals passiert, denn dazu war er einfach viel zu talentiert! Es war sinnbildlich ein Spiel mit dem Feuer, bei dem allerdings nur die besten überleben konnten. Oft schon hatte ich mich gefragt, was sie überhaupt dazu trieb, sich einer solchen Gefahr auszusetzen, doch kam ich nur zu dem Schluss, dass es wohl eine Art Notwendigkeit in ihrem Leben darstellen musste, denn ganz schön naiv wären sie ja, würden sie dieses Spiel freiwillig oder gar aus Langeweile spielen. Vielleicht sehnten sie sich aber einfach nur nach der Wärme, die das Licht ihnen gab, denn ich würde ja ohne meine Decken genauso bitterlich frieren wie sie ohne ihre Laterne. Trotz dass mir Mantus? Leben fast wichtiger war als das meinige, musste ich jedes Mal, wenn einer seiner Konkurrenten abstürzte bitterlich weinen, denn vielleicht war es ja ein Freund des Königs gewesen und dann wäre auch er sicherlich traurig gewesen. Das wusste ich eben aus meinem eigenen Leben: Allein macht das schönste Spiel der Welt so gut wie garkeinen Spaß!
Manchmal kreisten sie so aufgeregt und lebensmüde um den Lampenschirm, man könnte fast meinen, sie seien so süchtig nach dem Licht, dass sie jede eventuell auftretende Gefahrensituation einfach vergaßen. Ganz egal schien es, ob sie nun im Sturzflug zusammenprallten oder sich an der Hitze die feinen Härchen verbrannten. So lange es nicht die Flügel waren die zu Asche zerfielen, so war es gewiss, dass sie auch in der nächsten Nacht wieder mit dabei waren. Viel mehr gab es ja auch nicht, was ihr kleines Dasein mit Inhalt füllen konnte. Doch denkt nicht, ich würde mich nicht für das Überleben meiner Freunde einsetzen! Seit dem Tage, an dem der schreckliche Vorfall mit der Spinne zu beklagen war, sehe ich jetzt immer genau hin, ob nicht vielleicht wieder so ein hinterhältiger Räuber das endlose Fest der Motten stören wollte. Sah ich also ein Netz in der Nähe der Lampe gespannt, hielt mich nichts und niemand davon ab, unverzögert einen Ball unter der Laterne so lange in die Höhe zu werfen, bis ich das Werk der Spinne zerstört hatte. Leider sah man das Netz bei Nacht nicht sehr gut und so wurde es mir meistens erst gewahr, wenn es sich vom Morgentau durchnässt in den Sonnestrahlen spiegelte. In solchen Fällen musste die Säuberungsaktion aber noch vor der Schule stattfinden, was meine Mutter oft erboste, da es auch schon vorkam, dass ich deswegen zu spät zum Unterricht erschien. Egal, denn ich wusste was mir wichtiger war und so frei die Motten sich jede Nacht ihrem Treiben hingeben durften, so frei durfte auch ich über meine Zeit verfügen! Wie die Spinnen ihre Netze unsichtbar um die Tänzer spannten, so schienen auch die Menschen ihre Fallen um mich herum zu bauen, doch bis jetzt hatte ich immer noch rechtzeitig erkennen können, ob man meine Mutter aus dem Fenster lugte um mich von meiner Arbeit abzuhalten. Sowieso verhielten sich alle denen ich von meinen Freunden erzählte sehr merkwürdig, manche ignorierten es rigoros, während meine Eltern jedesmal in einen furchtbaren Streit verfielen, sagte man auch nur ein Wort über die Motten. So vermied ich es auch folglich darüber zu sprechen und tat meine Arbeit mit dem Spinnennetz nur noch heimlich. Wenigstens hatte ich sie jede Nacht für mich allein! Ganz ungestört konnte ich sie beäugen, ihnen Beifall geben und vor allem meinem König die nötige Ehre erweisen.
Ich träumte oft davon, selbst einmal mit Flügeln versehen an dem wilden Tanz teilzunehmen. Wie rasant ich dabei durch die Lüfte glitt! Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn, die man um die Sonne herum gebaut hatte! Auch ich wollte immer näher zum Licht fliegen, doch war es stets mein König, der mich warnend davon abhielt. Ach, wie sorgsam war er nur um mich! Verbrannt wäre ich längst, hätten seine weisen Worte mich nicht fortwährend zur Vernunft ermahnt!
