Neues Wohnen

3,50 Stern(e) 4 Bewertungen
Neues Wohnen
oder
Fiesling sei Dank

Hans Müller braucht keine Gardinen, keine Teppiche und andere Staubfänger, die mit lästiger Hausarbeit verbunden sind. Zur Abwehr von neugierigen Blicken der Nachbarn genügt ein Schnapp-Rollo, wie er es in seiner Studentenzeit gewöhnt war. Dabei weiß er hübsche Gardinen durchaus zu schätzen - bei anderen Leuten. Zu Zimmerpflanzen hat er ebenfalls ein gespaltenes Verhältnis. Darum hat er künstliche gekauft, die er einmal im Jahr aus dem Fenster hält und abpustet
Selbstverständlich trägt er bügelfreie Hemden und Hosen. Am liebsten läuft er immer mit denselben Klamotten herum.
Hans Müller hatte sich vor 20 Jahren von Gerlinde in gegenseitigem Einvernehmen getrennt - wegen unüberbrückbarer Gegensätze. Sie war die personifizierte Ordnungsliebe, doch ihr Putzfimmel brachte das Fass zum Überlaufen. Sie wiederum hatte seine grenzenlose Liederlichkeit nicht mehr ertragen. Solange sie sich mit den Verbalinjurien "Etepeteta" bzw. "Lumpenmüller" bewarfen, war noch nichts verloren; doch als diese Worte nicht mehr fielen, als sie resignierten, ging es steil bergab. Sie spürten zwar, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte lag, aber sie konnten nicht über ihren Schatten springen. Sie verkauften ihr Häuschen, und jeder mietete eine eigene Wohnung. Sie war in eine Nachbargemeinde gezogen. Ein- bis zweimal im Jahr begegneten sie sich noch und sprachen auch ein paar belanglose Worte miteinander. Dann aber verloren sie sich ganz aus den Augen. Nach seinem letzten Kenntnisstand hatte Gerlinde was mit einem anderen Mann, einem gewissen Kurt, angefangen.

Nun ist Hans Müller Pensionär. Obwohl er tun und lassen kann, was er will, ist er nicht recht zufrieden. Seine Ehemalige geht ihm immer mal wieder durch den Sinn.
Als er das Lokalblättchen zur Hand nimmt, stößt er auf das neueste Werk des Glossenproduzenten vom Dienst. Der ist zwar manchmal ein rechter Fiesling (Zyniker), aber Hans zählt sich dennoch zu seiner Fan-Gemeinde. Diesmal gibt Fiesling etwas zum Thema "Neues Wohnen" zum Besten. Die Einleitung überfliegt Hans noch, dann bleibt er hängen:

