Meine Großmutter

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Helmut D.

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Meine Großmutter

Ich möchte den Lesern eine Erzählung über meine Großmutter anbieten, die der Wahrheit entspricht.

Meine Großmutter wurde im Jahre 1887 in einen kleinen schwäbischen Dorf geboren. Dieses Dorf Deggingen liegt in einem Tal der schwäbischen Alb. Dort wuchs sie auf. Mit 21 heiratete sie dann meinen Großvater, der ein Eigenbrötler war, obwohl auch noch ein anderer Mann als Kandidat bereitstand. 1912 wurde dann ihre erste Tochter und im Kriegsjahr 1916 mein Vater geboren. Ihren Mann mußte sie in den schlachtenhungrigen ersten Weltkrieg abgeben, an dessen Ende große Hungerjahre standen. Trotzdem brachte meine Großmutter ihre zwei Kinder durch. Danach bekam sich noch einige weitere Kinder, die alle starben, bis schließlich 1928 meine Tante geboren wurde. Über Sex meinte sie, daß das alles unter der Bettdecke geschähe. Ich will nicht verschweigen, daß meine Großmutter, die ein äußerst frommer und christlicher Mensch war danach auch zur Anhängerin von Hitler wurde. In jenen Jahren des zweiten Weltkrieges mußte sie meinen Vater in den Krieg abgeben. In Böhmen lernte dann mein Vater meine Mutter kennen und sie zog auch zu ihr. Nach einem Zwischenaufenthalt, wegen der großen Armut der Inflationsjahre in Selb Oberfranken zogen meine Großeltern schließlich nach Weiden in der Oberpfalz über. Meine Mutter übersiedelte ebenfalls dorthin. Einmal war meine Großmutter so hart, daß sie mit meiner Mutter ein Jahr lang kein Wort sprach. Nach dem Krieg war mein Vater in amerikanischer Gefangenschaft als Eisverkäufer in Dallas in einen Warprisonercamp tätig. In diesen Hungerjahren ging meine Großmutter zu Fuß in die Dörfer, um zu Hamstern und ihre Kinder durchzubringen. Das heißt meine Großmutter war eine sehr harte Frau, die viel durchmachen mußte. 1. Weltkrieg und 2. Weltkrieg. Zum Schluß baute sie mit ihren Mann ein Haus auf, in dem ich auch aufwuchs. Und in ihren letzten Lebensjahren, nachdem man sie einmal im Krankenhaus schon aufgegeben hatte und ihr die letzte Ölung gab, was sie aber auch wieder überlebte, hatte sie die freundliche Angewohnheit ihre gesamte Rente zu verschenken. Das heißt, jeder Verwandte ob jung oder alt erhielt zum Namenstag, zum Geburtstag, zu Ostern und zu Weihnachten Geld von ihr, und nicht zu wenig. Bis auf meinen Vater, der nichts wollte, weil er Unternehmer war.
Am Schluß wurde meine Großmutter von vielerlei Leiden geplagt. Und obwohl es ihr wegen ihrer Zuckerkrankheit verboten wurde, hatte sie ein Schnapsschränckchen, aus dem auch ich immer etwas herausholte und dem sie reichlichen Zuspruch gab. So mußte meine Großmutter regelmäßig jeden Sommer wegen Zucker ins Krankenhaus, was sie aber auch nicht störte.

Zum Schluß noch eine Episode, die bezeichnend für meine Großmutter war. Eines Tages erschien ich bei ihr und sie wohnte ja im selben Haus im letzten Geschoß und sagte: Schau Oma hier hab ich ein kleines Fläschen Boonekamp, das trink ich jetzt auf einen Schluck aus. Da sagte meine Oma und ging zum Schnapsschränkchen, schau Helmut, hier habe ich eine große Flasche Obstwasser und nahm einen kräftigen Schluck aus der Bulle.

In den letzten beiden Jahren ihres Lebens war sie dann aber doch sehr von ihrer Herzkrankheit gezeichnet. Sie erlitt zwei Herzinfarkte und schloß schließlich in einen Krankenhaus vor den Augen meiner Cousine für immer ihre Augen.
 

Zeder

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Erzählung

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=24519

Hallo Helmut D.,

Dein Text ist eine Biografie Deiner Großmutter. Für eine Erzählung könnten zum Beispiel die Passagen, die sich mit der Zuckerkrankheit und dem Schnapsschrank beschäftigen, als Grundlage dienen, um dann DARAUS eine solche zu machen.

Im oben angegebenen link kannst Du Dir noch einmal (!) durchlesen, worum es in einer Erzählung gehen soll.


Gruß,
 

Helmut D.

Mitglied
Antwort auf Zeder

Ja, Zeder, das werd ich machen.

Aber meine Großmutter Emilie hat sicher mehr erlebt als 100 junge Leselupe Leser der heutigen Zeit, ohne ihnen nahetreten zu wollen. Ich bin stundenlang mit ihr als sie schon sehr alt war zusammengesessen.
Mich wundert es bis heute, daß eine "Frau" so etwas durchhalten kann.

Aber das sind Kapitel für sich.

Jedenfalls habe ich schon damals meine Großmutter immer bewundert, denn ich hätte das alles nicht durchgehalten!

Und deshalb meine ich, daß diese Frau zu den ganz eisernen Frauen gehört. Und liebe Leselupe Leser, das ist nicht gelogen!

Grüße

Helmut
 



 
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