Ähnlich schrecklich wie der Vorfall mit der Spinne, die fast alle der tapferen Flieger gefangen hatte, als ich gezwungen wurde mit meinen Eltern ans Meer zu fahren, war so ein ähnlicher Traum aus dem vergangenen Winter. Ich erinnere mich ganz genau an alles, denn so grausam er mir auch durchs Gemüt fuhr, so lehrreich und wunderschön war er auch. Wieder war ich mit wundervollen Schwingen beschenkt, unterwegs zu der allabendlichen Versammlung im grellen Licht der Laterne. Wie die Vorfreude auf den Tanz in mir brannte, als ich durch die Straßen und Gassen der Stadt flog! Wahrlich ein unbeschreibliches Gefühl! Und erst die ganzen Menschen unter mir! Wie schön war es, unbemerkt an ihnen vorbeizufliegen zu können, da ich ja viel zu klein und nichtig war, um ihren Blick auf mich zu lenken. Höher und höher ging mein Flug, denn viel freier fühlte ich mein Wesen, je näher ich dem Himmel kam. Von ganz oben blickte ich nun auf die Stadt herab, die sich sonst meine Heimat schimpfte und wie sehr wünschte ich mir in diesem Moment einfach nie mehr aufzuwachen. War denn die Traumwelt keine lebenswerte Welt?
Lachen musste ich, wie ich dort oben einen Überblick über den Wahnsinn dieses Ameisenhaufens genießen durfte, denn es sah einfach zu komisch aus, wie sich alles so sinnlos zu bewegen schien. Aber halt! Wollte ich nicht zum Tanzfest der Motten fliegen und mich dort mit meinen Freunden amüsieren? Viel zu lange trieb ich mich schon in den Höhen der Freiheit herum, dabei durfte ich doch gerade meinen König nicht auf derartige Weise in unnötige Sorgschaften bringen! Entsetzlich die Vorstellung, ich könnte ihm seine stets erheiterte Miene rauben! So flog ich so schnell ich konnte wieder in die Stadt hinab und suchte weiter nach der geheiligten Laterne, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich fand sie an diesem Abend einfach nicht mehr. Möglich, dass dies meine Strafe für den unangebrachten Höhenflug sein sollte und wirklich schwer war dieses sinnlose Suchen zu ertragen. Vollkommen erschöpft bildete ich mir schon ein, diese oder jene Straße bereits mehrmals durchflogen zu haben, während andere Wege einfach kein Ende nehmen wollten und ich so genötigt war einfach umzudrehen. Auch ich war nun nurnoch ein Teil der sinnlosen Stadtbewegung und sowieso schien der einzige mit Sinn beschenkte Ort die Laterne zu sein, nach deren Auffindung ich mich so kräftezerrend bemühte.
Wer jetzt vielleicht denkt, unser Tanz sei doch im Grunde genauso sinnentfremdet wie der stets fließende Born der Stadt, der täuscht sich auch hier gewaltig, denn im Gegensatz zu den Menschen hatten wir keinerlei Feindschaft, Verpflichtungen oder Strafen in unserer Gemeinschaft. Unsere Welt glich einem riesengroßen Spielplatz, auf dem niemand Neid oder Hass gegen seine Brüder oder Schwestern hegte. Alles schien so harmonievoll in der Ewigkeit zu vergehen und das einzige was zu Trauer führen konnte, war der Absturz eines Kameraden. Doch war die Hitze gleichzeitig Gefahr wie Animation für die waghalsigen Manöver, mit denen man aber keineswegs prahlen wollte. Sie verfolgten einzig und allein den Zweck, sich und die anderen zu noch gefährlicheren Flügen zu bewegen und es war König Mantus allein, der sie zu zügeln vermochte, wenn das Spiel aus seinen Bahnen glitt.
Ich fand das Licht in dieser Nacht nicht mehr und da die Tränen der Verzweiflung schon so schmerzvolle Furchen in mein Gesicht schnitten, beschloss ich einfach dahin zu gehen, wo ich mich an diesem Abend am wohlsten gefühlt hatte: In den hohen Lüften des Wolkenreichs wollte ich mich einfach treiben lassen und die Erde von dort mit meinen Tränen benetzen. Ich drehte mich niemals um, sowie ich in die Höhe empor stieg, denn es kam mir vor als würde der Tod mich auf engstem Schritt verfolgen und schon die Zeit des Umdrehens würde ihm genügen, um eines meiner Beinchen zu umgreifen, um mich schließlich auf den harten Boden der Erde zurückschleudern. Längst schon war ich durch die Wolken geflogen, als mir die Winde der Unendlichkeit unter die Fittiche griffen und mir jegliche Kontrolle über meine Flugbahn entrissen. Nicht lange hielt ich mich bereits im Kosmos auf, als mir die Neugier, mich nicht doch einmal umzudrehen endgültig zu einer unerträglichen Last wurde. So wand ich mich schließlich ruckartig um, doch war niemand hinter mir. Nur der Anblick des kugelrunden Erdballs konnte mein Auge noch rühren, bis ich mich wieder auf mein Ziel besann, doch beim erneuten Rückblick frontal mit der Sonne zusammenstieß und bei lebendigem Leib verbrannte. Sie hatte wohl schon die ganze Nacht auf mich gelauert, diese hinterlistigste aller Laternen!
