Neugeboren 6

Ruedipferd

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Ich sollte im April, also in gut zwei Monaten, Siebzehn werden. Womöglich war dies die letzte Spritze, die meine weibliche Pubertät herauszögerte. Würde er Wort halten und mir dann das erste Testosteron geben? Er sprach zunächst lange mit meinem Vater, welcher sehr ernst aus dem Sprechzimmer kam. Ich ging hinein. „Doc, kann ich was fragen?“ „Aber immer, Max. Spuck aus!“ „Ich hab im April Geburtstag.“ „Oh, das ist schön für dich. Aber vorher gratulieren, bringt Unglück.“ „Doc, wir kennen uns schon so lange und bitte, das ist keine Verarschung. Wann darf ich mit der Hormonbehandlung anfangen?“ „Max, wenn ich dich jetzt verarschen wollte, würde ich sagen, du bekommst seit deinem dreizehnten Lebensjahr bereits Hormone, aber das ist es nicht. Es ist auch für mich immer ein besonderer Moment, wenn ihr das Erwachsenenalter erreicht habt. Auch ein banger Moment. Die erste Testosteronspritze ist nicht schlimm, aber nach der zweiten treten meistens irreversible Veränderungen an der Stimme auf. Ich denke dann immer an euch und ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Ich fühle mich bei euch wie ein Vater, dessen Tochter das erste Mal ein Date mit einem Jungen hat und bei dir ist es so, als wenn mein eigener Sohn vor mir sitzt. Ich fühle und leide mit jedem von euch mit und ich will das richtige tun, verstehst du?“ Ja, ich verstand ihn nur zu gut. Ich war mir der Bedeutung des Augenblicks bewusst. Dies gehörte zu einem Weg, der mich unabänderlich in die Welt der Erwachsenen führen würde. Wie ich mich auch entschied, ich müsste für immer damit leben. Aber ich war mir sicher. All die Gefühle aus frühen Kindertagen und meine Erlebnisse als Jugendlicher konnten nicht mich nicht getäuscht haben, es konnte kein Irrtum sein. Ich war ein Mann und würde in meinem weiblichen Körper, wenn er entwickelt wäre, als Frau nicht leben können. Ich sagte es dem Doc, der mich seit fünf Jahren wirklich wie ein Vater durch die Höhen und Tiefen der Jugendzeit begleitet hatte. Ich war mir sicher, ganz sicher. Er drückte auf die Gegensprechanlage und bat die Sprechstundenhilfe, meinen Vater aufzurufen. Der kam erwartungsvoll ins Zimmer und setzte sich auf den Stuhl, der neben mir stand. „Max!“ Der Doc forderte mich auf, zu wiederholen, was ich ihm gerade erzählt hatte. „Ich würde mich freuen, wenn wir mit der Hormonbehandlung beginnen könnten, ich bin mir ganz sicher, dass ich ein Junge bin und als Mann leben möchte und ich bin mir auch sicher, dass ich als Frau gar nicht leben kann.“ „Gut, ich respektiere deine Entscheidung und bin einverstanden, denn du bist ja noch minderjährig“, hörte ich meinen Vater sagen. Doktor Reimers stand auf und zeigte mir den Weg zur Liege, auf der ich sonst meine Spritze bekam. Er ging an seinen Medikamentenschrank und zog eine Kanüle auf. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass es eine andere Schachtel war. Ich musste mir die Hosen ein Stück herunterziehen und ihm den Po zeigen.
„Es wird intramuskulär gespritzt, tief in den Muskel und dazu ist am besten der Hintern geeignet. Die Spritze wird jetzt alle drei Wochen gegeben. Nach der Operation alle sechs bis zehn Wochen, je nachdem, wie sich der Patient damit fühlt. Lebenslang, Max. Es wird dir schlecht gehen, wenn dein Testosteronwert zu niedrig ist und vor allem, du kannst Osteoporose bekommen. Es ist wichtig für dich, endokrinologisch gut eingestellt zu bleiben. Ich hatte deine Werte letztes Mal bereits kontrolliert und wir werden uns schon in zwei Monaten wiedersehen. Die Spritzen schreibe ich dir jetzt auf und telefoniere mit deinem Hausarzt. Er wird sie dir in Zukunft geben. Du musst dir selbst den Turnus auf dem Kalender notieren. Das ist ab sofort deine Aufgabe. Aber du bist ja sehr pflicht- und verantwortungsbewusst und es geht um deine eigene Gesundheit.“
Den Einstich spürte ich nicht. Es war ein so bedeutungsvoller Moment und ich konnte an gar nichts mehr richtig denken. Ich hatte doch seit der Kindheit von dieser Spritze geträumt und nun? Was fühlte ich? Im Augenblick nichts. Leere. Vielleicht gehörte dieses Nichts, dieses Loch, tiefschwarze Loch, dazu? War es der Anfang, der gleichzeitig das Ende markierte? Ich sagte kein Wort, konnte es auch nicht, denn es fiel mir nichts ein. Vater sprach mit der Sprechstundenhilfe, machte den nächsten Termin ab und ich gab Doktor Reimers die Hand. „Danke, ich werde das hier nie vergessen.“ Wir sahen uns an. Ich spürte den kräftigen Druck seiner Finger. „Max, wir sehen uns. Ich wünsche dir alles Glück der Erde.“ Es war die richtige Entscheidung gewesen, wir wussten es beide.
