Luise kocht für Kallemann...

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Lambertus

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“Kennste noch den Kallemann...?!” fragte Peter mich freudig erregt.

Welchen Kallemann? - Waaas...! - Etwa DEN Kallemann...! - DEN hatte Peter wiedergetroffen?! Das gab’s doch nicht! - Unseren Kallemann von der Penne, der mit dem Poker-face, der jeden Blödsinn machen konnte, ohne lachen zu müssen... O welche Strafen hatten wir kassiert, nur weil wir halt lachen mussten über Kallemanns trockene Bemerkungen im Unterricht, die er - einem Bauchredner gleich - losließ, ohne je erwischt zu werden. - “Wer war das??” so fauchte einst des Magisters Stimme durch die Klasse, natürlich war’s keiner. Also wurden die Lacher bestraft, darunter sehr oft Peter und ich.

Dieser Kallemann also, der Witzbold, der Lebensfrohe, die Ulknudel der Klasse... - Von ihm hatte Peter nun erfahren: er ist verheiratet , hat keine Kinder und lebt seit Jahrzehnten im Sauerland in einem kleinen Ort in der Nähe von Meschede. Dort leitet er eine Sparkassen-Filiale. Der wilde Kallemann, sinnierte ich, hinterm Tresen einer kleinen Sparkasse, in einem Dorf im Sauerland, - wie das Leben so spielt... Unvorstellbar!

“Das ist ein richtig netter, zurückhaltender und charmanter Mann,” erklärte Luise begeistert und fügte überflüssigerweise hinzu: “Kaum zu glauben, dass der jemals mit euch in einer Klasse war.”

Und Peter wusste zu ergänzen: “Luise hat ihn und seine Frau zum nächsten Wochenende zum Essen eingeladen. - Und euch hätten wir natürlich auch gern dabei.”

Oho! - Luise WOLLTE kochen. Und Luise kann kochen! - Sie bringt phantastische Genüsse zustande, wenn sie kochen will. - Wenn sie hingegen nur kochen MUSS, dann - bleiben wir höflich - wird’s oft nicht ganz so gut. - Ich denke mal, Luise, mit dieser Formulierung kannst Du leben.

Luise lud ein, sie wollte also! - Das durften wir uns nicht entgehen lassen. Zu viert wurde eifrig beratschlagt, was Luise denn zu Ehren von Kallemann und Gemahlin zubereiten könnte. Nach einer halben Stunde hatten wir Luise endlich von ihrem anfänglich euphorischen Höhenflug eines 6-Gänge-Menüs aus edelsten Gourmet-Kochbüchern auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt. - “Mensch, mach was Einfaches, - die kommen aus dem Sauerland!” sagte Peter beschwörend.

“Also gut,” entschied Luise endlich, “dann mache ich ein kleines Menü mit Lamm-Lachsen. - Pikante Suppe vorweg. Und einen winzigen Nachtisch. Also, wir sind 6 Personen.” - Lammrücken-Steaks - Lamm-Lachse - mit Sellerie/Kartoffel-Püree sollte es geben, dazu Luises Spezialsalat aus je zur Hälfte Feldsalat und frischen Basilikum-Blättern. - Die Suppe, so meinte Luise, muss “geschmacks-hinführend” auf das Hauptgericht sein. Nach der Suppe, so erklärte sie, müssen alle nur noch Appetit auf eines haben: auf Lamm-Steaks. - Und der Nachtisch müsse etwas kontrastierend dazu, aber eben doch auch abrundend sein, - aber nicht wie immer die langweilige Käse-Auswahl. “Phantasielos wäre das,” meinte sie. - Plötzlich Leuchten in ihren Augen, und schon schrieb sie eifrig den Zutatenzettel.