Ich erwachte und lag wohl noch bis zum Morgen wach - genau wie ich es in dieser Nacht ertragen musste. Wahrscheinlich sollte mir dieser seltsame Traum sagen, dass man, gesetzt man findet sein gewohntes Licht in der Dunkelheit nicht mehr, sich einfach ein größeres und leichter zu findendes sucht. Dass man an diesem aber noch leichter und unvorhersehbarer verglühen kann, fiel mir erst viel später auf, dabei war es mir im Traum doch schon so gut wie vorhergesagt worden.
Ich lag noch immer wach, doch war es nun meine Blase, die so sehr drückte, dass ich in diesem Zustand keinen Schlaf finden konnte. So schlich ich mich aus meinem Zimmer, um die Toilette aufzusuchen, doch kaum stand ich im Gang, zog schon etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich. Deutlich hörte ich, wie meine Eltern sich lautstark im Wohnzimmer über irgendetwas stritten und so setzte ich mich auf das obere Ende der kleinen Treppe, welche ins Erdgeschoss führte, aus dem die Szene so hämmernd durchs Haus schallte. Erst mein Geschäft zu erledigen, wäre wohl höchst ungünstig gewesen, da man die Spülung unten hören konnte und sie dann wissen würden, dass ich noch wach war und sie vielleicht belauschte.
\"Der kleine Kasperhauser ist doch meschugge!\", brüllte mein Vater, dass die Wände zitterten. Man muss wissen, er hat schon ganz viele Bücher geschrieben und wenn er nicht an seinem Schreibtisch sitzt um noch mehr zu schreiben, sieht man ihn meist lesend auf dem Sofa im Wohnzimmer. Daher kommt es wohl, dass er so viele seltsame Wörter kennt und ich seine Sätze häufig nicht verstehe, doch ist er auch selten dazu geneigt, sie mir zu erklären, dabei würde ich am liebsten auch so reden können wie er.
\"Hättest du mal nicht dein Leben an die Bierflasche verpfändet und ihn ordentlich erzogen! Überhaupt, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du in normalen Sätzen sprechen sollst? Es bringt mich zur Weißglut und dabei weißt du selbst, dass du niemals ein erfolgreicher Autor wirst!\"
Mutter klang sehr erbost. Aber sie hatte Recht, denn Vater trank wirklich viel zu viel. Vielleicht war das seine Art, jeden Abend zum Tanz zu gehen - würde ich eines Tages am Licht verglühen, würde Vater sicherlich in seinen Schnäpsen und Bieren ertrinken. So gesehen konnte ich ihm seine Sucht nicht übel nehmen, denn selbst war ich ja nicht besser bedient, konnte ich schließlich nur unter Qualen ohne Mantus und seinem Gefolge einschlafen. Jeder schien irgendein heimliches Spiel zu spielen, bei dem man solange sein eigenes Leben gewinnt, bis man irgendwann ganz unerwartet der Verlierer ist.
\"Wenn das publik wird, kann ich meinen Ruf ohnehin an den Nagel hängen, nicht anders ging\'s dem Schimmelreiter mit seinem närrischen Kind und ich entsinne mich, dass auch dieses stetig vernarrt in irgendwelche Tiere gewesen ist.\"
Nun war das Thema offensichtlich - es ging um mich, und so wurde ich nur noch gespannter auf das was noch gesagt werden sollte. Hätte ich aber die Folgen meiner Neugier auch nur geahnt, so wäre ich wohl ohne Verzögerung zurück in mein Bett gekrochen und hätte mir die Decke über den Kopf gezogen! Da erzähle mir noch einmal ein Lehrer, ich müsse noch so viel lernen. Wozu denn? Damit meine Welt noch unerträglicher wird? Je mehr man lernt, so scheint es, desto unglücklicher wird man, da man sich einem Kern zu nähern scheint, der schon in seiner Substanz aus tiefer Trauer besteht. Nichts mehr wollte ich seit diesem Tag lernen, denn viel wichtiger erschien es mir, meine Phantasie zu behalten und diese war schließlich das Gegenteil von Wahrheit und Wissen.
