Neugeboren 14

Ruedipferd

Mitglied
Moana schob sich zwischen uns und kletterte auf Connys Schoß. Sie nahm ein Bündel Geldscheine aus ihrem Dekolletee und steckte es Conny zu. „Kurt war im Laufhaus und ich soll dir sagen, dass er es schön fände, wenn du heute Abend wieder tanzt“, sagte sie zu mir. „Na, wenn er so bittet, muss ich das ja wohl“, entgegnete ich. „Aber nur, wenn du mir noch einmal einen solchen Cocktail mixt. Dann werde ich mich in Connys Wohnung zurückziehen und noch etwas schlafen. Die Nächte werden sehr lang in eurer Bar.“ Sie gab mir einen Kuss und verließ ihren Zuhälter. Einen Moment später prosteten wir uns alle drei mit frischen Getränken zu. „Soll ich dich begleiten?“, fragte Conny. „Besser nicht, sonst lässt du mich nicht zur Ruhe kommen. Da ist noch etwas Büroarbeit für dich. Sei deinem Daddy ein braver Junge und lerne die geschäftliche Seite.“ Conny seufzte. Es war nicht weit zu seiner Wohnung. Ich stellte mir den Handywecker auf halb sieben Uhr und schlief nach kurzer Zeit ein. Plötzlich klingelte es Sturm an der Haustür, irgendjemand hämmerte sogar mit der Faust dagegen. Scheißtraum, wer macht da solchen Krach, dachte ich und zog mir im Halbschlaf das Kissen über den Kopf. Von weit her drangen Stimmen an meine Ohren. „Polizei, machen Sie die Tür auf!“ Huch, das war real und kein Traum. Ich stand plötzlich senkrecht und sah auf den Wecker. Es war erst fünf Uhr durch. „Einen Moment“, rief ich völlig neben mir. Die Hosen lagen hier doch irgendwo herum. Ach, da. Ich schlich die Treppe nach unten, öffnete die Tür einen Spalt. Zwei Männer in Zivil standen draußen. Sie zeigten mir ihre Polizeiausweise. „Herr Konrad Peters?“, fragte der Jüngere. Das war eine gute Frage. Endlich wach. „Nein, der ist in der Bar und arbeitet. Ich schlaf hier nur“, antwortete ich trotzdem noch völlig perplex. „Und wer sind Sie?“ Gute nächste Frage. Eh, was soll das, was wollen die Bullen von mir? Sind das überhaupt welche? Beunruhigt versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Ich griff in den Rucksack und zog meinen Ausweis hervor, reichte ihn durch die Tür. Stirnrunzeln auf der anderen Seite. „Hier steht Maximiliane, aber das Foto sieht nach Ihnen aus?“ Ja, ach Gott. Das muss doch auch so sein. „Ich bin Frau zu Mann transsexuell und werde im Sommer nach meinem Abitur operiert. Dann stelle ich die Anträge auf Vornamens-und Personenstandsänderung. Ende des Jahres oder Anfang des Nächsten liegen wahrscheinlich die Gerichtsbeschlüsse vor, so dass ich die Geburtsurkunde und danach den Personalausweis umschreiben lassen kann“, erklärte ich. „Ich bin bei Doktor Reimers in Behandlung.“ Innerlich kehrte etwas Sicherheit zurück, als ich auch noch ein kurzes Schreiben vom Doc aus dem Rucksack fischen konnte, welches meine Aussage bestätigte. Er las und machte sich Notizen. „Wenn Sie zu Conny wollen, warten Sie einen Augenblick. Ich ziehe mich an, denn ich muss auch in die Bar. An Schlafen brauche ich jetzt nämlich nicht mehr zu denken“, setzte ich nach. „Nichts für ungut, Herr von Wildenstein. Es ist nichts Schlimmes. Wir brauchen nur eine Auskunft von Herrn Peters.“ Ich nickte mit dem Kopf. Die zwei waren echte Bullen, das spürte man. Hoffentlich hatte Conny nichts ausgefressen, dachte ich trotzdem. „Ich würde Sie gerne hereinbitten, nur, es ist nicht meine Wohnung. Wenn Sie möchten, lass ich die Tür auf und Sie warten hier im Flur. Es dauert nicht lange“, sagte ich. „Ist nicht nötig. Wir kennen die Bar. Dann sehen wir uns gleich dort. Vielleicht können Sie uns auch noch weiterhelfen.“ Die beiden gingen genauso schnell, wie sie gekommen waren. Ich überlegte. Zielgerichtet nahm ich dann mein Handy aus dem Rucksack. Zuhälters Nummer war eingespeichert. „Conny, du bekommst gleich Besuch von zwei Bullen. Die sind echt, also mach keinen Scheiß. Kurt hat mit denen ein gutes Auskommen. Die tun ihm nichts und er hält sich an die Gesetze. Die sagten, es ist auch nichts Schlimmes, sie brauchen nur eine Auskunft von dir.“ „Ach, wie nett. Was muss man als Zuhälter nicht alles erleben. Nein, aus dem Alter, wo ich vor der Polente türme, bin ich raus. Haben die sonst was gesagt?“ „Nein, bis gleich.“ Er legte auf. Langsam wurde ich wieder lebendig und konnte nach einer Weile das Haus verlassen. Als ich in die Bar kam, saßen die drei bereits an einem Tisch in einer Nische. Conny winkte mir gleich zu. „Max, es geht um den Idioten, von damals“ sagte er und wandte sich wieder an die Polizisten. „Der junge Mann hier ist Kampfsportler und hatte den Kerl so flink zu Boden gebracht, so schnell konnte ich gar nicht gucken. Der Typ ist mit der Masche weiter gereist, Max. Die Bul… die Polizei sucht Zeugen.“ Ich setzte mich. „Ja, das stimmt. Er wollte uns abzocken und Conny hatte ihm erklärt, dass er abhauen sollte. Da zückte er ein Messer. Das konnte ich nicht zulassen und hab ihm das Ding weggenommen.“ „Und wo ist das Messer jetzt?“, fragte der ältere Polizist. „Ich hab‘s erst Conny gegeben und dann kam Kurt und hat es eingesteckt. Vielleicht liegt es hier irgendwo. Kurt bewahrt einiges an Müll in seinem Safe auf, den er Gästen abgenommen hat, damit die keinen Scheiß damit machen können. Ist er schon da?“, fragte ich Conny. Der schüttelte den Kopf. „Ich rufe ihn kurz an. Es ist sein Safe und ich weiß zwar, wo die Kombi liegt, aber da möchte ich nicht selbst rangehen, auch wenn er mein Vater ist.