... Beschließen zwei Singles, nennen wir sie Amanda und Amadeus, nach langem Zögern tatsächlich, ihre lieb gewonnenen Apartheidments aufzugeben und ein gemeinsames Eigenheim zu gründen, erfordert das urplötzlich eine Kompromissfähigkeit, welche die beiden nicht aufbringen können. Doch spielt Kompromissfähigkeit überhaupt keine Rolle, wenn bei der Projektierung des Eigenheims von vornherein richtig - nämlich unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenheiten und Gewohnheiten von Männlein und Weiblein - geplant wird.
Erste Voraussetzung ist, dass zwei getrennte Haupteingänge vorgesehen werden, nämlich einer, der in die pflegeleichte Wohnhöhle des maskulinen Partners führt, und einer, der Zutritt "zu den Puppenstuben" gewährt.
Ein springender Punkt ist die Fußbodenpflege. Amanda will auf den heiß geliebten Staubsauger nicht verzichten, weil sie partout an Teppichen bzw. Teppichböden festhält. Gut, soll sie. Der Wohnbereich von Amadeus wird jedenfalls mit strapazierfähigem Holzfußboden ausgestattet, der eine Nasspflege verträgt.
Ja, was braucht der Amadeus denn nun im Einzelnen in seinem Wohn-Schlaf¬Spiel-Zimmer? Erstens ein stabiles, nicht quietschendes Bett. Und dann natürlich einen Hochleistungs-Computer, der für ihn als passioniertem Schreiberling unerlässlich ist. Hier darf nicht gespart werden. Dagegen ist ein geräumiger kombinierter Bücher/Kleider-Schrank, aus dem Wohlstands-Sperrmüll von Nachbar Neureich gerettet, völlig ausreichend. Dann ist da doch ein Yamaha-Keyboard, das Amanda aus unerfindlichen Gründen nicht leiden kann und das daher für den Puppenstuben-Bereich sowieso nicht in Frage kommt. Andererseits passt das verschnörkelte Klavier (Erbstück von seiner Tante Frieda) nicht in die Herrenabteilung, sondern ist besser bei ihr aufgehoben. In der Mitte des Herrenabteils steht ein solider Tisch, der auch den harten, Trumpf ausspielenden Händen befreundeter Skatbrüder standhält. Schließlich existiert da noch ein Platz sparender Schreibsekretär. Auf Geheimfächer kann verzichtet werden, weil die maßlose Unordnung hinter der Hauptschließklappe die Neugier der werdenden Gattin bezüglich eventueller Liebesbriefe bereits im Keim erstickt.

Da zusammenlebende Singles erfahrungsgemäß nicht allein bleiben, ist ein Kinderzimmer vorzusehen, das zweckmäßig dem pflegeleichten Wohnbereich des Herrn zugeordnet wird. Kinder machen Chaos, fühlen sich darin auch - wie der Hausherr - am wohlsten, und so wird der Wohnbereich "Zu den Puppenstuben" am wirkungsvollsten geschont. Aber was ist mit der Säuglingspflege? Kein Problem. Wenn Amanda eigens zu diesem Zweck in den Wohnbereich von Amadeus eindringt, kann er das akzeptieren, zumal ja die Kleinkindperiode relativ schnell vorübergeht.
Wichtig ist, dass das Wohn-Schlaf-Spielzimmer des Hausherrn absolut schalldicht gegen den Kinderlärm abgeschirmt ist (gepolsterte Doppeltür!). Umgekehrt haben die lieben Kleinen Anspruch auf eine ungestörte Nachtruhe, die durch Spätbesuche der Skatbrüder in Frage gestellt wäre. Hier zeigt sich in eklatanter Weise wieder der Vorteil separater Haupteingänge. Andernfalls könnten sich die Skatfreunde beim Betreten einer ungeteilten Wohnung genötigt sehen, ihre eigenen Pantoffeln mitzubringen, damit kein Schmutz ins Haus getragen wird. Pantoffeln - für ausgewachsene Männer ausgesprochen demütigend.
Es spricht übrigens nichts gegen eine Verbindungstür zwischen den Wohnbereichen, sofern geeignete bauliche Maßnahmen getroffen werden. Gesetzt den Fall, der Herr des Hauses würde ständig Haare und Schuppen um sich herum verbreiten, so ließe sich das Problem durch eine Absaugvorrichtung im Türrahmen entschärfen. Auf Knopfdruck stehen ihm die Haare zu Berge; lose Haare und Schuppen haben keine Chance mehr, sie werden in die Außenwelt befördert. Der den weiblichen Wohnbereich Betretende ist nunmehr puppenstubenrein. Er wird vorgelassen, um ihr ein Ständchen zu bringen auf dem von Tante Frieda erworbenen Erbstück. Er spielt "Für Elise", was Amanda irrtümlich auf sich bezieht. Sie klöppelt derweil andächtig vor sich hin (eine Kunst, die sie in der Volkshochschule gelernt hat).
Als Anerkennung für seinen Konzertvortrag könnte Amadeus als Abendessen einen spartanischen, aber gesunden Rohkostsalat erhalten.