Es kam der Tag, da Kallemann - der eigentlich schlicht Karl hieß - und seine Gemahlin, die “Biene” genannt wurde, aber eigentlich Sabine getauft ward, mit riesigem Blumenstrauß und in dezent-feierlicher Theater-Kluft vor uns standen, - vor uns, die wir eher so aussahen, als seien wir soeben dem Hobby-Keller entwichen. - Dann die übliche Reminiszenzen-Orgie: Weißt du noch.... Haste mal von dem was gehört... der Jorgel soll zum vierten Mal verheiratet sein... und der Manni soll in Australien leben... usw.

Luise zog sich nach einer Stunde in die Küche zurück, während wir fröhlich weiter schwafelten von alten Zeiten, vor allem aber wie in alten Zeiten, - zumindest Peter und ich. An uns beiden muss ein Teil des Reifungsprozesses vorüber gegangen sein, an Kallemann jedenfalls nicht, da war alles seriös und dezent, sein Lachen, seine Bewegungen, sein Aussehen - ganz Sparkassen-Filialleiter. Und Biene unterhielt sich brav über allgemeine Themen mit meiner besseren Hälfte. Doch so ganz allmählich zog ein feiner, aromatisch-würziger Duft auf, der - genüsslich eingeatmet - geradezu Magenknurren verursachte. -

“Oh, was gibt’s denn Schönes?” fragte Biene, ohne dass irgendeine Vorfreude in ihrer Stimme mitschwang. - Eher Unwille klang da durch.

“Lamm-Lachse”, verriet Peter, und Kallemanns Gesicht verzog sich zu abgrundtiefer Besorgnis. Hilfesuchend blickte er seine Biene an.

“Ach, äh - wisst ihr”, meinte Biene mit säuerlichem Lächeln. “wir essen ja sonst wirklich alles, - nur Fisch nicht mehr, - nach unserer bösen Fischvergiftung vor drei Jahren in Kloppersheim...”

Peter hob die Hände. “Nein, nein - es gibt nichts mit Fisch! - Aber mehr verrat’ ich nicht, sonst kriege ich Ärger mit Luise, die euch gern überraschen möchte!”

Und Kallemann und Gemahlin sollten wirklich noch Überraschungen erleben! - Wir indes mit Kallemann und Gemahlin auch... Denn nun bat Luise an den hübsch gedeckten Tisch, Peter entkorkte eine Flasche Elsässer Gewürztraminer . “Ich denke, zur Vorspeise ist ein trockener Weißer angebracht...”, meinte er. Mein Blick fiel auf das Etikett “Trimbach”, und nie im Leben hätte ich da widersprochen! -

Kallemann hingegen fragte, ob der Wein lieblich sei; denn seine Biene würde nur liebliche Weine trinken, und höchstens ein Glas, denn sie müsse noch fahren; darauf habe man sich geeinigt.
Ein “Trimbach” und lieblich - ach Gott...! - Und Peter geriet in Verlegenheit; er hat viele Weine im Keller, aber keinen einzigen “lieblichen”...

“Macht gar nichts”, beruhigte Biene ihn, “dann trinke ich eben wie Karl ein Bier.”

Tja, das war der nächste Schlag: Kallemann trinkt überhaupt keinen Wein. Aber Bier. - Nun gut, Peter hatte Bier im Hause, sogar zwei Sorten: Weihenstephaner-Hefe-Weizen und original Düsseldorfer “Schlüssel-Alt” in der Bügel-Flasche. - “Kein Pils?” fragte Kallemann bescheiden, “kein Krombacher, Warsteiner oder Veltins...?”

Ich konnt’s nicht fassen, - Kallemann, der gebürtige Düsseldorfer, quasi mit Düssel-Alt getauft... - Aber er wusste es natürlich zu erklären: “Das Alt ist mir zu bitter. - Ich trinke dann lieber ein halbes Glas von dem Weizen, - mehr nicht wegen der Hefe. Die vertrag’ ich schlecht...” - Biene wählte Mineralwasser.

