Morgengrauen

Hazekiel

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Benjamin stand reglos in der Mitte des Raumes. Seine Augen starrten geradeaus, der Mund war weit aufgerissen und jegliche Farbe aus seinem Gesicht gewichen. Blankes Entsetzen hatte ihn gepackt. Und sie war der Grund dafür.
Sie kam aus der hintersten Ecke des Raumes aus dem Halbschatten langsam auf ihn zu. Seine Augen waren wie magnetisch auf ihren Körper, ihre ganze Erscheinung geheftet, obwohl es ihm bei diesem Anblick den Ekel in sämtliche Fasern seines Körpers trieb. Ein Wesen, das einem Horrorfilm entsprungen sein musste, das uneheliche Kind eines Zombies mit einer Hexe. Doch er konnte den Blick einfach nicht abwenden.
Große Teile ihrer Haut hingen in Fetzen von ihrem Körper oder fehlten ganz. Überall waren Muskeln, Sehnen und Knochenteile zu sehen, die sich ungelenk und abgehakt weiter auf ihn zu bewegten, wie ein makaberes Marionettenspiel.
Sie hatte inzwischen den Abstand auf eine Armlänge verkürzt und hob den Kopf an, der bisher immer im Schatten gelegen hatte, nun konnte er ihr Gesicht sehen. Besser gesagt das, was davon übrig war. Eine brechreizerregende Fratze, die fast gänzlich von Haut befreit war. Über den verbliebenen Muskeln und Sehnen lag nur mehr eine Art verkrusteter braun-gelber Brei, der in seiner Formgebung an ein Spinnennetz oder abstrakte Kunst erinnerte. Die Augen lagen tief in den Höhlen, glänzten irr und starrten ihn dabei an. Aus dem rechten Mundwinkel sickerte eine Art grünliche Sabber, da sie in Ermangelung von Lippen nicht mehr in der Lage war, diese im Rachenraum zu behalten.
Sie erhob ihre linke Hand, die fast nur noch aus Knochen zu bestehen schien und griff damit nach seiner Schulter. Als sie ihn damit berührte, durchfuhr es ihn wie ein Blitzschlag, doch seine er konnte sich nicht aus seiner Erstarrung lösen.

„Weißt du, das ist auch schwer für mich!“

Ihre Stimme war das Schlimmste! Jegliches Gefühl war daraus gewichen, sie klang wie Fingernägel auf einer Schiefertafel, wie das Kratzen der Kindergabel über den teuren Porzellanteller aus dem Sonntagsservice, wie das Zerreißen der am Frühstückstisch angeklebten Zeitung, wie das Zerbrechen der Styroporverpackung des neuen Flachbildfernsehers… All diese Geräusche, die einem Gänsehaut am ganzen Körper bescheren, zusammengefasst in diesen Tonfall.
Sie erhob nun auch ihre rechte Hand. Sie war nicht ganz so schlimm verwest wie die Linke, dafür mit messerscharfen, mindestens 10 Zentimer langen Fingernägeln versehen, die kleinen Stiletten ähnelten.

„Aber es geht nicht anders!“

Ihre Hand schnellte ruckartig nach vorne, er hörte das Bersten von Knochen, das Spritzen von Blut, das Reißen von Gewebe, Haut … Benjamin durchfuhr ein unfassbarerer Schmerz. Eine Mischung aus glühenden Nägeln, die sich in seine Brust bohrten und Eiseskälte, die jeden Winkel seines Leibes erfasste. Jede Faser seines Körpers wurde von Millionen winziger Blitze durchzuckt, sein Körper schüttelte sich dazu wie ein Raver auf XTC.
Von unsäglichen Schmerzen gepeinigt, konnte er den Blick noch immer nicht von ihrem Gesicht, ihrer Fratze abwenden.
Sie drückte ihren linken Arm gegen ihn und zog mit einem heftigen Ruck den rechten Arm zurück. Sie hob die Hand an und präsentierte ihm triumphierend ihre Beute. Sein noch schlagendes Herz…

„… und deshalb…“

Dann unterbrach sie den fixierenden Blick, sah auf den lebensspendenden Rhythmus in ihrer Hand, der langsam verebbte und biss mit aller Kraft in das gestohlene Organ, so dass das Blut spritze und ihre nicht mehr vorhandenen Mundwinkel hinablief…

„Werde ich mich von dir trennen“

KLICK

Es war gesagt, Benjamin löste sich aus der Erstarrung. Er nahm ihre Hand von seiner Schulter, die leicht gebräunte Haut und deren Wärme nahm er nicht mehr wahr. Ihre sonst so hübschen Augen strahlten heute nicht, er konnte sie auch nicht mehr ansehen. Die langen Locken wirkten zerzaust, ihre Hände nestelten nervös an ihrer Kleidung. Auch ihre sonst so rosigen Wangen hatte sie eingebüßte, ihre wenigen Sommersprossen hoben sich heute durch die Blässe viel deutlicher ab als üblich.
Benjamin wollte nicht weiterreden. Und er konnte auch nicht. Er schob sie sanft aber bestimmt zur Tür.