Wenden wir uns nun der Außenanlage zu. Auch hier ist von vornherein auf strikte Trennung der Interessensphären zu achten. Angenommen, Amanda hätte sich für die Westhälfte des Grundstücks entschieden, würde sie diese sicherlich mit prachtvollen Blumenrabatten ausstatten. Da der Lebensabschnittsgefährte nicht völlig frei von romantischen Anwandlungen ist, wird er gelegentlich einen wohlwollenden Blick auf das Blütenmeer werfen. Jedenfalls sollte Amandas
Reich nicht größer sein, als sie allein bewirtschaften kann, da Amadeus zu Hilfsdiensten wenig bis keine Neigung verspürt. Außerdem würde er ihr ja sowieso nie etwas recht machen.

Aber was tun mit der ihm zustehenden Osthälfte der Anlage?
Rasen kommt keinesfalls in Frage. Dauernd wäre der Rasenmäher defekt, zwei linke Hände hat Amadeus ohnehin. Und dann das Moos, das Moos! Das Moos, das man jährlich zu seiner Bekämpfung, zu Düngezwecken und zur Unkrautvertilgung vom Bankkonto abheben müsste!
Also keinen Rasen, aber was dann? Einfach zupflastern? Eine solche Gefühlsarmut will sich Amadeus nicht unterstellen lassen. Es gibt bessere Alternativen.

Er Könnte sich für einen kleinen pflegeleichten Fichtenhain mit Heidekraut entscheiden. Genau die richtige Ergänzung zur Wohnhöhle. Und damit sich die Kinder wohl fühlen, wird er auch ein Schaukel- und Klettergerüst vorsehen. Eine gemütliche Bank mit Ausblick auf das nachbarliche Grundstück wäre ebenfalls erwägenswert. Diese Anschaffung lohnt jedoch nur, wenn die Frau Nachbarin gewillt ist, sich den Blicken ihres Gegenübers zur Schau zu stellen. Auch besteht die Gefahr, dass sich der Ehemann rächt, indem er etwa Borkenkäfer aussetzt. Dann hat Amadeus mal einen pflegeleichten Fichtenhain gehabt.

Man mag einwerfen, dass das dargelegte Konzept lediglich der Bequemlichkeit von Amadeus dient. Aber Amanda möge bedenken, was sie selbst an Arbeit spart, wenn sie das männliche Refugium nicht mehr mit einkalkulieren muss. Es ist allerdings zu befürchten, dass die so gewonnene Zeit durch noch intensivere Pflege der Puppenstuben wieder aufgefressen wird.

Vorstehende Ausführungen sind sicher noch etwas unausgegoren, doch nun sind fachkundige Architekten, Raumgestalter und Siedlungsplaner aufgerufen, die vorgestellten Pionierideen weiterzuentwickeln und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen.
Es sollte auch über das umgekehrte Modell "Herr Saubermann und Liederjanne" nachgedacht werden. Dieser Fall erfordert ein grundsätzlich anderes Wohnkonzept. Vom zu erwartenden Bauvolumen mag das derzeit noch uninteressant sein, aber die schlampigen Weiblein sind auf dem Vormarsch - Gott sei Dank!
Beinah vergessen: Selbstverständlich sollen auch reifere Amandas und Amadeusse, die sich bislang in einer kleinen Etagenwohnung gegenseitig auf den Geist gingen, vom hier Gesagten profitieren.
Also die geplante Scheidung aufschieben und einen Neuanfang wagen!

Hans war einiges gewöhnt, doch das hier musste er erst einmal
verdauen. Jedenfalls hatte Fiesling ins Schwarze getroffen. Amanda alias Etepeteta und Amadeus alias Lumpenmüller! Warum bloß hatte Fiesling seine bahnbrechenden Gedanken nicht früher verbreitet!
Vielleicht wären sie heute noch zusammen und hätten dann wahrscheinlich sogar Kinder gehabt. Hans wurde richtig wehmütig.