Wieder sprach meine Mutter: \"Und dein ewiges Zitieren kannst du genausogut unterlassen! Sowieso, du denkst schon wieder nur an dich! Deine Karriere! Pah! Denk doch einmal an deine Familie und wie du sie wieder zur Rekonvaleszenz bewegst anstatt dem Jungen etwas von etruskischen Gottheiten zu erzählen!\"
Das letzte seltsame Wort mit dem \"R\" sprach sie in einem sehr abfälligen Ton - wahrscheinlich wollte sie Vater damit auf den Arm nehmen. Sie war Ärztin und verwendete wohl deshalb auch so oft solch seltsame Wörter, aber noch lange nicht so häufig wie mein Vater! Außerdem war sie, im Gegensatz zu ihm, fast immer bereit mir diese auch zu erklären. Nur in der Praxis, wo ich oft spielte, da niemand zu hause war, schien ich sie damit ganz schön zu nerven. Es scheint, dass auch ihr die Karriere wichtiger war als die Familie, doch warum redet sie dann damit gegen Vater? Dieser erwiderte jedenfalls schlagartig:
\"Das ich nicht lache! Wieso hilft den dieses seltsame Konglomerat deines so toll befreundeten (er betonte dieses Wort sehr ungewöhnlich) Pillendrehers nicht wie es soll? Fast scheint es mir, als würden all seine Hirngespinste davon noch angeheizt, aber wer wundert sich noch über irrationale Halluzinationen bei solch einer Rabenmutter!\"
Ich verstand schon garnichts mehr von seinem Reden, doch blieb auch keine Zeit, um darüber nachzudenken, denn ich hörte ein Glas zerbrechen, während Mutter ihre nun gellende Stimme durchs Haus fahren ließ:
\"Rabenmutter! (wieder zerbrach etwas) Dann sag du ihm doch, dass sein toller Mantus sowieso jeden Winter stirbt, da er nur ein dummes Insekt ist!\"
Ein Handgemenge schien zu entstehen, doch das war mir schon längst egal. Was meinte sie damit - Mantus stirbt? Hatte sie nicht gesagt, er hielte nur Winterschlaf wie so viele andere Tiere auch? Ich war es zwar gewöhnt, dass Menschen mich belogen, aber doch nicht meine eigene Mutter! Und schon garnicht bei diesem Thema! \"Falsch, falsch! Alles falsch!\", dachte ich, während die heißen Tränen der Enttäuschung meine Wangen röteten. Erbost lief ich ins Bad, war dabei mit Absicht besonders laut, verrichtete meine Angelegenheit und stürzte mich schluchzend zurück in mein Bett.
Plötzlich war alles still. Kein Zersplittern oder laute Worte konnte ich vernehmen und im Stillen meiner Seele wünschte ich, dass sie beide tot waren. Sollten sie sich doch gegenseitig die Kehle aufschlitzen! Mich kümmert?s nicht, solange Mantus noch bei mir weilt?
Ich weiß nicht mehr, ob ich noch wach lag oder bereits schlief, als ich sah wie schließlich auch er am Licht seiner Welt verglühte und zu Boden glitt. Wer sollte nun die anderen von ihren Dummheiten abhalten? Wohl niemand, und deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass am nächsten Morgen all die tapferen Artisten fort waren. Mein Herz verkrampfte jedesmal, dachte ich auch nur an einen von ihnen, denn fatal: Ich wusste, dass sie niemals wiederkehren würden!
Es war die Nacht vor meinem achten Geburtstag und es war der Tag, an dem ich aufhörte zu sprechen, denn aus Worten konnte Wahrheit werden und Wahrheit tat weh, egal in welcher Form man sie vermittelte. Später nannte man es \"perplexe Introvertiertheit\" - ich nannte es lediglich Rücksicht.