„Glaub mir, ich weiß, wie du dich jetzt fühlst…“

Benjamin erwiderte nur einen Satz.

„Du hast nicht die geringste Ahnung.“
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo Hazekiel,

eine schön und gut geschriebene Szene, die mich als Leser aber erst mal ratlos zurücklässt. Das ganze Ende passt nicht mehr dazu.
Wahrscheinlich willst du dem Leser mitteilen, wie sich Benjamin fühlt, weil seine Allerliebste mit ihm Schluss macht. So interpretiere zumindest ich den Text.
Sollte das so angedacht sein, dann funktioniert das der Reihenfolge wegen nicht.
Zuerst beschreibst du Benjamins Höllenqualen und erst danach erfolgt der Anlass dafür.
Für mich ist “Morgengrauen“ keine Geschichte, sondern nur ein Fragment, um das herum du dir eine gute Geschichte ausdenken solltest und wenn du dir Zeit lässt und dir Mühe gibst, dann kriegst du das auch hin.

Grüße, Th.
 

Hazekiel

Mitglied
ThomasQu

Hallo Hazekiel,

eine schön und gut geschriebene Szene, die mich als Leser aber erst mal ratlos zurücklässt. Das ganze Ende passt nicht mehr dazu.
Wahrscheinlich willst du dem Leser mitteilen, wie sich Benjamin fühlt, weil seine Allerliebste mit ihm Schluss macht. So interpretiere zumindest ich den Text.
Sollte das so angedacht sein, dann funktioniert das der Reihenfolge wegen nicht.
Zuerst beschreibst du Benjamins Höllenqualen und erst danach erfolgt der Anlass dafür.
Für mich ist “Morgengrauen“ keine Geschichte, sondern nur ein Fragment, um das herum du dir eine gute Geschichte ausdenken solltest und wenn du dir Zeit lässt und dir Mühe gibst, dann kriegst du das auch hin.

Grüße, Th.
Hallo Thomas,

ich habe genau das mit der Geschichte bei dir erreicht, was ich beabsichtigt hatte...

Du hast darüber nachgedacht

:)

Es ist so, dass ich der Fantasie des Lesers Raum geben möchte, aus diesem Grund sind viele meiner Geschichten, wie du schon so schön bemerkt hast, eher ein Fragment, eine Szene als eine abgeschlossenen Story, die die Lesenden für einige Minuten fesseln soll...
Der Rest liegt brach für die Vorstellungskraft desjenigen, der sich die Zeit dafür nehmen will...

Und ja, in diesem Fall wollte ich den Trennungsschmerz beschreiben.

Vielen Dank für die konstruktive Kritik

Gruß

Haze
 
A

aligaga

Gast
Wer die Leser mit an allerlei albernen, C-Grusel-Movies entnommenen Vorstellungen über die "Optik" einer banalen "Scheiße, sie ist weg-Nummer" anödet, beflügelt weder deren Fantasie noch bringt er sie zum "Nachdenken", sondern er müllt sie zu.

Grübeln könnte man allenfalls darüber, was jemanden wohl dazu brächte, die abgenudeltsten Pappdeckel-Schablonen zum werweißwievielten Male aus der Ablage im Keller zu holen und sie den Lesern als grandiose Eigenleistung zu präsentieren.

Da gähnt der Fachmann, und Laie langweilt sich.

Amüsiert

aligaga
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo Hazekiel,

grundsätzlich hat aligaga Recht mit seiner Kritik, trotzdem, lass dich von ihm weder provozieren, noch einschüchtern.
Stell dir mal vor, du gehst in ein Restaurant und bestellst dir ein Menü. Der Ober bringt dir ein Schälchen mit Schnittlauch und sagt: „Tja, den Rest müssen Sie sich selber dazu denken!“
Wärst du damit zufrieden?
Genau so geht es dem Leser mit deiner Geschichte. Klar habe ich mir Gedanken zu deinem Text gemacht, aber nicht über die Genialität, sondern über die Unzulänglichkeiten.
Wir alle sind hier, um zu üben und für einen Anfänger hast du die Szene schon ganz gut beschrieben.
 

lapismont

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