Das Telefon schrillte.
"Hallo Lumpenmüller, hier ist Gerlinde. Sagt dir Amadeus und Amanda was?"
"Und ob, ich hab's gerade gelesen".
"Du, wir müssen unbedingt miteinander reden".
"Einverstanden Gerlinde, heute Abend um 20 Uhr im Bistro am Marktplatz?"
"Ich freu mich, Lumpenmüller. Bis bald!"
Vorige Woche hatte Hans seinen kombinierten Bücher/KleiderSchrank inspiziert, sein Geld gezählt und festgestellt, dass er sich doch mal einen neuen Anzug leisten sollte.
Der würde heute Abend eingeweiht.
Gerlindes erste Worte. "Du hast dich ja ordentlich in Schale geschmissen, extra für mich?"
Hans grinste. "Sag mal, was ist eigentlich aus dir und deinem
Kurt geworden?"
"Der ist mir davongelaufen. Du kannst dir ja denken warum. Übrigens mache ich jetzt nur noch lx in der Woche Hausputz".
"Das freut mich für dich. Ich habe mir neulich einen neuen Staubsauger zugelegt".
"Ach Lumpenmüller, wir haben alles falsch gemacht".
"Das kannst du laut sagen - Etepeteta". Es klang fast zärtlich. "Ohne Fieslings Schnapsideen säßen wir jedenfalls nicht hier."

Sie redeten noch lange an diesem Abend. Sie verließen das Lokal Hand in Hand.
 
U

USch

Gast
Hallo Eberhart,
sehr nette Geschichte, direkt aus dem Leben gegriffen. Habe ich gern gelesen.
LG Uwe
 

mavys

Mitglied
Eberhard!

Unterhaltsam. Was mir am besten gefällt: Pantoffeln - für ausgewachsene Männer ausgesprochen demütigend.

Was mir nicht gefällt ist das Wort. "Verbalinjurien"
Insgesamt sehr schön detailliert abgefasst, fließt aber noch nicht so wie könnte. (wenn ich das sagen darf)
Eine 6-7.

Alles liebe mavys
 
Hallo Mavys!
Danke für Deine Bewertung.
Ob ich die Verbalinjurien durch 'solchen "Freundlichkeiten" wie' ersetze,überlege ich noch.
Mit einer generellen Überarbeitung möchte ich mir aber Zeit lassen.
LG Eberhard
 

Paulina

Mitglied
Ich hab das auch sehr gern, mit Genuss und einem Lächeln gelesen, Eberhard. :)
Schöne Geschichte, die ich gern mit entsprechender Bewertung versehen habe.
Liebe Grüße
Paulina
 
Neues Wohnen
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Hans Müller braucht keine Gardinen, keine Teppiche und andere Staubfänger, die mit lästiger Hausarbeit verbunden sind. Zur Abwehr von neugierigen Blicken der Nachbarn genügt ein Schnapp-Rollo, wie er es in seiner Studentenzeit gewöhnt war. Dabei weiß er hübsche Gardinen durchaus zu schätzen - bei anderen Leuten. Zu Zimmerpflanzen hat er ebenfalls ein gespaltenes Verhältnis. Darum hat er künstliche gekauft, die er einmal im Jahr aus dem Fenster hält und abpustet
Selbstverständlich trägt er bügelfreie Hemden und Hosen. Am liebsten läuft er immer mit denselben Klamotten herum.
Hans Müller hatte sich vor 20 Jahren von Gerlinde in gegenseitigem Einvernehmen getrennt - wegen unüberbrückbarer Gegensätze. Sie war die personifizierte Ordnungsliebe, doch ihr Putzfimmel brachte das Fass zum Überlaufen. Sie wiederum hatte seine grenzenlose Liederlichkeit nicht mehr ertragen. Solange sie sich mit den Verbalinjurien "Etepeteta" bzw. "Lumpenmüller" bewarfen, war noch nichts verloren; doch als diese Worte nicht mehr fielen, als sie resignierten, ging es steil bergab. Sie spürten zwar, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte lag, aber sie konnten nicht über ihren Schatten springen. Sie verkauften ihr Häuschen, und jeder mietete eine eigene Wohnung. Sie war in eine Nachbargemeinde gezogen. Ein- bis zweimal im Jahr begegneten sie sich noch und sprachen auch ein paar belanglose Worte miteinander. Dann aber verloren sie sich ganz aus den Augen. Nach seinem letzten Kenntnisstand hatte Gerlinde was mit einem anderen Mann, einem gewissen Kurt, angefangen.

