Komm

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wondering

Mitglied
Komm

Du hast mich aus meiner Hülle gezogen
Ich trage ein Kleid aus Luft

Komm jetzt -
küss mir das Grab aus dem Mund
und erbrich deinen Honig über mich
fahr in mich ein
hangel dich an meinen Nerven in mein Innerstes
zerwühl mir die Eingeweide
und lies in ihnen die Geschichten meiner Schatten
bau dir Wortstraßen aus Schamlosigkeit
schrei mir deine Wirklichkeit ins Atemzentrum
und kleb mir den Spiegel deiner Seele auf die Netzhaut
dann
will ich dich
mit jedem Pulsschlag durch meine Adern schicken

bis du in meinem Herzen angekommen bist
 
I

inken

Gast
Hallo wondering

Puh, liebe wondering - der Bursche hats ja echt nicht leicht...lächel...
also das mit dem Grab aus dem Mund küssen, finde ich ja
richtig toll, man steigt sofort ein in diese ungewöhnliche
Metapher, aber beim Honig erbrechen würgts mich schon etwas (warum so derb?), "fahr in mich ein" ist wieder schön unkonventionell und auch das Folgende und vor allem die "Wortstraßen aus Schamlosigkeit", aber dann kommts wieder "schrei mir deine Wirklichkeit ins Atemzentrum
und kleb mir den Spiegel deiner Seele auf die Netzhaut", das ist mir wieder zu überzogen und eigentlich auch ungenau.

Bitte sei nicht böse, liebe wondering, ich mags nicht nur lieblich, aber das Derbe muß eine Funktion haben. Gerade weil dir hier starke und ungwöhnlich kräftige Bilder gelungen sind, solltest du meines Erachtens damit etwas sparsamer und ein wenig dezenter umgehen. Sonst wirkt es - jedenfalls auf mich - etwas überzogen.

Dennoch ein ungewöhnliches und sehr interessantes Gedicht.

Liebe Grüße inken
 

wondering

Mitglied
Liebe inken,

vielen Dank für's Lesen.

Hm, ich denke "derb" oder auch "prüde" etc. sind (auch dichterisch gesehen) Fakten und je nachdem, sowieso, ohnehin nicht unbedingt funktionell ;)

Unkonventionell??? Ich schrieb für mich...vielleicht für ihn... eventuell für euch...

Liebe Grüße
wondering
 
I

inken

Gast
Nun liebe wondering

Ich meinte "derb" nicht im Sinne von Moral, sondern
in bezug auf die Bilder und Metaphern übertrieben oder
überpowert.

Ich hab nix gegen Derbheit, wenn sie stimmig
ist und ins Bild paßt.
Hier scheint es mir an den genannten
Stellen einfach zu viel.

Liebe Grüße inken
 
M

Minds Eye

Gast
Sehr schön und intensiv, liebe Wondering.
Nur das "erbrechen von wasauchimmer"... ich weiß nicht.
Ich finde es ein wenig unpassend. Aber, wie du schon sagtest, wenn´s für dich stimmig ist, dann stimmt´s.
Viele Grüße,
ME.
 

wondering

Mitglied
danke, Minds Eye,

anscheinend bewirkt das "erbrechen" nur negative Assoziationen. Dabei sind Redewendungen wie "kotz dich ruhig aus" oder " Wortschwall" oder "die Worte brachen heraus" doch recht verwandt mit "Honig erbrechen"...

Viele Grüße
wondering
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo wondering,

ich finde es auch überladen. Zu viele sehr expressive und kräftige, aber auch gelungene Bilder.

Und zum Schluss dann doch wieder Herz.
:)

cu
lap
 

Echoloch

Mitglied
Liebes Wonderlein,
an diesem Gedicht erweist sich mal wieder meine Theorie, dass gute Kunst nicht unbedingt verträglich sein muss. Die beeindruckendsten Filme, die ich gesehen habe, haben mich zerstört, bei Büchern, die ich gelesen habe, verhält es sich nicht anders.
Dein Gedicht ist, zumindest für jeden, der innerlich stark visualisiert, in der Tat schwer zu ertragen, das Grab im Mund, die berstenden Lungen, die dem Schrei nicht standhalten können (zumindest in meiner unmittelbaren Assoziation)und die verklebte Netzhaut, die damit einhergehende Panik der Erblindung - da sollte es Dich nicht wundern, wenn man Deine Worte als derb oder überladen empfindet. Das macht Dein Gedicht nach meinem Empfinden nicht schlecht. Ich finde es im Gegenteil sehr bewegend - und mehr wollen wir wohl alle nicht, als mit unseren Worten zu bewegen.
Am beeindruckendsten finde ich an Deinem Text übrigens die Sybiose aus Einladung und "von sich stoßen". Du sagst "komm" und bedeutest doch zugleich, wie schwer es sein wird, bei Dir anzu"komm"en.
Es schaudert mir.

Beste Grüße von Echoloch
 
S

Sandra

Gast
Was für Metaphern! Da kann man wirklich nicht sagen, dass man sie schon 1000mal gelesen hat.

Über das Erbrechen bin ich auch gestolpert, aber es führt auch die Intensität auf, mit der Du seine Gefühle und alles von ihm einforderst. Ich kann Dir nicht sagen, ob ich mich daran gewöhnen kann. Denke nochmals drüber nach.

Zum Schluss das Herz - ja - vielleicht wie immer - aber das Herz ist nun mal das Ziel und wie er dort hinkommen kann ist wunderschön beschrieben.

Nichts Alltägliches, was Du uns hier zu Lesen gibst. Und schon alleine das, macht es lesenswert.