Zum Glück aber waren Mantus und seine Untertanen noch zugegen und es lag wohl eher an der Aufregung vor meinem Geburtstag, dass es mir so schier unmöglich erschien einzuschlafen. Wer nun meint, es sei doch außerordentlich langweilig, die seltsamen Tiere bei ihren Flügen zu beobachten, täuscht sich wirklich ganz gewaltig, denn wahrscheinlich hat er noch nie die Gefahr bemerkt, die mit den heiklen Manövern verbunden ist. In eine Art Rausch schienen meine geflügelten Freunde zu verfallen, während sie die ganze Nacht über versuchten, so nah wie möglich an der heißglühenden Lampe vorbeizusausen. Schon öfters war ich Zeuge gewesen, wenn einer von ihnen seine Fähigkeiten überschätzte und sich folglich die Flügel versengte. Jämmerlich stürzten diese zu Boden - doch das wäre Mantus niemals passiert, denn dazu war er einfach viel zu talentiert! Es war sinnbildlich ein Spiel mit dem Feuer, bei dem allerdings nur die besten überleben konnten. Oft schon hatte ich mich gefragt, was sie überhaupt dazu trieb, sich einer solchen Gefahr auszusetzen, doch kam ich nur zu dem Schluss, dass es wohl eine Art Notwendigkeit in ihrem Leben darstellen musste, denn ganz schön naiv wären sie ja, würden sie dieses Spiel freiwillig oder gar aus Langeweile spielen. Vielleicht sehnten sie sich aber einfach nur nach der Wärme, die das Licht ihnen gab, denn ich würde ja ohne meine Decken genauso bitterlich frieren wie sie ohne ihre Laterne. Trotz dass mir Mantus? Leben fast wichtiger war als das meinige, musste ich jedes Mal, wenn einer seiner Konkurrenten abstürzte bitterlich weinen, denn vielleicht war es ja ein Freund des Königs gewesen und dann wäre auch er sicherlich traurig gewesen. Das wusste ich eben aus meinem eigenen Leben: Allein macht das schönste Spiel der Welt so gut wie garkeinen Spaß!
Manchmal kreisten sie so aufgeregt und lebensmüde um den Lampenschirm, man könnte fast meinen, sie seien so süchtig nach dem Licht, dass sie jede eventuell auftretende Gefahrensituation einfach vergaßen. Ganz egal schien es, ob sie nun im Sturzflug zusammenprallten oder sich an der Hitze die feinen Härchen verbrannten. So lange es nicht die Flügel waren die zu Asche zerfielen, so war es gewiss, dass sie auch in der nächsten Nacht wieder mit dabei waren. Viel mehr gab es ja auch nicht, was ihr kleines Dasein mit Inhalt füllen konnte. Doch denkt nicht, ich würde mich nicht für das Überleben meiner Freunde einsetzen! Seit dem Tage, an dem der schreckliche Vorfall mit der Spinne zu beklagen war, sehe ich jetzt immer genau hin, ob nicht vielleicht wieder so ein hinterhältiger Räuber das endlose Fest der Motten stören wollte. Sah ich also ein Netz in der Nähe der Lampe gespannt, hielt mich nichts und niemand davon ab, unverzögert einen Ball unter der Laterne so lange in die Höhe zu werfen, bis ich das Werk der Spinne zerstört hatte. Leider sah man das Netz bei Nacht nicht sehr gut und so wurde es mir meistens erst gewahr, wenn es sich vom Morgentau durchnässt in den Sonnestrahlen spiegelte. In solchen Fällen musste die Säuberungsaktion aber noch vor der Schule stattfinden, was meine Mutter oft erboste, da es auch schon vorkam, dass ich deswegen zu spät zum Unterricht erschien. Egal, denn ich wusste was mir wichtiger war und so frei die Motten sich jede Nacht ihrem Treiben hingeben durften, so frei durfte auch ich über meine Zeit verfügen! Wie die Spinnen ihre Netze unsichtbar um die Tänzer spannten, so schienen auch die Menschen ihre Fallen um mich herum zu bauen, doch bis jetzt hatte ich immer noch rechtzeitig erkennen können, ob man meine Mutter aus dem Fenster lugte um mich von meiner Arbeit abzuhalten. Sowieso verhielten sich alle denen ich von meinen Freunden erzählte sehr merkwürdig, manche ignorierten es rigoros, während meine Eltern jedesmal in einen furchtbaren Streit verfielen, sagte man auch nur ein Wort über die Motten. So vermied ich es auch folglich darüber zu sprechen und tat meine Arbeit mit dem Spinnennetz nur noch heimlich. Wenigstens hatte ich sie jede Nacht für mich allein! Ganz ungestört konnte ich sie beäugen, ihnen Beifall geben und vor allem meinem König die nötige Ehre erweisen.