“ Conny telefonierte und erklärte Kurt, worum es ging. Er stellte sein Handy laut. „Das hab ich in meinen Safe gelegt. Da liegt ein ganzes Arsenal an Waffen, von verrückten Kunden. Eigentlich können die Herren den ganzen Plunder gleich mitnehmen und wer etwas wiederhaben will, den schick ich zur Davidswache. Ich bin in zehn Minuten da. Versorg die Jungs mit Getränken, Conny.“ Babs kam bereits mit einem Drink für mich. „Dann war es ja doch gut, dass wir Sie angetroffen haben. Der Mann hat in einem anderen Stadtteil ebenfalls einen Passanten angesprochen und wollte Geld. Als dieser ähnlich wie Sie reagierte, griff er ihn mit einem Messer an. Leider hatte der ältere Herr weniger Glück und liegt jetzt schwer verletzt im Krankenhaus. Aber wir haben den Täter gefasst und er hat nicht nur diesen Überfall gestanden, sondern auch andere Versuche zugegeben.“ Bedauerlich, dachte ich. Vielleicht hätten wir den Typen schon damals anzeigen sollen. Aber mit was sollten wir unsere Anwesenheit auf dem Kiez erklären? Ich wollte auch als Zeuge nicht gerne vor Gericht aussagen und meine Identität dazu preisgeben müssen. Conny erriet schnell meine Gedanken. „Was wird nun? Müssen wir auch als Zeugen vor Gericht?“, fragte er. „Möglicherweise, aber es reicht, wenn einer kommt. Ich kann natürlich dem Richter nicht vorgreifen. Wenn der Staatsanwalt Sie beide als Zeugen vorlädt, müssen Sie auch beide kommen. War noch jemand bei Ihnen?“ Ich grinste, blickte Conny an. „Ja, mein Freund Rene. Er wohnt in Norderstedt und geht noch zur Schule. Wenn Sie einen Moment Zeit haben, rufe ich ihn an. Dann kann er seine Aussage auch gleich mit abgeben. Hier versucht man mit der Polizei einvernehmlich auszukommen und geht ihr eigentlich aus dem Weg. Egal, ob als Opfer, Täter oder Zeuge.“ Die beiden lachten. „Der Kiez hat seine eigenen Gesetze, ich weiß. Manchmal kooperieren wir ganz gut. Und mit Herrn Röttger hatten wir noch nie Schwierigkeiten. Allerdings ist der auch mit allen Wassern gewaschen“, meinte der Ältere. „Rufen Sie ihren Freund ruhig an. Wenn er sowieso hergekommen wäre, dann brauchen wir nicht zu ihm nach Hause fahren.“ Conny lächelte. Behutsam erklärte er Rene, der bereits in der S-Bahn saß, was passiert war. Wir unterhielten uns nach dem Gespräch über Kampfsport und mein Training. „Guten Abend, die Herren. Ach, das ist Herr Kommissar Specht, dachte ich mir. Und den Herrn, kenne ich noch nicht“, Kurt gab beiden Männern die Hand. „Mein Kollege, Kommissaranwärter Schulz“, erklärte Specht. Babs stellte ein Bier vor ihren Chef. „Was kann ich euch noch Gutes tun?“, fragte sie in die Runde. Wir wollten alle noch einmal dasselbe. Kurt lachte. „Das sag ich dir nachher, mein Schatz. Conny, hier sind die Safeschlüssel. Auf den Klamotten sind ohnehin auch meine Fingerabdrücke drauf, aber lass dir von Babs ein paar Latexhandschuhe geben und packe den ganzen Plunder in eine Plastiktüte. Das Messer kennst du ja, das geben wir gleich gesondert ab. Mir wäre es am liebsten, wenn ich alles loswerde. Was soll ich mit dem Müll? Da sind Schlagringe dabei, Schreckschusswaffen und Pfefferspraydosen. Ich nehm‘ den Kunden die Sachen ab, wenn ich sehe, dass einer damit rumfuchtelt und zu meinen Mädels will“, erklärte Kurt. Conny tobte gleich los. „Kennst du den Typen, der deinen Jungen angegriffen hat?“, fragte Specht. Hey, was war das? Ich traute meinen Ohren nicht. Die duzten sich? „Jein, Sandy, eine meiner Deerns, kam so zwei Wochen vor dem neuen Vorfall zu mir und berichtete, dass sie ein Kerl abziehen wollte. Sie ist daraufhin nicht mit ihm gegangen, kam hierher und ich hab ihn mir nach ihrer Beschreibung zur Brust genommen, als er gerade dabei war, ein anderes Mädel anzuquatschen. Ich drohe erst mit Kiezverbot, meistens kommen die danach auch schnell zur Besinnung und haben Angst vor uns alteingesessenen Lokalbesitzern. Wir helfen uns hier gegenseitig. Anders funktioniert das auch nicht auf der Sündenmeile.“ „Ja, das reicht uns auch schon. Dein Junge hat Glück gehabt, dass sein Freund schneller war als der Messerstecher. Der hat drüben in St. Georg einen älteren Mann angegriffen und schwer verletzt. Der Mann hatte gar nichts mit dem Strich zu tun, sondern wohnte dort nur. Danke, Kurt, das langt sicher für den Staatsanwalt und natürlich auch für die U- Haft. Ist der Junge dort, der dritte im Bunde?“, fragte er. Ich nickte. Rene kam auf uns zu. „Gib deinen Ausweis und erzähl Herrn Kommissar Specht, was an dem Abend passiert ist, als ich euch aufgelesen hab“, fordert Kurt ihn auf. Rene setzte sich. „Wo ist Conny? Aber ist egal. Der Typ wollte Geld von uns, Conny hat gesagt, er soll sich verpissen, er wär garantiert kein Bul…kein Polizist. Dann zog der ein Messer aus der Jacke und das andere ging ziemlich schnell. Max hat ihn gleich aufs Kreuz gelegt, der Penner sah vielleicht überrascht aus, als er vor uns auf dem Boden kauerte. ‘N Augenblick später war Kurt da.“ Conny brachte eine Plastiktüte und legte sie auf den Tisch. Er zog sich die Handschuhe aus. „Meine Güte, Pa, damit kannst du einen ganzen Waffenladen aufmachen. Dein Safe sieht jetzt richtig leer aus.“ „Gottseidank, dann ist ja wieder Platz fürs Geld da.“ Wir mussten alle lachen. Specht blickte neugierig in die Tüte. „Welches ist denn das Messer?