Leere Stunden

Bunsy

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Eins...zwei...
Wieder sitzt er auf dem Sofa, wieder ist es dunkel vor den Fenstern, wieder ist er alleine mit sich. Da hat er sich gerade mal ausgeruht und begonnen Luft zu holen, da reißt es ihm den Moment wieder unten den Händen weg. Zum Greifen nah, das sagt man so schön. Zum Greifen nah war der Moment. Die Illusion. Wann genau aus dem Moment eine Illusion geworden ist, fragt er sich jetzt. Ob man das wissenschaftlich erörtern kann, überlegt er. Ist es ein Zeitpunkt oder eine Situation gewesen? Vielleicht beides, nein ganz sicher beides, sagt er sich, denn schließlich ist das Leben ja in der Zeit verankert. Jetzt versucht er, sich sein Leben in der Zeit vorzustellen. Ein langer Zeitstrahl, so wie ihn der Englischlehrer früher an die Tafel gemalt hat um zu verdeutlichen, in welcher Zeit sich der Sprechende befindet. Past, perfect...present, now..hier und jetzt. Der Strahl ist riesig in seinen Gedanken, so riesig, dass er aufgibt ihn sich vorzustellen. Er weiß nur, dass der Teil des Strahles der sein Leben ausmacht, klein ist. Sehr klein. Der Moment gerade auf dem Sofa ist so klein, dass er ihn in seiner Vorstellung auf dem Zeitstrahl gar nicht sieht. So klein und unbedeutend ist der Moment. Für die Zeit. Für ihn nicht, denkt er sich.
In der Hektik der Zeit vergisst man sie immer, die leeren Stunden. Sie scheinen nicht zu existieren, wann hat man schon mal eine Minute für sich...doch dann tun sie sich auf, langsam bahnen sie sich an, wie das Sommergewitter, das schon den ganzen Nachmittag über das Spiel am See wacht und sich dann auf den Weg machen es zu beenden, das Spiel. Sowas stellt er sich vor, wenn er da auf dem Sofa liegt. Dann zieht er am Joint. Zwei mal ganz kräftig und dann fällt er wieder zurück auf das Sofa und beobachtet den Rauch wie er unter der Lampe vorbei zieht.
Aufgegeben hat er, denkt er sich. Was ja eigentlich nicht stimmt. Denn er hat ja keinen Einfluss darauf. Nur gering. Vielleicht aber auch gar nicht. Wenn überhaupt. Jetzt holt sich die Zeit das zurück, was er ihr genommen hat. Die Momente der Zweisamkeit, in denen die Luft über ihren Köpfen voller Bewegung war. Jetzt hängt dort der Rauch und bewegt sich, Walen gleich, langsam zum leeren Takt der Sekunden. Dann fällt sein Blick auf die Kerze vor ihm auf den Tisch. Von der Kerze geht eine Eitelkeit aus, als wäre nichts ganz zu Ende, solange sie noch brennt. Aber auch ihr sieht man die Zeit an, denkt er sich. Was bringt sie wohl noch mit sich, fragt er sich. Ist der Moment denn wirklich schon vorbei? Wenn er jetzt die Augen schließt und sie dann wieder öffnet. Wird die Kerze dann zu einem Fleck auf dem Tisch geworden sein? Die Flamme erloschen, die Sonne hinter den Fenstern aufgegangen? Dann öffnet er die Augen...
Eins...zwei...drei...Leere Stunden.
 



 
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