Ich träumte oft davon, selbst einmal mit Flügeln versehen an dem wilden Tanz teilzunehmen. Wie rasant ich dabei durch die Lüfte glitt! Ich fühlte mich wie in einer Achterbahn, die man um die Sonne herum gebaut hatte! Auch ich wollte immer näher zum Licht fliegen, doch war es stets mein König, der mich warnend davon abhielt. Ach, wie sorgsam war er nur um mich! Verbrannt wäre ich längst, hätten seine weisen Worte mich nicht fortwährend zur Vernunft ermahnt!
Ähnlich schrecklich wie der Vorfall mit der Spinne, die fast alle der tapferen Flieger gefangen hatte, als ich gezwungen wurde mit meinen Eltern ans Meer zu fahren, war so ein ähnlicher Traum aus dem vergangenen Winter. Ich erinnere mich ganz genau an alles, denn so grausam er mir auch durchs Gemüt fuhr, so lehrreich und wunderschön war er auch. Wieder war ich mit wundervollen Schwingen beschenkt, unterwegs zu der allabendlichen Versammlung im grellen Licht der Laterne. Wie die Vorfreude auf den Tanz in mir brannte, als ich durch die Straßen und Gassen der Stadt flog! Wahrlich ein unbeschreibliches Gefühl! Und erst die ganzen Menschen unter mir! Wie schön war es, unbemerkt an ihnen vorbeizufliegen zu können, da ich ja viel zu klein und nichtig war, um ihren Blick auf mich zu lenken. Höher und höher ging mein Flug, denn viel freier fühlte ich mein Wesen, je näher ich dem Himmel kam. Von ganz oben blickte ich nun auf die Stadt herab, die sich sonst meine Heimat schimpfte und wie sehr wünschte ich mir in diesem Moment einfach nie mehr aufzuwachen. War denn die Traumwelt keine lebenswerte Welt?
Lachen musste ich, wie ich dort oben einen Überblick über den Wahnsinn dieses Ameisenhaufens genießen durfte, denn es sah einfach zu komisch aus, wie sich alles so sinnlos zu bewegen schien. Aber halt! Wollte ich nicht zum Tanzfest der Motten fliegen und mich dort mit meinen Freunden amüsieren? Viel zu lange trieb ich mich schon in den Höhen der Freiheit herum, dabei durfte ich doch gerade meinen König nicht auf derartige Weise in unnötige Sorgschaften bringen! Entsetzlich die Vorstellung, ich könnte ihm seine stets erheiterte Miene rauben! So flog ich so schnell ich konnte wieder in die Stadt hinab und suchte weiter nach der geheiligten Laterne, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich fand sie an diesem Abend einfach nicht mehr. Möglich, dass dies meine Strafe für den unangebrachten Höhenflug sein sollte und wirklich schwer war dieses sinnlose Suchen zu ertragen. Vollkommen erschöpft bildete ich mir schon ein, diese oder jene Straße bereits mehrmals durchflogen zu haben, während andere Wege einfach kein Ende nehmen wollten und ich so genötigt war einfach umzudrehen. Auch ich war nun nurnoch ein Teil der sinnlosen Stadtbewegung und sowieso schien der einzige mit Sinn beschenkte Ort die Laterne zu sein, nach deren Auffindung ich mich so kräftezerrend bemühte.
Wer jetzt vielleicht denkt, unser Tanz sei doch im Grunde genauso sinnentfremdet wie der stets fließende Born der Stadt, der täuscht sich auch hier gewaltig, denn im Gegensatz zu den Menschen hatten wir keinerlei Feindschaft, Verpflichtungen oder Strafen in unserer Gemeinschaft. Unsere Welt glich einem riesengroßen Spielplatz, auf dem niemand Neid oder Hass gegen seine Brüder oder Schwestern hegte. Alles schien so harmonievoll in der Ewigkeit zu vergehen und das einzige was zu Trauer führen konnte, war der Absturz eines Kameraden. Doch war die Hitze gleichzeitig Gefahr wie Animation für die waghalsigen Manöver, mit denen man aber keineswegs prahlen wollte. Sie verfolgten einzig und allein den Zweck, sich und die anderen zu noch gefährlicheren Flügen zu bewegen und es war König Mantus allein, der sie zu zügeln vermochte, wenn das Spiel aus seinen Bahnen glitt.