“ „Hier“, Conny zog es mit einem Handschuh heraus. „Packen Sie ein, Herr Schulz, und dann werden wir uns verabschieden.“ Der Anwärter legte die Waffe in einen durchsichtigen Beutel. „Was habt ihr Jungen eigentlich dort auf der Straße gemacht?“, fragte er danach in die Runde. Upps. Die Frage hatte ich gerne vermeiden wollen. Doch noch ehe wir antworten konnten, kam unerwartet Hilfe. „Das tut für unsere Ermittlungen nichts zur Sache, Schulz! Kurt, vielen Dank für Drinks, Auskünfte und“, er zeigte auf die pralle Tüte, „für die Blumen!“ „Immer wieder gerne, Thorsten. Unsere Zusammenarbeit macht das Leben hier sehr erholsam. Wenn du mal Bedarf hast, und Luftveränderung brauchst, komm her, meine Mädels stehen dir gerne zur Verfügung.“ Specht knuffte ihn. „Sag das nie meiner Andrea, die kauft sich sonst schwarze Stiefel und eine Peitsche, wenn ich fremdgehe.“ Die Stimmung konnte nicht ausgelassener sein. Kurt schob uns grinsend ins Büro. „So, Max geht an die Stange und probt, wie sich das für einen meiner Tänzer gehört. 500 für deinen Auftritt, okay?“ Ich sperrte die Augen auf. „Ja, natürlich. Ich krieg auch noch Geld für den Spaß? Danke, I’ll do my very best!“ „Hey, Pa, und was ist mit mir?“, fragte Conny. „Du kannst etwas an die Ohren haben. Du und Rene, ihr wolltet ja nicht tanzen. Corinne sagt, ihr habt euch selten so dämlich angestellt. No dance, no money, und jetzt ‘raus mit euch. Rene kann dir bei den Getränken helfen. Und Andy stellt ihr hinter die Bar zu Babs. Er soll sich sexy schwul anziehen und die männlichen schwulen Gäste bedienen. Da ist er in seinem Element.“ Conny schüttelte seufzend den Kopf. Ich legte den Arm um ihn. „Komm, mein Zuhälter, ich geb‘ dir 200 ab. Damit du mich nicht wieder über das abgewetzte Sofa legen kannst.“ „200? Dafür kriegst du eine Tracht Prügel, die sich gewaschen hat, mir steht dein ganzer Verdienst zu, du ungezogenes Pony!“ Wir balgten uns. Ich klopfte bei den Mädchen an und durfte mich bei Ihnen umziehen. Corinne begleitete mich an die Stange. Wir mussten uns erst warm tanzen, bevor wir einzelne akrobatische Übungen trainieren konnten. Nach einer halben Stunde tanzte ich so gelenkig, als wenn ich nie etwas anderes getan hatte. Suzanne gesellte sich zu uns. Ich hob beide Mädchen abwechseln hoch. Was für ein Vergnügen. Die Verrenkungen machte uns so leicht keiner nach. Ich wunderte mich zeitweilig, wie gut ich meinen Körper kontrollieren konnte und der Spaß, den wir hatten, war für unsere Zuschauer offensichtlich. So bekam ich also meine täglichen Trainingseinheiten für den Kampfsport und fürs Reiten auch noch gratis. Lächelnd bemerkte ich Andy. Er stand bewundernd in der Bar und himmelte mich an. Ihm gefiel sein neuer Ferienjob, das sah man. Ich baggerte ihn an, wohl wissend, was ich bei ihm damit auslöste. Als ich in der Pause einen Drink bestellte, zog er mich gleich zu sich. „Ich würde gerne mit dir mal kurz aufs Klo“, raunte er mir zu. Warum, konnte ich an seiner Hose fühlen. Das war mit Sicherheit kein Schlüssel, was sich da so hart abzeichnete. Warum also nicht? Die Mädchen grinsten. Wir schlichen uns schnell nach hinten. Die Bar war ja auch noch nicht geöffnet. In einer Kabine machten wir es uns gemütlich. Andy bediente sich an meinem Hintern und kam schneller, als es ihm und mir lieb sein konnte. Schnaufend zog er sich die Hosen wieder hoch. Gerade als wir aus der Tür hinausgehen wollten, stutzte ich. Hatte sich in der anderen Kabine nicht etwas bewegt? Auch Andy spitzte die Ohren. Hier half nur die Feuerleiter. Ich kletterte an ihm hoch und sah hinüber. Schitt. Ein junger Mann lag zusammengekrümmt auf der Erde neben dem Klobecken. Daneben eine leere Spritze. Sein linker Arm war von Einstichen übersät und am Oberarm abgebunden. „N’Junkie“, flüsterte ich ich zu Andy. „Kurt?“, fragte er. „Ist besser“, meinte ich nach kurzem Nachdenken. Ich wusste, dass Kurt nicht gleich die Bullen holen würde und er meistens auch großes Mitleid mit den Drogenabhängigen hatte. Andy ging und kam einen Augenblick mit Kurt und Conny zurück. Die Tür war abgeschlossen. Ich musste wieder hoch und in die andere Kabine hinunterklettern. Der Junge durfte um die Zwanzig sein. Er bewegte sich nicht, als ich ihn vorsichtig am Arm berührte. „Ist er tot, Pa?“ Conny blickte fast ängstlich auf den reglosen Körper. Kurt fasste an dessen Hals und schüttelte erleichtert den Kopf. „Nein, der hat sich nur einen ordentlichen Schuss gegeben. Kommt, helft mir mal. Wir bringen ihn in mein Büro, aufs Sofa.“ Wir fassten alle an. Der Junge schlug auf der Liege die Augen auf. „Ganz ruhig, keiner tut dir was. Aber im kalten Klo kannst du nicht bleiben“, meinte Conny und lächelte ihn beruhigend an. Moana kam mit einer Cola herbeigeeilt. „Eigentlich wäre ein heißer Tee besser“, erklärte sie und setzte sich zu dem Jungen. „Wie heißt du?“ „Mark“, er griff dankbar nach dem Getränk. „Ich bin gleich wieder fit. Das Zeug war sehr stark und hat mich umgehauen“, grinste er perfide. Es war nicht zu fassen. „Du hättest auch tot sein können. Niemand weiß, was in dem Zeug drin ist. Das kommt aus Kolumbien oder sonst wo her. Am Anfang ist es noch rein und wird von Chemikern untersucht. Aber dann ist Schluss. Jeder, der es in der Folge in die Hände bekommt, will daran verdienen und streckt es mit Mehl oder Stärke. Von den Dealern hat keiner mehr Chemie studiert. Die wissen selbst nicht, was sie da tun. Du solltest schleunigst damit aufhören!