Meeresstern

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Sir Mef

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Meeresstern


Ich mußte lange zurück denken, bevor ich mir bewußt wurde wann ich sie so ein letztes Mal gesehen hatte.
Ihr Blick so trüb, wie ein verwaschenes Glas und Augen, die so rot waren, als wolle sie damit die untergehende Sonne besiegen.
Ich sah den Schmerz nicht nur in ihrem Gesicht sondern so tief in ihrem Herzen, daß ich ihn nicht mehr hinweg streicheln konnte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit, war dieses wunderbare, warme Lächeln verschwunden mit dem sie stets durch ihr Leben gezogen war.
Zum ersten Mal waren ihre Augen so rot von dem salzigen Wasser in ihren Augen, daß es das heimliche Feuer darin erloschen hatten.
Könnte ich ihren Kummer, ihre Tränen nur besiegen, doch mir fiel kein tröstendes Wort ein, daß diesen Schmerz lindern konnte.
Und als ihr die erste Träne über die Wange rollte, zu Boden fiel und einen feuchten Klecks hinterließ, fiel mir eine Geschichte ein mit der ich ihre Tränen fruchtbar machen wollte.

„Er war nur ein Tropfen.
Nur eine Träne.
Und doch barg er in sich so viel leid und Schmerz, den er mit sich trug, als er aus dem Augenwinkel tropfte und über der Wange eine brennende Spur hinterließ.
Er sah sich nur als ein Kratzer auf der Seele.
Nur ein winziger Schmerz, der schneller vergehen würde, als man darüber nachdenken würde und doch spürte er, daß er mehr war.
Etwas besonderes.
Einmaliges.
Als er die Wange verließ und auf dem kalten Brückengeländer landete, an dem sich zwei zarte Hände festhielten, weit über gebeugt, den Körper haltend, sehnte er sich zurück auf diese warme weiche Wange, über den sein Weg ihn, viel zu kurz um es zu genießen, geführt hatte.
Die Sonne warf ihre letzten Strahlen in ihn hinein und er spürte die Wärme, wie sie durch ihn durch stieß, und zur Freude ließ er sich in allen Farben des Regenbogens schimmern.

Und während er noch leicht vor sich hin leuchtete, vergaß er sich an dem kalten Metall festzuhalten, rutschte ab und fiel.
Sehr tief.
Sehr lange.
Mit dem sehnsüchtigen Blick auf das sonnige Geländer und die weiche Wange klatschte er in den unter ihm liegenden Fluß, zog weite Kreise und verschwand im Wasser.
Der Aufprall hätte ihm weh tun sollen, doch als er wieder die Augen öffnete, die er vor Furcht geschlossen hatte, sah er sich umgeben von unzähligen anderen Tropfen, die alle die selbe Richtung einschlugen.
Erst als er versuchte sich mit ihnen zu unterhalten, sich anzufreunden, fiel ihm auf, daß diese Tropfen nicht so waren wie er.
Die Trauer, sich als Salzwassertropfen in einem Süßwasserfluß zu befinden, ließ ihn immer schneller auf den Wellen tanzen.
Er spürte wieder die sehnsüchtig erwartete Sonne auf ihn niedersteigen und sprang von Schaumkrone zu Schaumkrone.
Er wünschte sich, die ganzen Süßwassertropfen unter sich, daß dieser Fluß kein Ende haben sollte, und daß er sich immer weiter in der warmen Sonne auf den lustigen Schaumkronen bewegen könnte.
Doch er sollte nicht eine Träne voller Schmerzen und Leid sein, wenn er nicht genau wüßte, daß dieser Ritt auf den leichten Wellen ein Ende haben sollte.
Und bevor er noch darüber nachdachte sah er auch schon das offene weite Meer vor dem nahtlosen Horizont, die untergehende Sonne.
Er wurde in den Ozean gespült, umgeben von salzigen Tropfen, Tränen und Lebewesen, die er zuvor noch nie gesehen hatte.
Doch wie er sich so umsah, umgeben von Gleichgesinnten, wünschte er sich nichts sehnlicher, als den Schmerz, der immer noch in seinem Salz verborgen war zu verlieren.
Er wurde traurig, quälte sich an die Oberfläche und tanzte ein wenig auf den Wellen, den weißen Schaumkronen, ließ die Sonne durch sich hindurch scheinen, doch er konnte sich nicht mehr freuen, ließ keine bunten Farben gegen den Himmel leuchten.

Auch die anderen sahen seinen Schmerz und wendeten sich von ihm ab.
Er war allein.
Nach einer Zeit, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, spürte er, daß weit von ihm entfernt keine Tränen mehr über die zarten Wangen rollten, auf der sein Weg begonnen hatte und er fühlte, daß der Schmerz langsam und immer schneller verschwand.
Dann spürte er die Sonne.
Hielt sich leuchten an einem ihrer Strahlen fest und ließ sich von ihr gegen den Himmel tragen.
Immer höher.
Als er die Weite des Universums erreichte ließ er den Strahl los und klammerte sich leuchtend in der Schwerelosigkeit fest.
Ein ewiger Stern, der nie erlischt.
Und je länger du weinst desto länger muß deine kleine Träne den Schmerz, den du aus dir heraus weinst mit sich herum tragen und mit trüber Mine durch Meere und Flüsse wandern, ohne zur Ruhe zu kommen.
Doch wenn dein Schmerz besiegt, die Tränen versiegen, leuchten sie so hell über dem Himmel auf, daß sie sich wie ein mahnendes Denkmal über dir erheben.
Mit dem Wunsch, dich mit dem Blick gegen die Sterne glücklich zu machen.“
 

Silberpfeil

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Hallo Sir Mef,
dein Text hat mich berüht. Er passt vielleicht nicht so ganz in die Rubrik Kurzgeschichten, aber dennoch habe ich deine Zeilen sehr gerne gelesen und erfreue mich an ihrer tieferen Bedeutung.
Viele Grüße, Silberpfeil
 

Sir Mef

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Danke

Hallo Silberpfeil,

ich war mir mit der Kategorie nicht so ganz sicher, wozu der Text den gehören sollte, aber es freut mich, dass Dir mein Text gefällt

Gruss
 



 
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