Meine Vorweihnachtszeit

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LUPESIWA

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Fein herb bis bitter, das trifft wohl genau meine Gemütsverfassung. Süßes ist da nichts dabei, ausser die unzähligen Gummibärchen und Kokosschokoladentafeln, die ich seit Wochen aus Frust in mich hinein mampfe.
Was war ich stolz auf die paar Kilos, die bei meinen wundersamen, tiefgreifenden Lebensumstellungsmaßnahmen gepurzelt waren, ha, ha...
Nun mal Butter bei de Fische: Wie ist es ohne Alkohol, ohne zu rauchen, viel Zeit für frische Luft und Spaziergänge zu haben? Zeit für schöne Hobbys. Wie ist das werte Wohlbefinden?
Alle Kilos wieder drauf. Nach wie vor schlaflose Nächte.Gedanken drehen sich im Kreis. Ich fasse es nicht, glaube es einfach nicht! Seit Wochen bin ich dabei mein kleines Leben in Kartons zu verpacken, zumindest die Dinge zum Anfassen, Klamotten, Porzellan, Gläser usw., dick umwickelt mit Nachrichten aus aller Welt.
Dabei ist mir aufgefallen, dass ich den meisten Kram gar nicht brauche. Völlig ausreichen würde wohl ein Zehntel davon, 1,2 Teller, Lieblingstassen, ein paar Gläser, ein Kochtopf und Pfanne und ein paar Dies und Das. Aber nein, alles wird mitgeschleppt, bruchsicher verpackt in beschrifteten Kartons. Sammeln, sammeln, alles meins! Man könnte es ja doch noch brauchen, Trennungsschmerz? Nostalgie?
Jeden Tag baue ich mich wieder neu auf. Schimpfe mit mir, umziehen ist doch gar nicht so schlimm. Vielleicht mal ganz gut, loslassen, abspecken und neue Wege einschlagen.
Viel schwerer liegt ein anderer Kloß im Magen. Ein Nullloch!
Zwei Jahre hätte ich noch arbeiten müssen, durchhalten müssen.
Zu spät, jetzt falle ich in ein soziales Loch und in meinen Alpträumen durch die Maschen. Nun versuch ich ständig mein Selbstmitleid über Bord zu schubsen, aber ein fader Nachgeschmack bleibt, deswegen - wie ist das werte Wohlbefinden - fein herb bis bitter.

Und dann die verdammt kalte Nacht!
Verzweifelt zerre ich an der dicken Decke, wälze mich dabei wütend hin und her. Es ist kalt. Ich friere auf dem harten Boden. Die hektischen Bewegungen verursachen Schmerzen in meinen arthrosebelasteten Gelenken. Mein letzter Fingernagel bricht ab und die umgefallene Blechtasse scheppert auf den Steinen.
Gib endlich Ruhe, schnauzt es von nebenan. Such dir einen anderen Schlafplatz, wenn du hier nicht zurechtkommst.
Nun lass sie schon in frieden, aller Anfang ist schwer, ruft eine Stimme von der anderen Seite.
Was will die eigentlich hier, passt gar nicht zu uns. Der Platz ist eh klein genug, hetzt eine dünne gehässige Stimme dazwischen.
Haltet endlich eure Schandmäuler, dröhnt ein gewaltiges Organ durch die Nacht. Da ist es plötzlich still. Fest wickele ich mich in die hart erkämpfte Decke und lass den Tränen freien Lauf. Ganz lautlos natürlich, sonst fing die Meckerei wieder an.
Was war passiert? War die Welt gestern noch in Ordnung? Ich wußte es nicht.
Ich trat aus einen großen Schatten und mein Leben war weg. Nichts war mehr da, kein Haus indem ich wohnte, keine Strassen, die ich sonst lang lief und keine Leute die ich kannte.
Stundenlang irrte ich durch einen Nebel, hatte Hunger und Durst, mir war kalt und die Füße taten furchtbar weh.
Nach einer Unendlichkeit hörte ich Stimmen und ich folgte ihnen. Der dicke Nebel löste sich in bizarre Nebelschwaden auf und ich erkannte schemenhafte Gebilde. Je näher ich kam um so mehr nahmen sie Gestalt an mit Körpern und Gesichtern. Die meisten starrten mich mit großen Augen fragend an, andere beachteten mich überhaupt nicht.
Ich bekam kein Wort heraus. Ein großer Mensch löste sich aus der Mitte, drückte mir eine Blechtasse mit einem heißen Getränk in die Hand und zeigte auf eine kleine Stelle am Rande der Lagerstätte.
Über die Köpfe weg schmiss er mir noch eine dicke Decke zu. Eine zierliche Frau reichte mir einen Kanten Brot und ein Stück Käse. Danke flüsterte ich und verzehrte sehr langsam die Gaben. Dabei wurde mir bewußt, dass mir lange nichts so gut geschmeckt hatte wie das trockene Brot, der Käse und der heiße Kräutertee.

Plötzlich überkamen mich Hitzewellen und ich strampelte mich frei. Durchgeschwitzt am ganzem Körper lag ich kerzengerade in meinem Bett.
Oh Gott, es war nur ein Traum. Ich erinnerte mich daran, dass ich meiner Schwester am Tage vorher lachend erzählt hatte, eine Annonce aufgeben zu wollen - Schöne Brücke für Übernachtung gesucht.
An diesem Morgen spazierte ich viel lockerer zwischen meinen Umzugskartons umher und das noch bis 21.12. - da muß ich umziehen!
 



 
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