“, versuchte ich ihn zu überzeugen. Kurt nickte. „Ja, Max hat Recht. Wir kennen einen Sozialarbeiter und ich hab auch Kontakte zu Ärzten, du müsstest in eine Entzugsklinik, damit du clean wirst.“ Der Junge sah fürchterlich aus und er stank. Moana rümpfte die Nase. „Kleiner, du solltest erst einmal duschen und etwas ordentliches anziehen. Ich schau mal nach, ob ich was finde. Hier vergessen Kunden oft sogar ihre Unterhosen.“ Das war auch kein Wunder, im Puff. Ich konnte nicht mehr vor Lachen und küsste Moana. „Stopp“, meinte Conny und schob seine Hand zwischen uns, „oder bezahlen.“ „Kurt, kannst du deinem Sohn mal einen Satz warme Ohren spendieren? Der wird komisch!“ „Womit hab ich euch nur verdient. Geh an deine Arbeit, Max und du auch Andy. Conny, hilf Mark in die Dusche, wenn er wieder laufen kann. Du kannst danach gehen, wenn du okay bist. Aber setz dir deine Schüsse woanders. Meine Bar ist kein Junkiehotel.“ Als ich später an der Stange trainierte kam unser ungewollter Besuch zu uns. Er wollte sich bedanken und entschuldigte sich sogar bei Kurt. Das war für den keine Ursache wert. Kurt half gerne. Mark blickte mich bewundernd an. „Ich hab auch mal getanzt“, erzählte er. „Aber im Ballett, als Junge. Ich komme aus der Ukraine. Meine Eltern wollten in den Westen, damit ich mal ein besseres Leben führen könnte. Irgendwie ging alles schief. Sie starben kurz hintereinander und ich sollte zu meinem Onkel nach Kiew abgeschoben werden. Als der Rückführungstermin da war, bin ich dem Jugendamtsheini abgehauen und untergetaucht. Seitdem leb ich auf der Straße, hab geklaut, angeschafft und häng jetzt auch noch an der Nadel. Manchmal hoffe ich auf den goldenen Schuss, der mich zu meinen Eltern bringt.“ Corinne und Suzanne saßen still neben uns. „Daran darfst du gar nicht denken. Warum fragst du nicht Kurt und gehst zum Arzt. Der hat Connections. Du musst in ein Krankenhaus und danach kannst du arbeiten, zur Schule gehen oder was du immer magst. Es liegt ganz bei dir, ob du dich zugrunde richten willst. Deinen Eltern hilfst du damit nicht, dir erst recht nicht und ich glaub, deine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, wie schlecht es dir geht.“ Uff. So viel hatte Corinne noch nie von sich gegeben. Man sah ihr an, dass sie Mark mochte. Der schaute sichtlich bedrückt und beschämt auf den Boden. „Ich überleg es mir. Ich komm wieder. Danke noch mal, für alles“, stammelte er und lief zur Tür. Das war besser als nichts. Wir wussten alle, wie schwer es die Junkies hatten. Wer aussteigen wollte, brauchte einen Arzt und einen Therapieplatz und musste den Kiez ganz schnell verlassen, denn die Dealer lauerten ihnen immer wieder auf, um sie ins Drogengeschäft zurückzuholen. Es war neun Uhr geworden. Ich musste mich umziehen und schminken. Um halb zehn Uhr machte Kurt den Laden auf. Um zehn Uhr war es schon gerammelt voll. Mein Bild hing seit Tagen im Fenster. Kurt hatte gewaltig auf die Werbetrommel geschlagen, das zahlte sich jetzt aus. Der Abend wurde großartig für uns alle. Die Leute klatschten, tobten und verlangten immer neue Zugaben von mir. Die Boys steckten mir grinsend ihre Scheine in den Slip und auch die Frauen wollten mich überall anfassen. Ich tanzte sie bewusst erotisch an und baggerte, als wenn es ums Leben ging. Um zwei Uhr schlich ich mich ausgepowert in die Umkleide. Morgen, eigentlich heute, sollte ich ja Ken vom Flugplatz abholen. Ich freute mich auf ihn und ein wenig Schlaf würde mir guttun, dachte ich, beim Abschminken. Conny gab mir seinen Schlüssel. „Ich schlaf bei Kurt. Da hab ich mehr Luxus, wie sich das für den Sohn eines Kiezladenbesitzers gehört. Ponys pennen im Stall.“ Ich drehte mich und deutete das Ausschlagen mit dem Huf an. Und fiel in seiner Hütte kraftlos aufs Bett. Traumlos schlief ich bis zum Morgen. Um halb zehn Uhr kitzelten Sonnenstrahlen an meiner Nase. Heute und morgen durfte ich Ken wieder verwöhnen. Ende der Woche ging es dann für Andy und mich heim. Wann wir uns hier alle wiedersehen würden, stand in den Sternen. Gleich nach unserem Abi im Juli wurden Rene und ich operiert. Er würde direkt mit seinen Blutwerten, Röntgenbildern und allem, was er sonst noch mitzubringen hatte, von Hamburg anreisen. Ich seufzte. Der große Tag war nicht mehr fern. Wie würde es sein, wenn ich endlich mit meinem eigenen angewachsenen Schwanz pinkeln konnte? Neugierde, Vorfreude und doch ein klein wenig Ängstlichkeit vermischten sich. Aber die Freude überwog. Es konnte gar nichts schief gehen. Nach der Dusche kochte ich mir einen schwarzen Kaffee. Hunger hatte ich noch keinen, aber ich wollte unterwegs zum Flughafen noch kurz in ein Cafe gehen und etwas essen. Der Flieger mit Ken sollte erst um zwei Uhr mittags ankommen. Mein Handy klingelte. Vater war dran und fragte, ob alles in Ordnung war. Ja, alles paletti. Ich will heute Abend ins Theater, erzählte ich ihm. Das stimmte auch. Er fragte nicht nach und ich musste nicht lügen. Wahrscheinlich dachte er, ich ginge mit Rene oder Andy. Mein Strichjungenleben als Luxusboy-Escortservice blieb mein großes Geheimnis. Ich bekam inzwischen nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei, denn Vater wollte mir auch nichts über seine