Kolbenfresser

Politgurke

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Ein herrlicher Grillabend. Es gibt verschiedene Arten einen Maiskolben zu essen. Keine davon erwähne ich !

Es ist Samstag, ich wache früh auf. Gerade mal kurz nach sechs, als ich zusammengekauert auf den Wecker schaue.

Die Katze hat mir durch einen gezielten Sprung in den Unterleib mitgeteilt, dass sie nicht länger bereit ist, auf ihr Frühstück zu warten, nachdem ich die letzte Stunde das Herumgetrampel auf der Bettdecke, die raue Zunge in meinem Ohr und den Hieb mit der Tatze direkt in mein Gesicht, erfolgreich ignoriert habe.

Wobei ich „erfolgreich“ streichen muss, denn immerhin liege ich deswegen seit fünf Uhr wach im Bett. Ich hätte ausschlafen können, hätte ich ihr gestern Abend Futter gegeben. Hätte. Habe ich aber nicht !

Nur deswegen stehe ich jetzt am Samstag um 06:13 Uhr in der Küche und unterhalte mich flüsternd mit unserer Katze. Da ich mich über mich selbst ärgere, versuche ich mich ein wenig zu erheitern, indem ich mir selbst Witze erzähle, die ich noch nicht kenne. Der Versuch scheitert kläglich. Irgendwoher kenne ich sie doch. Alle beide.
Zudem bin ich zu müde um zu lachen.

"Noch so` n Gag...Zähne weg !", höre ich plötzlich die Katze sagen.

Ich beschließe diesen Kalauer witzig zu finden. Es funktioniert, meine Laune wird besser.
Die darauf folgenden Witze leider nicht.

Während ich unser Samtpfötchen durch Vitamin- und Taurinbeigaben in Form von angereichertem Huhn-Geschnetzelten von weiteren Attacken auf mich abhalte, habe ich das Gefühl, die Kaffeemaschine stöhnt und röchelt an diesem Morgen bereits bevor ich sie eingeschaltet habe und von ihr verlange, mir eine herrliche Melange aus Fair-Trade-Kaffeebohnen aus den verschiedensten Schwellenländern Südamerikas zuzubereiten.

Ich gebe einen Löffel Kaffeepulver in den Filter.
Die zweite Portion verteile ich unkontrolliert auf dem Küchenfussboden, da sich ein Katzencracker in meine Fußsohle bohrt als ich einen Ausfallschritt mache, um einer scheinbar zornigen Wespe auszuweichen, in deren unmittelbarer Flugbahn ich mich befinde.
Ich nehme an sie ist wütend, da auch sie heute nicht ausschlafen darf. Vielleicht haben ihr aber auch meine billigen Zoten nicht gefallen.

Endlich habe ich es geschafft, der Kaffee ist in Arbeit.

Müde schlurfe ich ins Badezimmer.

Mit verquollenen Augen schaue ich in den Spiegel, der mich verächtlich anzusehen scheint.
Als ich näher herangehe, wird mein Spiegelbild tatsächlich ausgeblendet. Die reflektierende Glasfläche beschlägt unverzüglich.
Das geschieht normalerweise durch den Wasserdampf des sich in dem Waschbecken befindenden heissen Wassers.

Mein Blick senkt sich nach unten und ich starre auf die weisse Keramik.

"Komisch. Den Mischhebel für das Warmwasser habe ich noch gar nicht betätigt, das Bassin ist leer !", nuschele ich vor mich hin.

Jetzt bin ich mir sicher. Der Alibert lebt und er hasst mich !

Zurück in der Küche setze ich mich an den Küchentisch und schmeiße nach einem kurzen Blick auf die Kaffeemaschine einen Teebeutel in meine Lieblingstasse und übergiesse ihn mit heissem Wasser aus der Kaffeekanne. Der Kaffeefilter hatte sich umgeknickt, sodass das Wasser, am Filter vorbei, geradewegs in die Kanne lief.

Ich greife mir einen Zettel und notiere, was ich heute alles noch für den Grillabend besorgen muss.

Ausser Bier fällt mir in der Tat momentan nichts ein.

In der Zwischenzeit hat unser Stubentiger sein Frühstück aufgefressen und beginnt zu lärmen. Er will nach draussen. Ich gehe mit ihm in den Keller, öffne die Tür in den Garten und sehe wie er davon eilt.

Genau wie die drei Typen mit ihren Rucksäcken, die soeben aus dem Wohnzimmerfenster unserer Nachbarn, die noch bis September im Urlaub sind, gesprungen kommen. Ich scheine sie aufgeschreckt zu haben.

20 Minuten später halte ich das Telefon in der Hand und informiere die Polizei über meine Beobachtungen.
Früher konnte ich leider nicht anrufen, denn es hat eine Weile gedauert, den grossen Plasmabildschirm, sowie den Beamer und die Surroundanlage ungesehen aus dem Wohnzimmer unserer Nachbarn über den Zaun in unseren Kellerraum zu schaffen.

