Heute war die Beerdigung von Larissa. Immer noch stehe ich neben mir, bemühe mich einen letzten Rest Fassung zu bewahren. Dieses wunderbare Geschöpf ist tot. Sie sprang mit ihren gerade 8 Jahren vom Dach unseres Hochhauses.
Larissa wohnte ihm 6. Stock und so einige Male hatte sie mit meiner Tochter Marie gespielt. Richtige gute Freundinnen waren sie wohl nicht, aber sie haben sich gut verstanden. Wie ich Marie Larissas Tod erklären soll, das kann ich heute noch nicht sagen. Viel schlimmer aber wiegt der Gedanke an die Gründe, die ein so kleines Mädchen zu so einer verzweilften Tat bringen.
Ewig werde ich mir Vorwürfe machen. Und sicher auch alle anderen Bewohner der Lerchengasse 7. Das höchste Hochhaus der Stadt. Zu hoch für mich ab heute. Zu klein für Larissa. Niemand, auch ich nicht, hat ihr geholfen. Dabei hätten wir alle sehen können. Es war wohl eine Frage des Wegschauens oder auch der Unfassbarkeit. Ich weiß es nicht. Ich fühle nur die starke Schuld des Mitwissens in mir ruhen, nur darauf bedacht, diese Schuld möglichst in eine ganz entfernte Schublade zu stecken, damit ich wieder atmen kann. Frei atmen. Larissa konnte das seit Jahren nicht mehr.
Ich erinnere mich genau, als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal das Gefühl hatte, mit Larissa stimmt was nicht. Es war auf dem Spielplatz vor unserem Haus. Marie hatte gerade ihre heiße Phase was Puppen anbelangte. Neu entdeckt, konnte sie nicht eine Minute ohne ihre heißgeliebte Puppe sein. Larissa, damals wohl so um die vier, ich erinnere mich nicht mehr so genau, schaute eine ganze Weile schweigend zu. Sowieso war sie ein recht stilles Kind. Lächeln sah ich sie selten. Sie nahm Marie die Puppe ab, schaute ihr in das Höschen und raunte dann meiner zweijährigen Tochter zu: „Pass auf sie auf. Sie ist ein Mädchen.“ Danach ging sie einfach still zur Schaukel, saß dort ohne jegliche Bewegung und summte nur ganz leise ein Kinderlied.
Den bösen Onkel gab es für mich nur in schlechten Filmen. Für Larissa wäre jeder schlechte Film besser gewesen als die Realität. Ob ihre Mutter tatsächlich nichts bemerkt hat, kann und will ich nicht beurteilen. Es liegt mir auch fern, sie zu verurteilen. Zu sehr war auch sie wohl gefangen im Sumpf der sogenannten Liebe. Ihre Ängste haben sie ihre Tochter verraten lassen. Möge sie mit ihren Gefühlen leben können.
Larissa werde ich nie vergessen. Es gibt ein einziges Foto in unserem Album von Larissa und Marie. Und es ist tränennaß. Nicht nur die Wut über mich, die Verzweiflung, vielleicht doch etwas hätte ändern zu können, sondern auch das Bewußtsein, wieviele Menschen einem so kleinen Mädchen nicht geholfen haben, lassen meine Tränen immer weiter laufen. Ich urteile über mich selbst. Mitschuldig. Zuviel habe ich gesehen, zuviel vor mir selbst gerechtfertigt, weil ich es nicht glauben wollte. Nicht glauben konnte. Unter dem selbstgefälligen Deckmantel der Liebe wurde ein Kind mißbraucht.
Doch all das hilft Larissa jetzt nicht mehr. In meinen Träumen stelle ich mir vor, Larissa wäre ein Engelchen. Ein Engel, der als Engel die Chance hat, die Welt aus einer anderen wunderbaren Sicht zu sehen. Die Schönheiten, die ihr in ihrem kurzen Leben nicht gegönnt waren.