Techtelmechtel mit Förster Hartmut erzählen. Ich ahnte, was die beiden im Bootshaus getrieben hatten und dass sich ihre Beziehung nur dadurch von meinen unterschied, dass sie kein Geld dafür nahmen. Ken würde sicher wieder gut zahlen. Ich war käuflich, na und? Wer arbeitete heute noch umsonst? Ich kannte niemanden. Ob Ken mich als männliche Prostituierte ansah und mehr oder weniger oberflächlich als Ware, für die er gutes Geld hinlegte, wusste ich nicht. Aber das wäre auch nur von Bedeutung, wenn ich mich für meinen Job schämen würde. Das war mitnichten der Fall. Es machte Spaß, mit Männern Sex zu haben. Und es machte noch mehr Vergnügen, wenn diese Männer reich und sauber waren. Irgendwie schlich sich dieselbe Unbekümmertheit ein, wie damals, als ich den Schnaps für unseren Messwein klaute. Ja, Max. Du musst vorsichtig sein, damit du keine Fehler machst. Fehleinschätzungen und das Leben durch eine zu rosa rote Brille zu betrachten, können unvorhergesehene dramatische Folgen haben. Ich sah in den Spiegel, während ich leise mit mir sprach und mich zu mehr Wachsamkeit ermahnte. Das blaue Sakko saß gut, die helle Hose ebenfalls. Eine farblich dazu passende Krawatte zum weißen Hemd machte einen jungen Gentleman aus mir. Ich konnte mich sehen lassen. Ken war auch immer sehr gut angezogen. Er legte viel Wert auf sein Äußeres. Ich band meine neue Uhr ums Handgelenk. Ein Geschenk von ihm. Es wird ihn freuen, wenn er sieht, dass ich sie trage. Kurz vor ein Uhr. Unten auf der Straße, Leere. Tagsüber liefen nur die üblichen Touristen auf der Reeperbahn herum. Problemlos der Abstieg in die S-Bahn. Sie war jetzt am Mittag nicht groß besucht. Um viertel vor Zwei stand ich am Flughafen vor der Ankunftshalle, blickte zielgerichtet auf die Tafel, die oben drüber hing und stellte zufrieden fest, dass alles programmgemäß lief. Die American Airways war gerade gelandet. Gate 3. Ein junger Mann, um die Zwanzig, gutaussehend, braunes gewelltes Haar, gepflegte Erscheinung, sprach mich an, fragte, ob ich wüsste, ob hier alle Passagiere aus den Staaten ankämen? „Das ist sicher unterschiedlich, je nachdem, wo die Flugzeuge abgefertigt werden.“ Er sah wirklich hübsch aus, war sehr gut angezogen. Seine weiche Art gefiel mir. Nicht aufdringlich und doch persönlich. Sanft berührten seine Finger meine Hand. Dann zeigte er auf die ersten Passagiere, die noch in der Halle auf ihre Koffer warteten. „Mein Freund ist Journalist. Wir haben uns seit drei Monaten nur per Skype gesprochen. Ich bin so aufgeregt und freue mich, ihn endlich wieder zu sehen“, erzählte er und wirkte tatsächlich ziemlich durchgedreht. „Geht mir ebenso. Ich hole auch einen guten Freund ab“, erwiderte ich und entgegen meiner eigentlichen Absicht, war ich einem kleinen Plausch nicht abgeneigt. „Wo arbeitet Ihr Freund?“ „In Washington. Er war sogar im Weißen Haus auf der Pressekonferenz dabei. Aber er erzählt nichts, die wollen sich ihren Platz dort erhalten. Eigentlich genau das Gegenteil von gutem Journalismus. Aber ich frag ihn besser nicht danach.“ Klar, was er damit meinte. „Die Amerikaner haben schon vieles auf der Welt bewegt, die werden sicher auch mit so einem Problem fertig. Heuern und Feuern, ist drüben die Devise.“ Er nickte. „Ich heiße Jakob. Ryan, mein Kumpel, sagt immer Jake.“ „Max, angenehm. Eigentlich Maximilian, also bayerischer Adel!“ „Du klingst auch so. München?“ „Aus der Nähe, östlich davon.“ Ken hatte mich entdeckt und winkte mir strahlend zu. Ein junger Mann unterhielt sich noch angeregt mit ihm. Mein Nachbar jauchzte auf und fiel dem anderen freudig um den Hals. Sie knutschten erst mal ausgiebig. Aha. Da hatte ich ja wieder den richtigen Riecher gehabt. Ken lächelte. „Nimm dir mal ein Beispiel, Max. Das ist Liebe!“, sagte er vorwurfsvoll auf die beiden blickend. Ich lächelte, schlang meine Arme um ihn, und ließ mich zärtlich küssen. „Bye, Ryan, we met.“ „Bye, Ken. Have a nice Date.“ „Aha, Ihr kennt euch also schon. Ich hab mich gerade mit Jakob angefreundet. Zufälle gibt es.“ Ken drückte mich fest an sich. „Ryan ist Journalist, arbeitet für die Washington Post. Es gibt im Augenblick für uns nur ein Thema und das macht selbst mir Kopfzerbrechen. Aber, erzähl von dir, Amerika ist jetzt weit weg und ich will von Politik nichts mehr hören.“ Ich berichtete schnell von meinem neuen Job als Tänzer. „Whow, das hätte ich nicht erwartet. Das will ich aber heute Abend sehen, du wirst nur noch für mich tanzen!“ Wir hielten uns immer noch in den Armen und wollten gerade sein Gepäck aufnehmen und in Richtung Taxenstand gehen, als wir beim Aufschauen in vier böse funkelnde Augen blickten. Zwei ältere Frauen tuschelten miteinander. „Eine Schande ist so etwas, richtig widerlich. In aller Öffentlichkeit. Hier laufen doch auch Kinder herum! Mit diesen schwulen Kerlen ist man früher anders umgegangen. Da wäre ein solch abartiges Verhalten nicht möglich gewesen“, empörte sich die eine mit zusammengekniffenem Mund. „Ich möchte hier gar nicht aussprechen, was ich gerade denke“, ereiferte sich ihre Freundin. Ich horchte auf und atmete durch. Das konnte nicht ungestraft bleiben. Ich wurde zuweilen sehr empfindlich, wenn es um die Rechte von Transen, Schwulen und Lesben anging. Und nicht nur die. Es fiel mir dann immer der berühmte Satz über die Witwen und Waisen ein und auch, wenn ich darüber lachen musste, reagierte ich in der Regel auf derartige intolerante Angriffe ziemlich genervt. Ich drehte mich also leicht angepisst um. „Warum nicht? Wovor haben Sie Angst? So etwas wie wir, gehört ins KZ, oder? Das wollten Sie doch sagen! Sie wären mit Sicherheit zwei gute Aufseherinnen geworden. Aber werden Sie doch Dominas, dann können Sie Ihren Ekel an den bösen Männern auch heute noch ablassen. Und bekommen sogar Geld dafür. Keine Sorge, auch zwei alte Schachteln finden noch Freier.