Das Getränke-Problem war gerade gelöst, da kam Luise mit einem Tablett herein und servierte
jedem einen kleinen Teller mit einer bunten Winzigkeit darauf. “Amuse bouche” , erklärte sie, und Peter erhob sein Glas zu einem Willkommens-Spruch.

Biene setzte ihre Brille auf und betrachtete die Winzigkeit auf dem Teller genauer. “Was war das noch genau?” wollte sie dann wissen, mit einem teils unschuldigen, teils gequälten Lächeln.

“Nix mit Fisch”, entfuhr es mir. Luise warf mir einen mahnenden Blick zu.

“Ein kleiner Appetitmacher. ’Amuse bouche’, wie die Franzosen sagen”, erklärte sie geduldig, nachsichtig, freundlich. - “In Kräutermantel gebackene Scampi auf einem Spinatblatt.”

“Gott, was ‘n Aufwand, “ sagte Biene, nachdem sie den Bissen voller Skepsis verschlungen hatte.

Luise und Peter servierten die eigentliche Vorspeise, eine milchig-weißliche Suppe. - Biene lehnte sich spontan zurück, wollte wohl auch etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Kavalier Kallemann sprang ihr zur Seite: “Meine Frau hat eine Laktose-Allergie... Sie darf keine Milch . - Nicht mal so eine kleine warme Milchsuppe.”

Luise, die Geduldige, klärte auf: “Das ist nur Kokosmilch, zusammen mit Geflügelfond, ein paar in Butter gegarte Champions, eine in feinste Streifen geschnittene Karotte, ein paar Streifen vorgekochtes Hühnerfleisch und das ganze pikant abgeschmeckt mit Chili und sehr wenig Salz. -
Etwas ganz Leichtes. - Ich hoffe, es schmeckt euch.”

Und wie es uns schmeckte! - Diese Vorspeise war einfach umwerfend köstlich. Nach skeptischem Probeschlürfen schienen auch Kallemann und Gemahlin sich daran zu ergötzen. Jedenfalls beteiligten sie sich gern an dem kleinen Nachschlag, “damit nichts übrig bleibt...”

“Was man so alles machen kann...”, summte Biene ein Lobeswort.

Peter servierte den Rotwein, einen Spanier, Navarra Cabernet-Sauvignon Crianza 1996 vom Weingut Principe de Viana. - Durch die Vorspeise war Kallemann übermütig geworden; ein kleines Glas Rotwein wollte er auch mal probieren, trotz Bienes Warnung: “Denk dran, vom Rotwein kriegt man einen schweren Kopf!” . Sooo - hm - na ja...

Nun wurde Peter in die Küche und dort an die Pfanne zitiert, denn jetzt bedurfte es eines genauen ‘timings’, wie Luise erklärte. Ihr gemeinsames Wirken schickte eine neue Duftwolke voller Kräuter-Düfte und Knoblauch voran und machte Bären-Appetit. - Und dann wurden auf vorgewärmten Tellern die Lamm-Lachse aufgetragen, dazu gab es ein Püree aus je zur Hälfte Kartoffeln und Sellerie und einen Salat, je zur Hälfte aus Feldsalat und frischen Basilikum-Blättern, angemacht mit braunem Zucker, Olivenöl und etwas Balsamico-Essig.

Das duftete und sah so toll aus, dass ein jeder schon beim Anblick schlucken musste, wenn auch aus unterschiedlichen Empfindungen... Luise verrät sonst nie die Komponenten ihrer Gerichte; sie freut sich vielmehr, wenn die Gäste begeistert herumrätseln, und sie freut sich noch mehr, wenn’s die Gäste nicht erraten. Eine innere Stimme riet ihr offenbar, mit dieser Tradition heute zu brechen, und so erklärte sie vorsichtshalber: “Das sind Lamm-Lachse - also wie Lammrücken-Steaks -, die waren zwei Tage eingelegt in einer Marinade aus Olivenöl, Knoblauch, frischem Rosmarin und etwas Chili. - Fürs Zartrosa-Innere ist Peter verantwortlich. -Na, dann schau’n wir mal... Guten Appetit.!”