Ich fand das Licht in dieser Nacht nicht mehr und da die Tränen der Verzweiflung schon so schmerzvolle Furchen in mein Gesicht schnitten, beschloss ich einfach dahin zu gehen, wo ich mich an diesem Abend am wohlsten gefühlt hatte: In den hohen Lüften des Wolkenreichs wollte ich mich einfach treiben lassen und die Erde von dort mit meinen Tränen benetzen. Ich drehte mich niemals um, sowie ich in die Höhe empor stieg, denn es kam mir vor als würde der Tod mich auf engstem Schritt verfolgen und schon die Zeit des Umdrehens würde ihm genügen, um eines meiner Beinchen zu umgreifen, um mich schließlich auf den harten Boden der Erde zurückschleudern. Längst schon war ich durch die Wolken geflogen, als mir die Winde der Unendlichkeit unter die Fittiche griffen und mir jegliche Kontrolle über meine Flugbahn entrissen. Nicht lange hielt ich mich bereits im Kosmos auf, als mir die Neugier, mich nicht doch einmal umzudrehen endgültig zu einer unerträglichen Last wurde. So wand ich mich schließlich ruckartig um, doch war niemand hinter mir. Nur der Anblick des kugelrunden Erdballs konnte mein Auge noch rühren, bis ich mich wieder auf mein Ziel besann, doch beim erneuten Rückblick frontal mit der Sonne zusammenstieß und bei lebendigem Leib verbrannte. Sie hatte wohl schon die ganze Nacht auf mich gelauert, diese hinterlistigste aller Laternen!
Ich erwachte und lag wohl noch bis zum Morgen wach - genau wie ich es in dieser Nacht ertragen musste. Wahrscheinlich sollte mir dieser seltsame Traum sagen, dass man, gesetzt man findet sein gewohntes Licht in der Dunkelheit nicht mehr, sich einfach ein größeres und leichter zu findendes sucht. Dass man an diesem aber noch leichter und unvorhersehbarer verglühen kann, fiel mir erst viel später auf, dabei war es mir im Traum doch schon so gut wie vorhergesagt worden.
Ich lag noch immer wach, doch war es nun meine Blase, die so sehr drückte, dass ich in diesem Zustand keinen Schlaf finden konnte. So schlich ich mich aus meinem Zimmer, um die Toilette aufzusuchen, doch kaum stand ich im Gang, zog schon etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich. Deutlich hörte ich, wie meine Eltern sich lautstark im Wohnzimmer über irgendetwas stritten und so setzte ich mich auf das obere Ende der kleinen Treppe, welche ins Erdgeschoss führte, aus dem die Szene so hämmernd durchs Haus schallte. Erst mein Geschäft zu erledigen, wäre wohl höchst ungünstig gewesen, da man die Spülung unten hören konnte und sie dann wissen würden, dass ich noch wach war und sie vielleicht belauschte.
\"Der kleine Kasperhauser ist doch meschugge!\", brüllte mein Vater, dass die Wände zitterten. Man muss wissen, er hat schon ganz viele Bücher geschrieben und wenn er nicht an seinem Schreibtisch sitzt um noch mehr zu schreiben, sieht man ihn meist lesend auf dem Sofa im Wohnzimmer. Daher kommt es wohl, dass er so viele seltsame Wörter kennt und ich seine Sätze häufig nicht verstehe, doch ist er auch selten dazu geneigt, sie mir zu erklären, dabei würde ich am liebsten auch so reden können wie er.
\"Hättest du mal nicht dein Leben an die Bierflasche verpfändet und ihn ordentlich erzogen! Überhaupt, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du in normalen Sätzen sprechen sollst? Es bringt mich zur Weißglut und dabei weißt du selbst, dass du niemals ein erfolgreicher Autor wirst!\"
Mutter klang sehr erbost. Aber sie hatte Recht, denn Vater trank wirklich viel zu viel. Vielleicht war das seine Art, jeden Abend zum Tanz zu gehen - würde ich eines Tages am Licht verglühen, würde Vater sicherlich in seinen Schnäpsen und Bieren ertrinken. So gesehen konnte ich ihm seine Sucht nicht übel nehmen, denn selbst war ich ja nicht besser bedient, konnte ich schließlich nur unter Qualen ohne Mantus und seinem Gefolge einschlafen. Jeder schien irgendein heimliches Spiel zu spielen, bei dem man solange sein eigenes Leben gewinnt, bis man irgendwann ganz unerwartet der Verlierer ist.
