Mein Hund, ihre Katze und der Weihnachtsbaum

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flammarion

Foren-Redakteur
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Mein Hund, ihre Katze und unser Weihnachtsbaum

Nachdem unsere Tochter nach Görlitz geheiratet hatte und unser Sohn ein Studium in Wittenberg aufnahm, ist es in unserer Wohnung still und leer geworden. Ja, meine Frau und ich, wir fühlten uns sehr einsam. So beschlossen wir eines Tages – völlig unabhängig voneinander – uns gegenseitig eine große Freude zu machen. Sie kam mit Suleika nach Hause, einer jungen Perserkatze, und ich hatte Rex in meiner Jacke, einen Welpen von der Rasse Deutscher Schäferhund. Seine wolligen Pfoten ließen ahnen, was für ein Riese er mal werden würde.
Von Anfang an gewöhnten wir die Tiere aneinander, sodass es später nie irgendwelche Auseinandersetzungen gab. Sobald Rex das Kätzchen erblickte, ließ er seine Zunge aus der Schnauze baumeln – das sah aus, als ob er lachte. Sie aber schritt königlich an ihm vorüber, als wollte sie sagen: „Und wenn du dich noch so bemühst, die Herrin im Haus bin ich!“
So ging das etwa zwei Jahre, dann meldete sich unsere Tochter zu Weihnachten zu Besuch bei uns an. Meine Frau war gleich ganz aus dem Häuschen und begann sofort, die Wohnung umzuräumen, damit das junge Paar in Ruhe bei uns nächtigen könnte. Zwischendurch sagte sie immer wieder: „Was für eine Freude! Wir brauchen dies Jahr unbedingt einen Weihnachtsbaum! Wo Kinder sind, muss auch zu Weihnachten ein geschmückter Baum sein!“
Vergebens redete ich auf sie ein, dass der Kleine doch erst 10 Monate alt ist, die Herrlichkeit also gar nicht würdigen kann. Sie bestand auf ihrem Baum.
Tatsächlich hatte sie auch alles aufgehoben, was man zum Schmücken eines Baumes braucht. Und natürlich setzte sie voraus, dass ich die „Hallelujastaude“ besorge. Aber wir hatten einen Hund und eine Katze, die nicht an solchen Firlefanz gewöhnt waren! Also machte ich mich erst mal im Internet schlau von wegen Vorsichtsmaßnahmen.
Einer riet, auf echte Kerzen zu verzichten, nicht nur wegen der Brandgefahr, sondern auch, weil viele Katzen und auch Hunde das Kerzenwachs recht lecker finden. Das sah ich ein und hoffentlich auch meine Frau.
Ein anderer sagte, dass Katzen gern das Wasser trinken, das zum Frischhalten in den Trog gegeben wird, worin der Baum steht. Darum diesen (den Trog natürlich!) mit Alu – Folie abdecken. Guter Tipp!
Dann las ich, dass sowohl Katze als auch Hund gerne am Weihnachtsbaum herumknabbern, darum sollte man nichts Giftiges daran hängen. Völlig logisch, das tut man ja schon aus Rücksicht auf die Kinder, die ja auch gerne mal auf „tolle“ Ideen kommen.
Jemand gab den Rat, den Baum gut an der Wand oder an der Zimmerdecke zu befestigen, weil namentlich Katzen gern mal in den Baum springen, wo man sie dann mühselig runterpflücken muss. Na, vielen Dank auch! Es gruselte mich bei dem Gedanken daran, Suleika voller Harz und Tannennadeln aus den Ästen zerren zu müssen!
Außerdem riet man, nur Weihnachtsschmuck aus Plaste zu verwenden, damit nichts kaputt geht. Ich glaube nicht, dass meine Frau diesen Rat befolgen wird, denn sie hängt doch so an dem Glitzerkram, der schon den Festbaum ihrer Kindheit schmückte. Da werde ich wohl auf Granit beißen. Ebenso beim Lametta, auf welches man ja auch verzichten sollte, weil es dem Spieltrieb der Tiere so sehr entgegen kommt. Statt Lametta sollte man Perlenketten nehmen, die können nicht so leicht verschluckt werden. Nee, so dämliche Ketten kommen ganz bestimmt nicht an unseren Baum, ich kenne doch meine Frau!
Ein wertvoller Rat war, niemals Hund und Katze gleichzeitig ins „Baumzimmer“ zu lassen, das könnte übel ausgehen. Wenn man dann mit dem Tier allein vor dem Baum hockt, sollte man eine gefüllte Sprühflasche in der Hand halten und sowie Katze oder junger Hund Interesse an einer Kugel oder dem Lametta bekundet, sofort einen Wasserstrahl gegen seinen Kopf zielen. Dann denkt er, der Baum spritzt ihn nass und er oder die Katze, je nachdem, lässt das Festgewächs zukünftig in Ruhe.
Schmunzeln musste ich über die Geschichte, wo berichtet wurde, dass sich der Stubentiger gern in die Weihnachtskrippe legte, aber ein ganz bestimmtes Schaf immer vorher rauswarf, egal, wo Frauchen es platziert hatte. Für was mag diese Katze sich gehalten haben?