“ Provozierend grinste ich die beiden Schnepfen an. Die sperrten vor Schreck Mund und Nasen auf. So hatte ihnen wohl noch niemand zugesetzt. Lachend nahm ich danach Kens Hand und übersetzte ihm meine Worte, während wir aus dem Flughafengebäude gingen. Er brüllte los, drehte sich kurz noch einmal zu den Zweien um. „Deshalb liebe ich Deutschland so sehr. Hier kannst du wirklich sagen, was du denkst und die Leute sind dir sogar noch dankbar dafür. Bei uns musst du aufpassen, ob du dir nicht einen Schaden einhandelst. Und das wird im Augenblick immer schlimmer. Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Ryan im Flugzeug.“ „Fürchtest du Schwierigkeiten mit deinem Geschäft? Du produzierst doch in Kolumbien?“ Ein Taxi kam und brachte uns zum Hotel. „Nein, aber das liegt am Produkt. Autos und Computer kann man in den USA bauen, Kaffee nicht. Ach, Max, ich träume seit unserem Abschied davon, mit dir allein zu sein. Lass uns gleich im Hotel duschen, ja.“
Das hörte man gerne, aber mir war es ebenso ergangen. Kaum ein Tag, an dem ich nicht an meine Lieblingsfreier dachte. Ken und Sensei, aber auch Dimitri, blieben in meiner Gedankenwelt ständig präsent. Ich verband durchweg nur positive Erfahrungen mit meinem Luxusstricherleben. „Heute Abend gehen wir ins Theater. Hamlet steht auf dem Programm.To be, or not to be.“ „Oh, darling, let it be!“ Das Taxi hielt am Mercator. Das konnte ja heiter werden, dachte ich. Ken war also total heiß und ob wir heute noch aus dem Bett herauskommen würden, mehr als fraglich. Ich musste die teuren Karten wieder loswerden, wenn wir es nicht mehr schafften. Kurzer Smalltalk an der Rezeption. Die Dame kannte mich und das sehr gut. Viel sagendes Lächeln auf beiden Seiten. Ob sie uns etwas zu essen und zu trinken aufs Zimmer schicken solle? „Ja, gerne“, entschied ich. „Sekt und Kaviar“, bestellte Ken. „Sicher, stets zu Ihren Diensten, Mr. Boldman.“ Na also, das war geklärt. Verhungern brauchten wir nicht. Ich schob Ken in den Fahrstuhl. Im Zimmer gab es kein großes Vorspiel mehr. Wir rissen uns die Kleider vom Leib, sprangen unter die Dusche und dann liebten wir uns auf dem Bett, als wenn wir uns ein ganzes Jahrhundert nicht mehr gesehen hatten. Er drang in mich ein, dass mir hören und sehen verging. Eigentlich war Ken mehr der zärtliche Typ, aber heute musste er seinen gesamten Frust und Überdruck auf einmal loswerden. Stöhnend sank er auf mir zusammen. Ich rieb mich an ihm, kam einen Moment später und erschrak zu Tode. Mein Arsch fühlte sich ziemlich flüssig an. Gummi? Fehlanzeige! Sch… Mein Test war vor drei Wochen negativ gewesen. Ich hoffte dasselbe für Ken. Er seufzte und stutzte. „Fuck!“ „Ja“, entgegnete ich. „So kann man es nennen. Wie kommt es, dass du so geil bist und auch noch den Gummi vergisst?“ „Why me? Das ist deine Aufgabe. Du bist der Junge, der für seine Dienste bezahlt wird. Aber ich hatte nach meinem letzten Test vor zwei Monaten nur einen Guy, und den auch mit. Es ist also alles okay.“ Na gottseidank. Aber, wer wurde hier für seine Dienste bezahlt? Also, doch. Er sah nur den Strichjungen in mir. Irgendwie fühlte sich das an, als wenn jemand gerade mal eben einen Dolch in mein Herz stieß. Ich schluckte. Was hast du erwartet?, fragte ich mich. Du willst Jenny heiraten, Andy, Rene und Conny als Freunde behalten und möchtest, dass deine Freier, die teures Geld für dich ausgeben, dich unglücklich lieben? Das ist wohl etwas zu viel verlangt, lieber Maximilian. Mehr Professionalität, bitte!“ Mein Eltern- Ich hatte Recht. „Sorry, es war meine Schuld. Aber das Risiko teilen wir beide und ich denke, dass nichts passiert ist. Mein HIV Test ist erst drei Wochen alt und okay. Es ist auch das erste Mal, dass ich meinen Freier nicht stoppe und den Gummi drüberziehe, bevor ich ihm meinen Hintern zur Verfügung stelle. Kannst dir ein Ei drauf backen. Du bist etwas Besonderes für mich, das heißt, nein, nicht du, sondern dein Schwanz, natürlich!“ Ken sah mich an, presste seine Lippen auf meinen Mund und schob seine Zunge hinterher. „I love you, Maxwell. You are the only best.“ „Sag das mal meiner Mutter und am besten auch meiner Freundin.“ „Was, du hast ein girlfriend? No, das ist nicht erlaubt. Schwul und Mädchen, geht nicht.“ Ich lachte und knuffte ihn. „Doch, das geht schon. Ich bin bi und Transe. Da geht beides gut. In drei Monaten bin ich endlich ein ganzer Mann. Was ist, werde ich dich wieder verwöhnen dürfen, wenn ich einen richtigen eigenen Schwanz hab und kleine dicke Silikoneier?“ Er schlug mir auf den Hintern. „Wie dick?“ „Oh, ganz dick, dicker als deine und länger als deiner“, ärgerte ich ihn. „No, so etwas gibt es gar nicht. Meiner ist der Längste. Und er stößt auch am härtesten zu. Willst du noch mal fühlen? Ich kann wieder, du musst nur ganz kurz blasen!