\"Wenn das publik wird, kann ich meinen Ruf ohnehin an den Nagel hängen, nicht anders ging\'s dem Schimmelreiter mit seinem närrischen Kind und ich entsinne mich, dass auch dieses stetig vernarrt in irgendwelche Tiere gewesen ist.\"
Nun war das Thema offensichtlich - es ging um mich, und so wurde ich nur noch gespannter auf das was noch gesagt werden sollte. Hätte ich aber die Folgen meiner Neugier auch nur geahnt, so wäre ich wohl ohne Verzögerung zurück in mein Bett gekrochen und hätte mir die Decke über den Kopf gezogen! Da erzähle mir noch einmal ein Lehrer, ich müsse noch so viel lernen. Wozu denn? Damit meine Welt noch unerträglicher wird? Je mehr man lernt, so scheint es, desto unglücklicher wird man, da man sich einem Kern zu nähern scheint, der schon in seiner Substanz aus tiefer Trauer besteht. Nichts mehr wollte ich seit diesem Tag lernen, denn viel wichtiger erschien es mir, meine Phantasie zu behalten und diese war schließlich das Gegenteil von Wahrheit und Wissen.
Wieder sprach meine Mutter: \"Und dein ewiges Zitieren kannst du genausogut unterlassen! Sowieso, du denkst schon wieder nur an dich! Deine Karriere! Pah! Denk doch einmal an deine Familie und wie du sie wieder zur Rekonvaleszenz bewegst anstatt dem Jungen etwas von etruskischen Gottheiten zu erzählen!\"
Das letzte seltsame Wort mit dem \"R\" sprach sie in einem sehr abfälligen Ton - wahrscheinlich wollte sie Vater damit auf den Arm nehmen. Sie war Ärztin und verwendete wohl deshalb auch so oft solch seltsame Wörter, aber noch lange nicht so häufig wie mein Vater! Außerdem war sie, im Gegensatz zu ihm, fast immer bereit mir diese auch zu erklären. Nur in der Praxis, wo ich oft spielte, da niemand zu hause war, schien ich sie damit ganz schön zu nerven. Es scheint, dass auch ihr die Karriere wichtiger war als die Familie, doch warum redet sie dann damit gegen Vater? Dieser erwiderte jedenfalls schlagartig:
\"Das ich nicht lache! Wieso hilft den dieses seltsame Konglomerat deines so toll befreundeten (er betonte dieses Wort sehr ungewöhnlich) Pillendrehers nicht wie es soll? Fast scheint es mir, als würden all seine Hirngespinste davon noch angeheizt, aber wer wundert sich noch über irrationale Halluzinationen bei solch einer Rabenmutter!\"
Ich verstand schon garnichts mehr von seinem Reden, doch blieb auch keine Zeit, um darüber nachzudenken, denn ich hörte ein Glas zerbrechen, während Mutter ihre nun gellende Stimme durchs Haus fahren ließ:
\"Rabenmutter! (wieder zerbrach etwas) Dann sag du ihm doch, dass sein toller Mantus sowieso jeden Winter stirbt, da er nur ein dummes Insekt ist!\"
Ein Handgemenge schien zu entstehen, doch das war mir schon längst egal. Was meinte sie damit - Mantus stirbt? Hatte sie nicht gesagt, er hielte nur Winterschlaf wie so viele andere Tiere auch? Ich war es zwar gewöhnt, dass Menschen mich belogen, aber doch nicht meine eigene Mutter! Und schon garnicht bei diesem Thema! \"Falsch, falsch! Alles falsch!\", dachte ich, während die heißen Tränen der Enttäuschung meine Wangen röteten. Erbost lief ich ins Bad, war dabei mit Absicht besonders laut, verrichtete meine Angelegenheit und stürzte mich schluchzend zurück in mein Bett.
Plötzlich war alles still. Kein Zersplittern oder laute Worte konnte ich vernehmen und im Stillen meiner Seele wünschte ich, dass sie beide tot waren. Sollten sie sich doch gegenseitig die Kehle aufschlitzen! Mich kümmert?s nicht, solange Mantus noch bei mir weilt?
Ich weiß nicht mehr, ob ich noch wach lag oder bereits schlief, als ich sah wie schließlich auch er am Licht seiner Welt verglühte und zu Boden glitt. Wer sollte nun die anderen von ihren Dummheiten abhalten? Wohl niemand, und deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass am nächsten Morgen all die tapferen Artisten fort waren. Mein Herz verkrampfte jedesmal, dachte ich auch nur an einen von ihnen, denn fatal: Ich wusste, dass sie niemals wiederkehren würden!
Es war die Nacht vor meinem achten Geburtstag und es war der Tag, an dem ich aufhörte zu sprechen, denn aus Worten konnte Wahrheit werden und Wahrheit tat weh, egal in welcher Form man sie vermittelte. Später nannte man es \"perplexe Introvertiertheit\" - ich nannte es lediglich Rücksicht.