Eine letzte Blume lasse ich mit Marie vom Dach des Hochhauses in der Lerchengasse 7 wehen. Ein letzten stummen Gruß für ein kleines Mädchen.
Larissa wohnte ihm 6. Stock und so einige Male hatte sie mit meiner Tochter Marie gespielt. Richtige gute Freundinnen waren sie wohl nicht, aber sie haben sich gut verstanden. Wie ich Marie Larissas Tod erklären soll, das kann ich heute noch nicht sagen. Viel schlimmer aber wiegt der Gedanke an die Gründe, die ein so kleines Mädchen zu so einer verzweilften Tat bringen.
Ewig werde ich mir Vorwürfe machen. Und sicher auch alle anderen Bewohner der Lerchengasse 7. Das höchste Hochhaus der Stadt. Zu hoch für mich ab heute. Zu klein für Larissa. Niemand, auch ich nicht, hat ihr geholfen. Dabei hätten wir alle sehen können. Es war wohl eine Frage des Wegschauens oder auch der Unfassbarkeit. Ich weiß es nicht. Ich fühle nur die starke Schuld des Mitwissens in mir ruhen, nur darauf bedacht, diese Schuld möglichst in eine ganz entfernte Schublade zu stecken, damit ich wieder atmen kann. Frei atmen. Larissa konnte das seit Jahren nicht mehr.
Ich erinnere mich genau, als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal das Gefühl hatte, mit Larissa stimmt was nicht. Es war auf dem Spielplatz vor unserem Haus. Marie hatte gerade ihre heiße Phase was Puppen anbelangte. Neu entdeckt, konnte sie nicht eine Minute ohne ihre heißgeliebte Puppe sein. Larissa, damals wohl so um die vier, ich erinnere mich nicht mehr so genau, schaute eine ganze Weile schweigend zu. Sowieso war sie ein recht stilles Kind. Lächeln sah ich sie selten. Sie nahm Marie die Puppe ab, schaute ihr in das Höschen und raunte dann meiner zweijährigen Tochter zu: „Pass auf sie auf. Sie ist ein Mädchen.“ Danach ging sie einfach still zur Schaukel, saß dort ohne jegliche Bewegung und summte nur ganz leise ein Kinderlied.
Den bösen Onkel gab es für mich nur in schlechten Filmen. Für Larissa wäre jeder schlechte Film besser gewesen als die Realität. Ob ihre Mutter tatsächlich nichts bemerkt hat, kann und will ich nicht beurteilen. Es liegt mir auch fern, sie zu verurteilen. Zu sehr war auch sie wohl gefangen im Sumpf der sogenannten Liebe. Ihre Ängste haben sie ihre Tochter verraten lassen. Möge sie mit ihren Gefühlen leben können.
Larissa werde ich nie vergessen. Es gibt ein einziges Foto in unserem Album von Larissa und Marie. Und es ist tränennaß. Nicht nur die Wut über mich, die Verzweiflung, vielleicht doch etwas hätte ändern zu können, sondern auch das Bewußtsein, wieviele Menschen einem so kleinen Mädchen nicht geholfen haben, lassen meine Tränen immer weiter laufen. Ich urteile über mich selbst. Mitschuldig. Zuviel habe ich gesehen, zuviel vor mir selbst gerechtfertigt, weil ich es nicht glauben wollte. Nicht glauben konnte. Unter dem selbstgefälligen Deckmantel der Liebe wurde ein Kind mißbraucht.
Doch all das hilft Larissa jetzt nicht mehr. In meinen Träumen stelle ich mir vor, Larissa wäre ein Engelchen. Ein Engel, der als Engel die Chance hat, die Welt aus einer anderen wunderbaren Sicht zu sehen. Die Schönheiten, die ihr in ihrem kurzen Leben nicht gegönnt waren.
Eine letzte Blume lasse ich mit Marie vom Dach des Hochhauses in der Lerchengasse 7 wehen. Ein letzten stummen Gruß für ein kleines Mädchen.