Ich wurde also losgeschickt, einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Diesen speziellen Festbaum zu kaufen ist Männersache und Männersache ist Ehrensache.
Meinen Rex musste ich vor der Verkaufsanlage anbinden. Verständlich, so viele Bäume hätten das Stadttier nur verwirrt. Er kann ja nicht jeden markieren. Gemächlich ging ich herum und suchte nach einem passenden Gewächs. Als erstes bemerkte ich den gewaltigen Preisunterschied zwischen Tanne, Fichte und Kiefer. Eine Kiefer kam für meine Frau nicht infrage. Sie favorisierte die Blautanne. Sicherheitshalber unterhielt ich mich mit dem Verkäufer darüber, welcher Baum für Hund und Katze am besten geeignet wäre. Er schmunzelte: „Ja, guter Mann, ich habe auch eine Katze, eine süße kleine Mulle, und ich muss Ihnen sagen, ich hab alle Bäume durchprobiert – der einzige, wo sie nicht drangeht, das ist die Nordmanntanne. Die hat nämlich abweisende Nadeln“.
Uppsala, das war der teuerste Baum am Platze!
Während unseres Gesprächs konnte ich beobachten, dass ein Mann von einer Tanne die überlange Spitze abschnitt, um in die niedere Preiskategorie zu kommen. Es handelte sich zwar nur um 2,50 €, aber auch die könnten in manch einer Haushaltskasse knapp sein. Der Verkäufer hatte das Beschneiden auch gesehen, aber wollte trotzdem den vollen Preis. Der Mann warf den Baum hin und zog schimpfend von dannen. Gleich darauf kam eine Frau, hob den Baum auf und bekam ihn seiner nunmehrigen Länge nach billiger.
Schweren Herzens kaufte ich die teure Nordmanntanne. Als ich sie auf meinem Auto festband, sah ich, wie der Mann der Frau die Tanne abnahm. Auweia, dachte ich, der Kerl ist so scharf auf das Ding, dass er jetzt sogar einen Raubüberfall wagt! Aber die Frau schrie nicht oder zeterte, sondern jubelte: „Es hat geklappt, Schatz!“
Nun ahnte ich, dass das Gerede von der abweisenden Nordmanntanne nicht stimmt, denn wer so fies ist, bei dem einen nicht um 2,50 € im Preis nachlassen zu können, dem anderen aber einen beschädigten Baum zu verkaufen, der macht auch noch ganz andere Sachen, um seinen Umsatz zu steigern!
Kurz und um, der Weihnachtsbaum wurde w u n d e r s c h ö n geschmückt, es wurde gebackten, gebraten, gekocht und gebrutzelt, meine Frau setzte sich mit einem Glas Glühwein in der Hand und ihrer Suleika auf dem Schoß vor den Baum und bekam unglaublich festlich strahlende Augen. Ich streichelte meinen Rex und freute mich, dass meine Frau noch immer so schön sein konnte, wenn auch im Moment unerreichbar.
Am anderen Morgen kam ein Telegramm: „Wir können nicht kommen, Kind krank“.
Alles war umsonst. Wir aßen, was wir konnten, Hund und Katze bekamen Gänsebraten satt und der stattliche Rest wurde eingefroren.
Am 2. Weihnachtsfeiertag, ich war gerade dabei, die Terrasse wieder so herzurichten, wie sie vor dem Umräumanfall meiner Frau war, beobachtete ich durch die Scheibe der Terrassentür, wie Suleika zu dem Weihnachtsbaum schlich. Die Tür zu diesem Zimmer war zwar geschlossen, aber das kluge Tier sprang gegen die Klinke und hielt sich mit den Pfoten daran fest. So schwebte sie in das Zimmer hinein und sprang dann ab. Rex folgte ihr, neugierig und aufmerksam. Hund und Katze mit dem geschmückten Baum allein – was wird das geben? Schnell holte ich die Kamera aus dem Arbeitszimmer und nahm sie in Betrieb.
Zuerst strich Suleika dicht an dem Baum vorbei und ließ sich von den benadelten Zweigen das Fell kraulen. Dann bemerkte sie, dass sich das Lametta und die Kugeln bewegten. Ich konnte gar nicht so schnell kucken, wie ihre Tätzchen das Lametta und einige Kugeln vom Baum holten! Auweia, dachte ich, da wird Frauchen aber schimpfen!
Rex machte „Wuff!“, die Katze erschrak und sprang in den Baum.
