Mondfinsternis (gelöscht)

Was ich an deinen Texten immer mehr zu schätzen weiß, Markus, ist, dass du es verstehst, einen Schreibstil konsequent durchzuhalten. Damit machst du es dem Leser leicht, dir durch jede Geschichte zu folgen.
Wenn du, wie hier, auch noch eine so gut verzahnte Handlung einbringst, kannst du kaum noch Fehler machen.
Außer den natürlich, dass du mit dem Schreibstil nicht meinen Geschmack triffst. Und das ist eigentlich kein Fehler.

Als Gruselmärchen sehr gut gelungen. Nur der letzte Satz scheint mir ein bisschen schwach; ach ja, und am Baum "runterrutschen" scheint mir keine schöne Umschreibung zu sein - zu Boden rutschen oder sinken wäre besser.

Das Problem, das ich mit Märchen habe, ist, dass die Charaktere, bedingt durch das Genre, zu einseitig, zu festgelegt sind. Da fühle ich mich als Leser immer um die "Wahrheit" gebracht, und wünsche mir das Märchen in die Gegenwart geholt. Dorthin, wo die komplizierte, die gebrochene Charaktere unserem Bild vom Menschen entspricht.

Klar, kann man auch darüber streiten.

Trotzdem, gute Arbeit,
Gruss, Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Hallo Marcus

Hab mal wieder vielen Dank für Deinen Komm. und die Bewertung. Mir schon klar, dass man mit diesem Schreibstil nicht gerade den Zeitgeist trifft. Ich stehe irgendwie auf diese Gothic-Novels, auf Schauerromantikmärchen (merkt man das?) und dementsprechend ist der Stil. Ich weiß: Bei der Szene, wo Hans sein ‚Ännchen’ beim Holzkreuz trifft und ihr den Mondsteinring an den Finger steckt, glaubt man sich beinahe in einen Heimat-Roman versetzt, und es würde einen vielleicht wenig verwundern, wenn plötzlich noch ein bärtiger Bergdoktor auftauchen würde *smile*. Andererseits ist diese romantische Szene absolut so von mir gewollt, ich hoffe, die nachfolgenden Horror-Szenen kommen so etwas krasser rüber, wer weiß …
Danke für den Vorschlag: Der Alte rutscht nun nicht mehr am Baum runter, sondern sinkt zu Boden – das klingt auf jeden Fall besser. Was meinst Du, sollte ich den letzten, Deiner Meinung nach schwachen Satz besser ganz weglassen? Wenn ja, fragt sich vielleicht der eine oder andere Leser, was denn eigentlich die beiden Münzen auf den Augen des Alten bedeuten sollen. Oder denkst Du, das geht aus der Handlung hervor?

LG, Markus
 
Also weglassen würde ich den letzten Satz nicht, jedenfalls nicht so, wie jetzt der letzte Absatz aussieht. Außerdem finde ich, dass jede Geschichte einen letzten, starken Satz(oder vorletzten) immer gut gebrauchen kann. Das gibt dem Leser am Schluss immer so ein Gefühl von Booar-ey. Diesen Satz zu finden ist aber nicht einfach.

Mir kam beim letzten Absatz gleich der Gedanke an das Fährgeld. Man legt ja normalerweise die zwei Münzen für Charon auf die Augen des Toten. Vielleicht kannst über diesen Umstand einen besseren Zugang zum letzten Satz finden. Also sowas wie, viele im Dorf sagten, dass jemand dieses Fährgeld für den Toten bezahlt hätte - aber einige wenige glaubten, dass...

Ansonsten kannst du natürlich auch einfach auf das Nachwort verzichten und das, was du sagen willst, in Handlung umsetzen. Ich hab da sogar ein schönes Bild vor Augen: die abgeschlagene Hand springt in Hans´Hand, der sie am Stumpf festhält. Er senkt sie auf die Augen des Alten, auf die die abgeschlagene Hand die Münzen legt. Jetzt noch ein Hinweis auf Charon - "Fahr zur Hölle", flüsterte er.

Naja, gut, so ähnlich vielleicht.

Ach so, eins ist mir noch aufgefallen. Was sich förmlich aufdrängte, war die Frage, was mit Hans´Vater geschieht, nachdem Hans tot ist. Natürlich muss er vor Gram gestorben sein oder im Schuldturm die Pest bekommen haben, und ebenfalls gestorben. Das ist gängig, glaube ich und verweist auf die soziale Vernetzung und ungeheure Tragik, die der Tod eines einzelnen herbeiführt.
Sobald der junge, kräftige Ernährer einer Familie ausfällt, bricht die ganze soziale Familienstruktur zusammen.