Nun ist Hans Müller Pensionär. Obwohl er tun und lassen kann, was er will, ist er nicht recht zufrieden. Seine Ehemalige geht ihm immer mal wieder durch den Sinn.
Als er das Lokalblättchen zur Hand nimmt, stößt er auf das neueste Werk des Glossenproduzenten vom Dienst. Der ist zwar manchmal ein rechter Fiesling (Zyniker), aber Hans zählt sich dennoch zu seiner Fan-Gemeinde. Diesmal gibt Fiesling etwas zum Thema "Neues Wohnen" zum Besten. Die Einleitung überfliegt Hans noch, dann bleibt er hängen:

... Beschließen zwei Singles, nennen wir sie Amanda und Amadeus, nach langem Zögern tatsächlich, ihre lieb gewonnenen Apartheidments aufzugeben und ein gemeinsames Eigenheim zu gründen, erfordert das urplötzlich eine Kompromissfähigkeit, welche die beiden nicht aufbringen können. Doch spielt Kompromissfähigkeit überhaupt keine Rolle, wenn bei der Projektierung des Eigenheims von vornherein richtig - nämlich unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenheiten und Gewohnheiten von Männlein und Weiblein - geplant wird.
Erste Voraussetzung ist, dass zwei getrennte Haupteingänge vorgesehen werden, nämlich einer, der in die pflegeleichte Wohnhöhle des maskulinen Partners führt, und einer, der Zutritt "zu den Puppenstuben" gewährt.
Ein springender Punkt ist die Fußbodenpflege. Amanda will auf den heiß geliebten Staubsauger nicht verzichten, weil sie partout an Teppichen bzw. Teppichböden festhält. Gut, soll sie. Der Wohnbereich von Amadeus wird jedenfalls mit strapazierfähigem Holzfußboden ausgestattet, der eine Nasspflege verträgt.
Ja, was braucht der Amadeus denn nun im Einzelnen in seinem Wohn-Schlaf¬Spiel-Zimmer? Erstens ein stabiles, nicht quietschendes Bett. Und dann natürlich einen Hochleistungs-Computer, der für ihn als passioniertem Schreiberling unerlässlich ist. Hier darf nicht gespart werden. Dagegen ist ein geräumiger kombinierter Bücher/Kleider-Schrank, aus dem Wohlstands-Sperrmüll von Nachbar Neureich gerettet, völlig ausreichend. Dann ist da doch ein Yamaha-Keyboard, das Amanda aus unerfindlichen Gründen nicht leiden kann und das daher für den Puppenstuben-Bereich sowieso nicht in Frage kommt. Andererseits passt das verschnörkelte Klavier (Erbstück von seiner Tante Frieda) nicht in die Herrenabteilung, sondern ist besser bei ihr aufgehoben. In der Mitte des Herrenabteils steht ein solider Tisch, der auch den harten, Trumpf ausspielenden Händen befreundeter Skatbrüder standhält. Schließlich existiert da noch ein Platz sparender Schreibsekretär. Auf Geheimfächer kann verzichtet werden, weil die maßlose Unordnung hinter der Hauptschließklappe die Neugier der werdenden Gattin bezüglich eventueller Liebesbriefe bereits im Keim erstickt.