“ Ich tat ihm den Gefallen und musste mich gewaltig anstrengen. Ken hatte den Mund ziemlich voll genommen. Plötzlich tat sich doch etwas. Ich intensivierte die Behandlung. Er stöhnte wohlig. Ruhe. Dann hatte ich selbst den Mund voll. Schitt, und wieder den Gummi vergessen! Ich werde alt. Oh, Ken. Hoffentlich spielen wir nicht beide mit dem Feuer. Aber, mitgefangen ist dann auch mitgehangen. Da gab es nur eine Strafe. Das meiste war noch vorhanden. Ich sah ihn an, kniete vor ihn nieder und streckte ihm meinen Hals entgegen. Er hatte verstanden, lächelte, öffnete den Mund. Nicht jeder kann sein eigenes Sperma schlucken. Ken wusste es und verschmolz mit mir. Am Ende schlickten wir unsere Lippen und leckten uns gegenseitig ab. Ich musste unwillkürlich lachen. Er sah mich verwundert an. „Was ist?“ „Ich habe gerade einen neuen Slogan erfunden. Ich sollte in die Werbebranche gehen.“ „Und, wie heißt dein Slogan?“ Hihi, ich gluckste. „Gummi first!“ Ken blickte mich verblüfft an und fing an zu lachen. Tränen liefen über sein Gesicht. Und auch mir tat nach kurzer Zeit der Bauch weh. Das musste ich nachher den anderen erzählen. Hamlet! Ich sah auf die Uhr. Es war erst halb vier Uhr. An der Tür klopfte es. Der Zimmerservice brachte uns die Bestellung. Ken dankte dem jungen Kellner und gab ihm zwanzig Euro. Der stammelte gleich ein Dankeschön und beeilte sich, uns den Sekt einzuschenken. Er fragte noch, ob wir weitere Wünsche hätten. Nein, für Ken nicht. Ich wollte wissen, ob Sauna und Schwimmbad geöffnet waren. Er bejahte und ich knuffte Ken in die Rippen. „Okay, nach dem Essen. Mund auf, nach der Schlagsahne gibt es Kaviarhäppchen. Mit Sekt herunterspülen. Brav alles aufessen, dann darfst du mit dem lieben Ken auch baden gehen.“ „Und heute Abend sehen wir Hamlet.“ „Yeah, wenn es denn sein muss. Hinterher fahren wir in deinen Club und du tanzt für mich an der Stange. Danach nehme ich dich auf meine Stange und du tanzt hier weiter.“ Ich lachte. Mal sehen, ob Kurt mitspielte. Hamlet war erst um elf Uhr zu ende.
Mit Anfahrt, Umziehen und Schminken, könnte ich gegen ein Uhr oder etwas später tanzen. Da war der Laden sicher wieder gerammelt voll und Kurt würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich rief ihn kurz an. Er schrie begeistert auf und schickte Ken die besten Grüße. Der Abend war also gerettet. Ken schmatzte zufrieden seinen letzten Kaviar. „Duschen und Baden?“, fragte ich. Die Antwort war sein Arm, den er besitzergreifend um mich legte und meinen Kopf auf seine leicht behaarte Brust zog. Seine Hand streichelte dabei meine Wange. Schweigend lagen wir zusammen im Bett, wie ein altes Ehepaar. Ein Strichjunge und sein Freier. Mir wurde plötzlich bewusst, welches Leben die Jungen hier führten, welchen Trugschlüssen sie erlagen, wenn sie glaubten, die Freier würden es ehrlich meinen. So etwas gab es nur im Märchen. Die Realität sah anders aus. Einmal Stricher, immer Stricher. Es sei denn, man hatte eine Alternative. Edelprostituierter und Student. Das ging. Allerdings, wenn das später mal rauskam? Auch bei mir würde es Probleme geben. Ich schalt mich selbst. Nein, nicht das letzte Mal zerstören. Hamburg würde noch in dieser Woche enden und schon in ein paar Wochen Geschichte sein. Mit Ken hatte es angefangen und mit ihm würde sich der Kreis wieder schließen. „Come on, pool!“ Ken stupste mich an, sprang mit einem Satz aus dem Bett und riss mich damit aus meinen Gedanken!“ „Gummi first!“ lachte ich. Wir zogen die Bademäntel über. Badehosen bekamen wir unten, das wusste ich. Flachsend standen wir Augenblicke später vor der Rezeption. Während wir uns ein Bekleidungsstück für unsere Schwänze aussuchten, waren neue Gäste ins Wellnesscenter des Hotels gekommen. „Hello, Max, ist Ihr Vater auch hier?“, hörte ich jemand neben mir fragen. Ich drehte mich überrascht um. Und erkannte ihn. Es war Mr. Henson, einer unserer britischen Kunden. Upps. Ganz cool bleiben, Junge, dachte ich. Du kannst im Hotel sein, mit wem du willst. „Nein, ich besuche allein Freunde hier. Geht es Ihnen gut?“ „Danke, grüßen Sie Ihren Vater von mir. Ich rufe ihn demnächst wieder an, um die nächsten Preise für die neuen Lieferungen auszuhandeln. Er kann sich ja schon ein Angebot überlegen. Ihr Bier wird bei uns gerne getrunken.“ Ich nickte. „Das mache ich. Obwohl ich selbst auch gerne Englisches Bier trinke. Aber das ist ja das Schöne am Welthandel: Man kann von allem kosten.“ Ken klatschte mir die Hand auf den Hintern. „Ab, in den Pool und danach zu Hamlet!“ Einen Augenblick später tobten wir im warmen Wasser. Der Abend verlief planmäßig. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sich Ken nicht so sehr für Shakespeare, als viel mehr für meinen Hintern interessierte und es kaum abwarten konnte, in die Bar zu kommen. Um halb zwei Uhr begann ich dort mit meinem Programm. Suzanne und Corinne sprangen in der Akrobatik kurz füreinander ein und der Laden tobte nach wenigen Augenblicken. Kurts Umsatz an Getränken schnellte in die Höhe. Es kamen immer mehr Leute. Als mich Kurt um halb zwölf Uhr ankündigte, hatten viele ihre Handys aus den Hosentaschen geholt und SMS an ihre Freunde geschrieben. Ken steckte mir dann als erster Geldscheine in den Slip. Andere folgten seinem Beispiel und die Frauen kreischten und wollten mir das wenige Leder wegreißen. Nein, das war verboten. Kurt meldete sich per Durchsage. Sehr zum Leidwesen der Damenwelt, die laut protestierte. Corinne und Suzanne schirmten mich vor ihren verrückten Geschlechtsgenossinnen ab. Am frühen Morgen saß ich zusammen mit Ken, Kurt, Conny und Rene abgekämpft, aber glücklich an der Bar. Moana räumte die Tische ab, Andy spülte Gläser und Babs gähnte. „Ich muss gegen Mittag einen Geschäftspartner treffen, aber ich würde mich freuen, heute Abend zum Abschied meinen Max noch einmal zu erleben. Das war so fantastisch“, sagte Ken und sah Kurt bittend an. „Kein Problem, der Kunde ist bei meinen Jungs und Mädels König. Aber wir können ja schon um elf Uhr mit der Show anfangen.