Nach der polizeilichen Befragung begebe ich mich abermals in den Garten und erhöhe den Gartenzaun um satte 30 Zentimeter. Am oberen Ende befestige ich Stacheldraht aus den Restbeständen meiner Mitbringsel aus der Bundeswehrzeit.
Das reicht und hält selbst mich davon ab, erneut darüber hinweg zu steigen.

Es ist heiß und bereits Abend als ich feststelle, dass ich tagsüber mehr als ausreichend thermische Energie (ΔQ) pro Temperaturänderung (ΔT) gespeichert habe als mir lieb ist. Meine Wärmekapazität stösst an ihre Grenzen, ich verspüre gegenwärtig nicht die geringste Lust, für unser Grillabenteuer hier im Garten die Grasnarbe unseres englischen Golfrasens, so wie die letzten Male, durch einen Erdaushub zu zerstören.

Somit bezeichnet das Wort „Barbecue“, (kurz: BBQ oder Bar-B-Q), darauf weise ich an dieser Stelle energisch hin, in diesem Falle nicht die Garmethode, bei der große Fleischstücke in einer Grube langsam bei mäßiger Temperatur heiß geräuchert werden, sondern die gesellschaftliche Veranstaltung, also das organisierte, zweckbestimmte Ereignis, mit einem begrenzten Zeitumfang, an dem eine Gruppe von Menschen teilnimmt. Die heute Abend erscheinende soziale Gruppe, wie ich die bevorstehende Zusammenrottung der Teilnehmer meiner kulinarischen Exkursion klassifizieren möchte, besteht aus einer Sammlung von mindestens drei Personen mit unmittelbaren Beziehungen zueinander. (Quelle: Wikipedia)

Sprich unserer Familie. (Quelle: Eintrag im Küchenkalender)

10 Minuten vor Ladenschluss fahre ich mit dem mit Leergut randvoll gepackten Rucksack auf dem Fahrrad zu meinem Lieblings-Marken-Discounter, um dort noch das ein oder andere Grillgut zu erwerben. Am Tiefkühlregal stelle ich fest, dass ich nicht der Einzige bin, der dieses fast geschlossene Zeitfenster für sich nutzen will. Mit fünf anderen abgehetzten und frustriert dreinschauenden Grillgutjägern kämpfe ich um die letzte Packung Thüringer Bratwürste. Als Ablenkungsmanöver hechte ich auf die gegenüberliegende Seite der Truhe, schiebe den Deckel beiseite und rufe lauthals:

"Was ? Grillfackeln und Nackensteaks nur 3,99 EUR ? Das ist aber günstig !"

Mein Plan funktioniert. Ich höre wie die Bratwurstpackung zu Boden fällt.
Es folgen die Geräusche quietschender Gummisohlen, wie sie vom Court eines Squash-Turnieres zu hören sind.

Ich warte auch den allerletzten Konkurrenten ab, renne um die Truhe herum, nehme das Objekt meiner Begierde auf und mache mich zusätzlich mit einem 5-Liter-Fäßchen Aktionsbier auf, in Richtung Kasse.

Bis zum Verlassen des Supermarktes verfolgen mich böse Blicke und üble Beschimpfungen.
Doch das lässt mich trotz der hohen Temperaturen draussen ziemlich kalt.
Ich fahre übertrieben aufrecht sitzend und triumphierend auf meinem Fahrrad mit meiner Beute nach Hause.

Dort angekommen will ich den Holzkohlegrill aufbauen.
Als ich die verkohlten Trümmer desselben sehe, fällt mir ein, dass ich beim letzten Event den Benzinkanister mit dem Superbenzin, welches ich als Grillanzünder benutzt habe, leider etwas zu nah an der hitzeabstrahlenden Seite platziert hatte, woraufhin sich der Aggregatzustand des Gemisches von flüssig in gasförmig wandelte und aufgrund des altersbedingt schlecht abdichtenden Kanisterdeckels die Dämpfe ungehindert in Richtung Wärmequelle ausströmten.
Was folgte war eine laute, Gott sei Dank nicht allzu große, Explosion.

Der Grill stand noch und es wäre ja auch fast nichts passiert, hätte es Anfang Juli etwas mehr geregnet und der Grill nicht unmittelbar unter der großen knochentrockenen Tanne der verreisten Nachbarn gestanden, deren brennenden Zweige das leckere Fleisch samt Marinade unter sich begruben !

Aber da die Tanne sowieso viel zu weit auf unser Grundstück hineinragte, hatte das Ganze letztendlich doch noch etwas Gutes. Endlich fällt mehr Licht auf die Radieschenrabatten.

Nur blöd, dass ich jetzt mit einem Elektrogrill vorlieb nehmen muss.
Da passt nicht so viel drauf. Aber vielleicht doch, wenn ich drei davon in Reihe schalte...probier ich gleich mal aus.

Achso, schon mal Mais gegrillt ? TIPP: Geübte Kolbenfresser kochen vor.

So, jetzt erstmal ein Bier.

Ach guck, die Katze ist auch wieder da !


© Politgurke (D.A.B. Beyer)
 



 
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