Da zusammenlebende Singles erfahrungsgemäß nicht allein bleiben, ist ein Kinderzimmer vorzusehen, das zweckmäßig dem pflegeleichten Wohnbereich des Herrn zugeordnet wird. Kinder machen Chaos, fühlen sich darin auch - wie der Hausherr - am wohlsten, und so wird der Wohnbereich "Zu den Puppenstuben" am wirkungsvollsten geschont. Aber was ist mit der Säuglingspflege? Kein Problem. Wenn Amanda eigens zu diesem Zweck in den Wohnbereich von Amadeus eindringt, kann er das akzeptieren, zumal ja die Kleinkindperiode relativ schnell vorübergeht.
Wichtig ist, dass das Wohn-Schlaf-Spielzimmer des Hausherrn absolut schalldicht gegen den Kinderlärm abgeschirmt ist (gepolsterte Doppeltür!). Umgekehrt haben die lieben Kleinen Anspruch auf eine ungestörte Nachtruhe, die durch Spätbesuche der Skatbrüder in Frage gestellt wäre. Hier zeigt sich in eklatanter Weise wieder der Vorteil separater Haupteingänge. Andernfalls könnten sich die Skatfreunde beim Betreten einer ungeteilten Wohnung genötigt sehen, ihre eigenen Pantoffeln mitzubringen, damit kein Schmutz ins Haus getragen wird. Pantoffeln - für ausgewachsene Männer ausgesprochen demütigend.
Es spricht übrigens nichts gegen eine Verbindungstür zwischen den Wohnbereichen, sofern geeignete bauliche Maßnahmen getroffen werden. Gesetzt den Fall, der Herr des Hauses würde ständig Haare und Schuppen um sich herum verbreiten, so ließe sich das Problem durch eine Absaugvorrichtung im Türrahmen entschärfen. Auf Knopfdruck stehen ihm die Haare zu Berge; lose Haare und Schuppen haben keine Chance mehr, sie werden in die Außenwelt befördert. Der den weiblichen Wohnbereich Betretende ist nunmehr puppenstubenrein. Er wird vorgelassen, um ihr ein Ständchen zu bringen auf dem von Tante Frieda erworbenen Erbstück. Er spielt "Für Elise", was Amanda irrtümlich auf sich bezieht. Sie klöppelt derweil andächtig vor sich hin (eine Kunst, die sie in der Volkshochschule gelernt hat).
Als Anerkennung für seinen Konzertvortrag könnte Amadeus als Abendessen einen spartanischen, aber gesunden Rohkostsalat erhalten.

Wenden wir uns nun der Außenanlage zu. Auch hier ist von vornherein auf strikte Trennung der Interessensphären zu achten. Angenommen, Amanda hätte sich für die Westhälfte des Grundstücks entschieden, würde sie diese sicherlich mit prachtvollen Blumenrabatten ausstatten. Da der Lebensabschnittsgefährte nicht völlig frei von romantischen Anwandlungen ist, wird er gelegentlich einen wohlwollenden Blick auf das Blütenmeer werfen. Jedenfalls sollte Amandas
Reich nicht größer sein, als sie allein bewirtschaften kann, da Amadeus zu Hilfsdiensten wenig bis keine Neigung verspürt. Außerdem würde er ihr ja sowieso nie etwas recht machen.

Aber was tun mit der ihm zustehenden Osthälfte der Anlage?
Rasen kommt keinesfalls in Frage. Dauernd wäre der Rasenmäher defekt, zwei linke Hände hat Amadeus ohnehin. Und dann das Moos, das Moos! Das Moos, das man jährlich zu seiner Bekämpfung, zu Düngezwecken und zur Unkrautvertilgung vom Bankkonto abheben müsste!
Also keinen Rasen, aber was dann? Einfach zupflastern? Eine solche Gefühlsarmut will sich Amadeus nicht unterstellen lassen. Es gibt bessere Alternativen.