Also gut, denke, dir wird schon was einfallen. Ansonsten wäre ein guter letzter Satz: "Die letzte Schuld war beglichen." Kurz und schmerzlos.
Gruss, Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Grüss Dich Marcus

"Die letzte Schuld war beglichen" gefällt mir von Deinen Vorschlägen am besten, da kurz und bündig. Habe den Schluss bereits entsprechend korrigiert.
Über das Schicksal des Vaters von Hans mache ich mir noch Gedanken.

Abermals ein Dankeschön für die guten Vorschläge!

Gruss,
Markus
 

FrankK

Mitglied
Hallo Markus
Tolle Geschichte, ich lese Deinen Stil immer wieder gerne.
Gothic-Novel nennt man sowas?

Klitzekleines Fehlerteufelchen
„Scher dich endlich fort!", dröhnte es unwillig von oben, „oder zu bekommst die Zähne meines Hundes zu spüren!"
Korrektur: "Oder du bekommst ... "

Sie schaute ihn ungläubig an und öffnete stumm den Mund. Die Kraft ihrer Seele leuchtete aus ihrem Gesicht. „Du willst … ?"
Liest sich irgendwie seltsam. Wäre es nicht besser:
"... leuchtete aus ihren Augen." ?

„Ja, Anna. Ja! – Morgen Nacht kommt es zu einer Mondfinsternis, sodann wird der Vollmond in den Kernschatten der Erde tauchen. Wir wollen dies als Symbol für die Vereinigung unserer Seelen nehmen und uns ewige Treue geloben."
Ich fühlte mich im Verlauf der Geschichte tief in die Vergangenheit versetzt, irgendwo im 17./18. Jahrhundert.
Wie in Trance bin ich bis zu diesem geschwebt, rumms.
Der "Kernschatten der Erde" ...
Hier wurde es plötzlich zu technisch, sachlich.
1) Ich kann mir nicht vorstellen, das er als Sohn eines einfachen Müllers mit dem astronomischen Vorgang vertraut ist.
2) Diese Aussage ist im Kontext schlicht grauenhaft unromantisch.
3) Es erscheint mir als massiver Stilbruch. Ich bin regelrecht aus dem Lesefluss herausgerissen.
Vorschlag:
"Ja, Anna. Ja! - Lass uns die morgige Nacht der Mondfinsternis als Symbol für die ..."
Die getragenere Sprachform würde, glaube ich, in dieser Situation besser zur Geltung kommen.

Sie nickte abwesend. „Ich muss gehen, Lieber, sonst wird er nur misstrauisch."
Sollte es nicht eher heißen "Liebster" ?

Am Rande seines schwindenden Bewusstseins sah er, wie sich der Rachegeist Annas mit wehendem Haar im Lichte des aus dem Erdschatten tretenden Mondes über ihm erhob und die Streitaxt auf ihn niedersausen ließ.
Aua, so kurz vorm Ziel nocheinmal dieser Fauxpas mit dem Erdschatten.
Vorschlag:
"... im Lichte des sich erhellenden Mondes ..."

... das Gesicht zum Todesgrinsen zerschnitten.
Sorry, aber auf dieses "Todesgrinsen" kann ich mir keinen Reim machen.
Meintest Du vielleicht eher:
"zu einer Fratze des Grauens verzerrt, als er seinen Scharfrichter erkannte."

Zitat von Marcus Richter:
Was sich förmlich aufdrängte, war die Frage, was mit Hans´Vater geschieht, nachdem Hans tot ist.
Da möchte ich Einspruch einlegen.
Für den weiteren Verlauf erachte ich es als völlig belanglos.

Fazit:
Wieder eine Geschichte von Dir, die ich mit Vergnügen gelesen habe. Dein Stil gefällt mir.
Bitte mach weiter so.


Viele Grüße

Frank
 

Markus Saxer

Mitglied
Lieber Frank

Hab einmal mehr vielen Dank fürs Lesen und die konstruktiven Vorschläge. Das mit dem 'Kernschatten' konnte ich gut nachvollziehen, ich hab's in Deinem Sinne geändert, ebenso habe ich die meisten anderen Korrekturen übernommen. Das Todesgrinsen lasse ich mal so stehen, da hab ich lange dran rumstudiert auf der Suche nach einem neuen Sprachbildchen - na vielleicht funktioniert's auch nicht so richtig, wer weiss. Wird sicher unterschiedlich empfunden. Mit dem Vater von Hans hast Du recht, sein weiteres Schicksal ist für die Story nicht von Belang.
Wünsche Dir eine schöne Zeit!
LG, Markus
 



 
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