Peter hatte perfekte Arbeit geleistet. Das Fleisch war butterzart, innen optimal rosa, umgeben von dem abgelöschten Bratenfond, der mit etwas Sahne und einem Schuss Noilly Prat verfeinert war. Längs auf den Steaks lagen kurz mit angebratene Rosmarin-Zweige.

Kallemann und Gemahlin schauten verstohlen in die Runde. “Isst man den Kiefernzweig mit?” fragte Biene irritiert. Das ist kein Zweig von ‘ner Kiefer, sondern Rosmarin... Kann man mit essen, kann man aber auch zur Seite legen... Beim Püree erneutes angstvolles Stutzen. Es ist halt je zur Hälfte aus Kartoffeln und Sellerie... “Wie, - so alles durcheinander?” - Ja, weil dieser Geschmack optimal zu Lamm passt... - Wir nickten Luise begeistert und anerkennend zu, Kallemann und Biene sahen verlegen zu ihren Tellern hernieder und begannen mit ihrem Besteck darauf so eine Art Polo-Spiel.

Ich bin wahrlich nicht der schnellste Merker, schon gar nicht während eines so wundervollen Mahls, aber dass es Biene und vor allem Kallemann nicht schmeckte, das wurde mir nun doch bewusst. Wie er da mit der Gabel auf das Fleisch drückte, um den Fleischsaft heraus zu pressen, nach jedem Bissen hastig mit Rotwein nachspülte, immer mehr verstummte und Schweiß auf seine Stirn trat, - es sprach für sich und fand seine endgültige Bestätigung, als er um ein Glas Cola bat. -

Beim Abräumen blieb die Hälfte vom edlen Lamm auf Kallemanns Teller zurück, und das nötigte ihm jene Erklärung ab, die seitdem in unserem Ironie-Wortschatz einen Ehrenplatz einnimmt; denn mit vor Verzweifelung heiserer Stimme meinte er: “Es war alles sehr gut - wirklich... Nur, - ich esse nicht gern...”

Ich esse nicht gern... – Seitdem kein Gedanke mehr an Kallemann ohne “ich esse nicht gern...”

Nach solch bewegender Erklärung verzichtete Luise auf jedwede Erläuterung zum Dessert.
Es gab kurz erhitzte halbierte frische Feigen mit Grappa, etwas Honig und Creme fraiche... - Biene kratzte mit dem Löffel hilflos suchend in dieser Kreation herum, bis ihr jemand voller Erbarmen beruhigend erklärte, dass es sich dabei nur um Feigen handele.

Auf den angebotenen Espresso verzichteten unsere beiden Sauerländer, weil man danach nicht schlafen könne und es sei ja auch schon recht spät und man habe noch einen weiten Weg vor sich... Kurzum, Kallemann schwenkte die Abrissbirne.

Darüber war niemand traurig; traurig war nur Luise. “Da hab’ ich wohl ‘was falsch gemacht,” meinte sie. Peter entkorkte eine weitere Flasche Navarra, mit dessen Hilfe wir Luise doch allmählich wieder aufmuntern konnten; für uns war es ein phantastisches Menü gewesen.
In einem Punkt waren wir ja von Anfang an im Vorteil:

Wir essen nämlich gern, - wahnsinnig gern...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

lambertus, langsam lese ich mich in deine sachen rein. diese geschichte ist zwar - wie die beiden anderen - für meinen geschmack zu lang für satire, dafür konnte ich aber wenigstenst am schluß schmunzeln. mal sehen, was du sonst noch so verbrochen hast. ganz lieb grüßt
 

tommix

Mitglied
Arme Luise

Wenn das wirklich so passiert, dann tut mir die Luise aber wirklich leid. - Wunderbar geschriebener Beitrag!
 



 
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