Er Könnte sich für einen kleinen pflegeleichten Fichtenhain mit Heidekraut entscheiden. Genau die richtige Ergänzung zur Wohnhöhle. Und damit sich die Kinder wohl fühlen, wird er auch ein Schaukel- und Klettergerüst vorsehen. Eine gemütliche Bank mit Ausblick auf das nachbarliche Grundstück wäre ebenfalls erwägenswert. Diese Anschaffung lohnt jedoch nur, wenn die Frau Nachbarin gewillt ist, sich den Blicken ihres Gegenübers zur Schau zu stellen. Auch besteht die Gefahr, dass sich der Ehemann rächt, indem er etwa Borkenkäfer aussetzt. Dann hat Amadeus mal einen pflegeleichten Fichtenhain gehabt.

Man mag einwerfen, dass das dargelegte Konzept lediglich der Bequemlichkeit von Amadeus dient. Aber Amanda möge bedenken, was sie selbst an Arbeit spart, wenn sie das männliche Refugium nicht mehr mit einkalkulieren muss. Es ist allerdings zu befürchten, dass die so gewonnene Zeit durch noch intensivere Pflege der Puppenstuben wieder aufgefressen wird.

Vorstehende Ausführungen sind sicher noch etwas unausgegoren, doch nun sind fachkundige Architekten, Raumgestalter und Siedlungsplaner aufgerufen, die vorgestellten Pionierideen weiterzuentwickeln und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen.
Es sollte auch über das umgekehrte Modell "Herr Saubermann und Liederjanne" nachgedacht werden. Dieser Fall erfordert ein grundsätzlich anderes Wohnkonzept. Vom zu erwartenden Bauvolumen mag das derzeit noch uninteressant sein, aber die schlampigen Weiblein sind auf dem Vormarsch - Gott sei Dank!
Beinah vergessen: Selbstverständlich sollen auch reifere Amandas und Amadeusse, die sich bislang in einer kleinen Etagenwohnung gegenseitig auf den Geist gingen, vom hier Gesagten profitieren.
Also die geplante Scheidung aufschieben und einen unkonventionellen Neuanfang wagen!

Hans war einiges gewöhnt, doch das hier musste er erst einmal
verdauen. Jedenfalls hatte Fiesling ins Schwarze getroffen. Amanda alias Etepeteta und Amadeus alias Lumpenmüller! Warum bloß hatte Fiesling seine bahnbrechenden Gedanken nicht früher verbreitet!
Vielleicht wären sie heute noch zusammen und hätten dann wahrscheinlich sogar Kinder gehabt. Hans wurde richtig wehmütig.

Das Telefon schrillte.
"Hallo Lumpenmüller, hier ist Gerlinde. Sagt dir Amadeus und Amanda was?"
"Und ob, ich hab's gerade gelesen".
"Du, wir müssen unbedingt miteinander reden".
"Einverstanden Gerlinde, heute Abend um 20 Uhr im Bistro am Marktplatz?"
"Ich freu mich, Lumpenmüller. Bis bald!"
Vorige Woche hatte Hans seinen kombinierten Bücher/KleiderSchrank inspiziert, sein Geld gezählt und festgestellt, dass er sich doch mal einen neuen Anzug leisten sollte.
Der würde heute Abend eingeweiht.
Gerlindes erste Worte. "Du hast dich ja ordentlich in Schale geschmissen, extra für mich?"
Hans grinste. "Sag mal, was ist eigentlich aus dir und deinem
Kurt geworden?"
"Der ist mir davongelaufen. Du kannst dir ja denken warum. Übrigens mache ich jetzt nur noch lx in der Woche Hausputz".
"Das freut mich für dich. Ich habe mir neulich einen neuen Staubsauger zugelegt".
"Ach Lumpenmüller, wir haben alles falsch gemacht".
"Das kannst du laut sagen - Etepeteta". Es klang fast zärtlich. "Ohne Fieslings Schnapsideen säßen wir jedenfalls nicht hier."

Sie redeten noch lange an diesem Abend. Sie verließen das Lokal Hand in Hand.
 



 
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