LG
Sandra
 

wondering

Mitglied
Liebe Maja, liebe Sandra

es war mir schon klar, dass ich einen Text einstelle, der nicht die "Allgemeinheit" trifft.

Da müssen wir jetzt mal alle durch ;)

Vielen Dank für's Lesen, (Verstehen,Maja)und Kommentieren

lG wondering
 
M

Minouche

Gast
Wow !

Hallo wondering !

Stark, deine Bilder. Und solange es Honig ist, was erbrochen wird, lasse ich die klebrige Süße gern über meinen Körper gleiten. Aber bitte ohne Verdauungssäfte, ohne pragmatisch werden zu wollen ;-)
Nein, ich habe nur Spaß gemacht. Ich liebe es. Wunderschön.
Danke dir.

It must be love !

Liebe Grüße
Minouche
 
M

Mara K.

Gast
hallo wondering ......

es ist genial, meinen respekt ...
mit dank und anerkennung, herzlich Mara K.
 

wondering

Mitglied
Liebe Minouche,

ja, wenn es kein Bild wäre, würde ich wohl auch pragmatischer denken ;)

danke dir und
viele Grüße
wondering

***************++
Liebe Mara,

freut mich sehr, dein Kommentar, danke
lG wondering
 

Vera-Lena

Mitglied
Wahrheit

Liebe Wondering,

es geht um das Unverhüllte, um die bloßen Wahrheiten, die einander begegnen sollen. Wie kann man ein solches Ereignis anders beschreiben als mit starken Metaphern. Und wenn man der eigenen Wahrheit und der Wahrheit des anderen ausgeliefert ist, weil sie endlich zum Vorschein gekommen sind, wie kann man das anders Erleben als mit solcher Heftigkeit.
Für mich hast Du die zutreffenden Worte gefunden, die auch das Erschüttersein durch ein derartig fundamentales Erlebnis mit herüber bringen.

Liebe Grüße Vera-Lena
 

wondering

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

ja, genau. Auch darum geht es mir...um die Wahrheit. Obwhl ich sie gern Wirklichkeit nenne, denn Wahrheit hat schonmal jeder seine eigene, während es nur eine Wirklichkeit gibt.

Vielen Dank für's tiefe Lesen
liebe Grüße
wondering
 
M

Minouche

Gast
und lächele...ich Pragmatiker...:)

Hallo wondering !

Ich bin ein feiner Pragmatiker....und grinse bei der Vorstellung so vor mich hin. Nur meine Phantasie, die überschlägt sich, und ich sehe die Bilder vor mir stehen.
"Das Grab aus dem Mund küssen". Da hat mein Denken blockiert. Ich wurde einfach nur traurig. Ein schlimmes, ein trauriges und dennoch glückliches Bild. Es ist so hart, so realistisch, dass es mir wehtut. Wenngleich es doch soviel Poesie beinhaltet und auch nicht zuletzt: Hoffnung. Manchmal hasse ich meine Phantasie. Ganz ehrlich. Und hoffe. Es ist ein geringer Trost. Doch sie stirbt zuletzt. Die Hoffnung.

Ich wünsche dir alles Glück und viele glückliche Bilder in deinem Kopf. Hört sich vielleicht kitschig an. Ist aber freundlich gemeint. Freue mich auf mehr Lesestoff.

Einen schönen Abend noch.

Liebe Grüße
Minouche
 
H

Holger

Gast
Liebe Astrid

Die Worte klein Halten
bis sie zu Fingern werden
über den Abwurfgebieten
die wir Geschichte, Liebe oder anders nennen

erschrockene Violinen
von Innenräumen verstärkt
einem filigranen Scheitern gleich
im Flutlicht der Großraumkonzerte

so ist der Mundraum der Abzug
und tiefer im Rachen, wenn die Worte
zu Ankömmlingen werden, sind wir
die einzigen Piloten der Empfindsamkeit

rien ne va plus, sagt das Spiegelbild
mein französisch war nie redenswert/
die Schiffe fahren immer
in die richtige Richtung

Björn Kuhligk aus "Am Ende kommen Touristen"

Das ist nur der Versuch einer Erklärung.
Lyrik braucht eine eigene Sprache. Und die hast Du.
Der Beweis ist erbracht. Die Bilder dürfen durchaus diese Dichte und Intensität haben. Dieses Experiment von Dichte
ist gut. Die Eigenheit und Unverwechselbarkeit muss ein spezielles Symptom sein. Deshalb als Anregung dieses Gedicht von Björn Kuhligk, um über den LL-Tellerrand zu schauen.
Das haben wir alle bitter nötig.

Das Manko am Text: Er lässt in seiner Intensität in den letzten Zeilen nach. Als ob Dich der Mut verlassen hätte, den Stil durchzuhalten kehrst Du zum Herzschmerz zurück.
Wir hatten letztens bei Deinem Text "Prolog" über die Abstrahierungen geredet. Hier sind sie. Die meinte ich.
Die eigene Sprache, abseits der Schwulst. Ein großartiger Anfang. Ich gebe Maja "E" im weiteren Recht. :)

Beste Grüße
Holger
 

wondering

Mitglied
Lieber Holger,

danke für dein Lob und den weiterführenden Kommentar.
Über den Schluss werde ich nochmal nachdenken, oder besser, erspüren.

Wahrscheinlich sollte ich mir mal angewöhnen, die Texte ein paar Tage in die Schublade zu legen... ;)

Viele Grüße
Astrid
 

Vera-Lena

Mitglied
Wartezeit

Liebe Wondering,

mit der Wartezeit, da ist etwas dran, aber manchmal braucht man auch die Leser, weil man selbst inzwischen betriebsblind ist.

Liebe Grüße Vera-Lena
 



 
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