Nachwuchs

Karl Weiler lag gerade auf seiner Gartenliege als ihn der Anruf aus dem Kreiskrankenhaus erreichte. Obwohl Karl wußte, daß es jeden Tag soweit sein würde ,traf es ihn doch überraschend. Er versuchte seine Gedanken so weit zu ordnen, das er nichts vergessen würde.
Sein ganzes Leben sollte eine neue Wendung bekommen. Viele Jahre hatten sie gespart um es sich überhaupt leisten zu können. Dann war es zweimal schief gegangen. Einmal nach fünf und dann schon zwei Monaten. Seine Frau und er waren schier verzweifelt an dem Gedanken daß es vielleicht zu spät werden könnte. Ab vierzig konnte es schon problematisch sein. Aber die Entwicklung verlief diesmal nach Auskunft der Ärzte optimal. Karl schämte sich nicht seiner Tränen als er die Einfahrt zum Besucherparkplatz des Krankenhauses hinauffuhr. Die Schwester an der Pforte winkte ihm kurz zu und er überhörte den kurzen Gruß den sie hinter ihm herrief. Vor der Abteilung wurde Karl vom Chefarzt Dr. Harms selbst abgefangen. ”Nun beruhigen Sie sich doch erst mal”, meinte er lächelnd. ” Bis jetzt ist die alles ohne Zwischenfälle verlaufen”. Karl griff nach der Hand des Arztes und drückte diese so kräftig das Harms sie ihm lachend entzog. ”Heben sie sich ihre Kräfte für die nächsten Wochen und Monate auf”, meinte er. In diesem Moment kam ein Ehepaar mit einer Babytrage vorbei. Karl sah nur den kleinen dunklen Haarschopf unter einem Berg von Kissen herausschauen. ”Ich möchte sie sehen”, platzte es Karl in der Aufregung heraus. ”Eigentlich darf ich es nicht erlauben”, meinte Harms.
Dann legte er seine Stirn in Falten und ergänzte in verschwörerischem Ton ”aber wenn sie es niemanden verraten !”. Er winkte und Karl folgte in ein abgelegenes Zimmer. Hier lagen in Regalen verschiedene Kittel und OP- Bekleidungen . Harms musterte sein Gegenüber und zog aus einem Fach einen grünen Umhang heraus. Nachdem Karl ihn angezogen hatte bekam er noch einen weißen Mundschutz und eine Haube mit der er dann gänzlich unkenntlich wurde. Er folgte dem Mediziner durch mehrere Flure, bis sie vor einem verglasten Raum zum stehen kamen. “Bis hier hin kann ich es gerade noch verantworten”, meinte Harms und wies mit einer Kopfbewegung zur Scheibe hin. “Welches ist es?”, fragte Karl aufgeregt. ” Das da, daß zweite von links”, entgegnete Harms. ”Sie ist wunderschön”, hauchte Karl bewegt. Mit Erfurcht ruhten seine Blicke auf dem Becken mit Nährstofflösung, in dem innerhalb der letzten Monate der Ersatz für seine durch übermäßiges Rauchen irreparabel geschädigte Lunge gewachsen war.
 
Hallo Norbert

ein total verblüffender Schluss. Selbst der Titel stimmt letztendlich, obwohl er beim Leser zunächst falsche Erwartungen weckt.
Aber sag mal, kann man eine Lunge schon wachsen lassen und transplantieren?
Na ja, die Idee ist jedenfalls klasse - und im Zeichen der Gen-Debatte brandaktuell dazu.
Viele Grüße
Willi
 

Fee

Mitglied
Hallo Norbert,
ich kann Willi nur zustimmen, ein echt überraschender Schluß! Ich hatte mich schon auf die Kreissaalszene vorbereitet, und dann sowas!

Liebe Grüße,
Fee
 

smilla

Mitglied
Originelle Story- Im Zeitalter der lebenden Ersatzteile passend.
Also ein wenig betrogen fühle ich mich schon bei diesem überraschendem Schluß, aber der Geck ist trotzdem gelungen.
Liest sich jedenfalls gut, nicht zu viel - nicht zu wenig, guter Stil.
 
Meine Story

Hallo und vielen Dank für eure Kritik.
Im Moment denke ich wird es noch keine in Nährlösung gezüchtete Lunge geben.
Die Story ist natürlich darauf angelegt eine falsche Fährte zu legen. Sie ist mir gestern bei einem Krankenbesuch eingefallen.

Liebe Grüße
Norbert
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
boh, eh!

da fällt mir ein witz aus kindertagen ein: was steht unterm bett, fängt mit p an und hat n henkel? das sind pantoffeln, das p hab ich nur gesagt, damit es schwerer wird. genauso hast du hier gehandelt. super! ganz lieb grüßt
 



 
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