“ Aha. Das war ja wie bei Conny. Ich hatte also zu gehorchen. Auch Kurt betätigte sich in Zuhältermanier, allerdings ging es um sein Geschäft und ich bekam ziemlich viel Geld dafür. Und ich tat es gern. In drei Tagen hieß es, vorerst Abschied nehmen und wann ich dann noch einmal tanzen würde können, wusste ich selbst nicht. Nach der OP kam die Ruhephase, die ich zu Hause bei meinen Eltern verbringen sollte. Anfang September begann die Uni. Eine WG- Wohnung hatte uns mein Vater schon besorgt. Andy und ich sollten die zwei Zimmer von Hubertus übernehmen, der sein Jurastudium in Philadelphia beenden wollte. Onkel Ludwig machte meinem Vater selbst den Vorschlag. Super. Ich war mehr als einverstanden. Dann war das auch geregelt. Die Wohnung lag sehr günstig in Campusnähe. Es war nicht eben leicht in München eine bezahlbare Studentenbude zu finden. Andy und ich konnten sehr dankbar sein. Vor allem, weil Andy nichts beisteuern musste. Vater und Onkel Ludwig hatten sich nämlich mit Maurice besprochen. In einigen Jahren würde uns Beatrix an die Hochschule folgen und die Idee, eine Wohnung im Herzen Münchens zu erwerben, fand auch bei unseren Müttern Anklang. So konnten sie zum Shoppen oder bei Events in der Stadt bleiben und hätten immer einen günstigen Schlafplatz in der Landeshauptstadt. Zu dritt waren die Kosten nicht mehr der Rede wert. Ich legte meinen Arm um Ken. „Lass uns ins Hotel fahren und noch etwas schlafen, damit du mittags fit bist. Ich will auch nicht mehr viel unternehmen. Wir können im Hotel essen“, schlug ich ihm vor. „Ja, okay, bye, bis tonight!“ Wir gingen die wenigen Meter zu Fuß. Die kühle frische Luft tat gut. Ken fasste mir plötzlich an die Hose. „Du, ich glaube, es geht schon wieder.“ „Ich bin dein Diener, du hast für mich bezahlt. Nimm dir, was du wann magst“, seufzte ich müde. Aber das war nun mal mein Job. Ein Stricher hatte den Hintern hinzuhalten, auch wenn er dabei einschlief. Ich konnte mich später in der Uni von den Strapazen des Berufslebens als Sexarbeiter erholen. Wenigstens ein schwacher Trost und eine Hoffnung, für mein geschundenes Hinterteil. Ich schlief tatsächlich, während sich Ken an mir bediente. Am Abend bekam er eine Sondervorstellung, als alle Gäste weg waren. Ich zog mich am Schluss ganz aus, ließ ihn meinen Hintern befühlen und er nahm mich im Klo. Um zwölf Uhr mittags brachte ich ihn zum Flugplatz. Die Wehmut, die uns beide beim Abschied überkam, war nicht gespielt. Ich sah der Maschine noch einen Moment nach. Dann fuhr ich wie gewohnt zur Reeperbahn. Als ich Conny etwas vom Geld abgeben wollte, winkte der allerdings ab. Mit ihm, Rene und Andy, traf ich später am Nachmittag im Alstercafe mit Melanie und Kerrin zusammen. Ich hatte für alle meine Freunde Flugtickets gebucht, damit sie in zehn Tagen für zwei Nächte zu mir nach Wildenstein kommen konnten. Conny freute sich schon sehr darauf. Er war noch nie geflogen und ein privat bewohntes Schloss kannte er natürlich auch nicht. Wir schwelgten bei Cola und Eis in Vorfreude, als ich meine Geschenke verteilte. Die Mädchen führten sich auf wie Prinzessinnen. Kerrin wollte einen Hofknicks zeigen und brachte mit ihren ungelenken Versuchen im Cafe auch die anderen Gäste in Stimmung. Abends saßen wir Männer zusammen mit Kurt erst noch in der Bar, bis irgendeiner auf die glorreiche Idee kam, in Connys Wohnung zu gehen. „Zum Abschied noch mal Rudelbumsen“, forderte Rene und zog sich als erster aus. Geilheit und Ständer waren beim Rest der Welt nur eine Frage der Zeit. „Pferdchen, auf den Boden. Kommt alle zu Herrchen“, befahl unser Dompteur. Gehorsam knieten wir uns vor den Meister, verwöhnten ihn nach Strich und Faden. Er nahm sich jeden einzeln vor. Oh je, das war zwar irgendwie abartig, aber trotzdem schön. Vier Musketiere, die stolz ihre Schwänze zeigten. Versauter konnte der Abend nicht ausklingen. Die Nacht verbrachten wir alle unter nahezu einer gemeinsamen Bettdecke auf dem Teppich. Nach dem Frühstück, für das Conny wie immer die Aufgaben verteilte, brachen wir zum Flugplatz auf. Die Truppe wurde immer ruhiger, je näher wir der Abflughalle kamen. Wir trösteten uns, denn in ein paar Tagen würden wir uns ja wiedersehen. Andy schaute mich im Flugzeug kopfschüttelnd an, als wir aufs Rollfeld fuhren. „Was hast du?“, fragte ich ihn. Er sprach leise in mein Ohr. „Du hast mich zum Strichjungen gemacht. Ich hätte nie geglaubt, dass ich so geile Ferien erleben darf. Was haben wir zwei nicht alles ausgefressen! Da könnte man Bücher mit füllen.“ Ich lachte laut auf. „Hauptsache, unsere Eltern erfahren nie etwas davon!“
 



 
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