Das gefiel meinem Hund gar nicht. Er sprang auf den Baum zu, die Katze reterierte in die Gardine. Die hielt dem Gewicht nicht stand und zerriss. Angsterfüllt sprang Suleika in das nächste Teil der teueren Gardine aus Plauener Spitze, eine Extra – Anfertigung für das von der Norm abweichende Format unserer Terrassentür, und hing darin wie Tarzan. Das brachte meinen Rex auf die Palme, er sprang ebenfalls in die Gardine zerfetzte sie, wobei Suleika auf die Vitrine springen wollte. Weil aber die Gardine unter ihr zerriss, konnte sie nicht richtig maßnehmen und prallte gegen die Scheibe. Die zerklirrte in Tausend Teile und mit ihr auch das Bergkristallservice, das Erbstück von der Großmutter meiner Frau.
Das ging zu weit! Ich ließ das Filmen sein und rannte in das Zimmer, um noch zu retten, was zu retten war. Ich wollte meinen Rex beim Halsband packen und zur Vernunft bringen, da stürzte auch schon die ganze Vitrine um – ich war versehentlich gegen das lose Bein getreten.
Gerade in diesem Moment musste natürlich meine Frau ins Zimmer kommen und alles mit ihren Augen sehen, also so, wie es sich überhaupt nicht zugetragen hatte. Sie lief rot an, ihre Augen sprühten Blitze und aus ihren Ohren schienen Rauchwölkchen zu kommen. Dessen ungeachtet warf ich mich schützend über meinen Hund und dachte an eine imaginäre Zeitungsüberschrift: Tragischer Unfall: Mann und Hund von umfallendem Schrank erschlagen, Ursache unbekannt - Ehefrau in großer Sorge um leichte Fellabschürfungen des Kätzchens.
Früher, als ich noch jung war, habe ich in solchen Situationen bisweilen bemerkt: "Es ist wundervoll, mit einer temperamentvollen Tirolerin verheiratet zu sein". Inzwischen lass ich das, weil dann geht der Punk erst recht ab. Auch der Satz: "Ich liiiieeebe temperamentvolle Frauen" hat sich absolut nicht bewährt.
Heute sag ich gar nix mehr, das ist aber auch falsch, weil dann kommt gebrüllt: "Steh nicht einfach rum, sag was!", aber diesmal waren wir beide sprachlos.
Sie hatte nun die Wahl, ob sie mir unter dem umgefallen Schrank heraushilft oder ihre Angstschlotternde Katze tröstet. Nachdem ich unter der zerspellten Vitrine hervor gekrochen war, den verdutzten Schäferhund tröstend, entschied sie sich für letzteres. Allerdings konnte sie dabei ihre entsetzten Augen nicht von all der Verwüstung lassen.
Als mein Hund sich einigermaßen beruhigt hatte, nahm ich meine Frau in den Arm und sagte: „Ist doch nichts weiter passiert. Guck mal, der Baum steht noch und es sind nur zwei Kugeln kaputtgegangen. Das Bleikristall ist völlig unmodern, das hätte keins unserer Kinder haben wollen, wenn wir mal nicht mehr sind, wäre das sowieso in den Müll gekommen. Die Arbeit ersparen wir heute unseren Kindern. Die olle Vitrine hat dir auch schon immer nicht gefallen, stimmt s? In die freiwerdende Ecke könntest du jetzt einen Benjamini stellen, so was wolltest du doch schon immer haben. Und den nutzen andere Tierfreunde auch als Weihnachtsbaum. Den kennen sie, da gehen sie nicht dran, du kannst deine schönen Glitzersachen dranhängen und alle sind glücklich.
Mach uns mal einen Kaffee auf den Schreck“.
Erstmalig erlebte ich, dass meine temperamentvolle Antonia wortlos tat, was ich wünschte.
Als sie außer Hörweite war, sagte ich zu meinem Hund: „Na, mein Kleiner, das war eine Gaudi, was?“
Rex klappte die Schnauze. Es klang wie „Jawoll!“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank für s lesen, kommentieren und werten.
ja, mal ist "ins" angebracht und mal "in das", der deutsche drückt sich manchmal etwas schwammig aus . . .
aber man kann es auch kaum generalisieren.
lg
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nee.

das apostroph ist weitestgehend abgeschafft. ins, ums, fürs und viele andere sind jetzt gültig.
lg
 



 
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