Vater ging mit mir in die nächste Apotheke und gab mir die Tüte mit den fünf Ampullen darin in die Hand. Ich würde gut darauf aufpassen. Das Päckchen war meine Lebensversicherung und ich musste immer einen Vorrat davon bei mir haben. Im Hotel simste ich Rene. Er rief mich gleich auf dem Handy zurück. „Ich gratuliere dir. Ich hatte meine vorgestern. Doch es bringt noch nichts. Erst die zweite oder dritte macht den Stimmbruch. Aber wir sollten morgen schon mal Vorfeiern.“ Er musste heute Abend zu einer schulischen Veranstaltung und hatte erst am Samstag Zeit. Wir verabredeten uns für elf Uhr im Hotel. Mein Vater wollte dabei die Führung übernehmen, hatte drei Fußballtickets bestellt und mich nicht umsonst in ein Doppelzimmer einquartiert. Wir waren in einem anderen Hotel abgestiegen. Dieses hier lag direkt an der Reeperbahn. Vater schmunzelte, als wir mit dem Taxi vom Doc kamen und an der Großen Freiheit und der Davidswache vorbeifuhren. Ich hatte die Leuchtreklame in mich aufgesogen und Ausschau nach den berühmten Mädchen von Sankt Pauli gehalten. Als Vater an meine Tür klopfte, packte ich gerade meine Sachen aus. „Max, es ist Mittag. Bist du fertig? Ich nehme dich jetzt zum Geschäftsessen mit. Mr. Henson und Mr. Blake sind, wie du weißt, Briten, und wir werden uns mit ihnen zum Lunch treffen. Du kannst deine Englischkenntnisse beweisen und hörst bitte zu, wie ich verhandle. Eines Tages wirst du für die Firma selbst unsere Auslandskunden betreuen.“ Er lächelte aufmunternd. Einem gelungenen Auftakt meiner Karriere als Geschäftsmann schloss sich ein ebenso schöner Nachmittag in Stellingen auf der Eisbahn an. Wir blieben noch etwas länger, weil es ein Eishockeyspiel für Jugendliche gab. Nach dem Spiel bekam ich mein Abendbrot an der Pommesbude. Vater musste um acht Uhr noch eine weitere geschäftliche Veranstaltung besuchen, zu der er mich aber nicht mitnehmen konnte. Er würde erst spät in der Nacht wiederkommen, sagte er. Mir war es recht. Ich wollte ausgiebig mit Andy telefonieren und das Hotel verfügte über ein Hallenschwimmbad und einen Fitnessraum. Internet und Kabelfernsehen boten genug Abwechslung, dachte ich. Um neun Uhr abends war mein gesamter Colavorrat leer und alle Süßigkeiten hatten ebenfalls ihren Weg in meinen Magen gefunden. Ich zappte durch die Kanäle. Langweiliges Programm. Die Fernsteuerung flog aufs zweite Bett. Ich zog mir ein frisches dunkles T-Shirt an und stellte fest, dass mir meine Jeans zu eng geworden war. Irgendwie bekam ich den Reißverschluss nur noch halb zu. Muss eben ein Stück offen bleiben. Auf meinen Dildo wollte ich nicht verzichten. Die Beule da vorne sah geil aus. Ich griff mir meine Jacke, steckte etwas Geld in die Tasche und die mahnenden Worte meines Vaters, abends nicht ohne ihn aus dem Hotel zu gehen, waren Schall und Rauch von gestern. Ich war ja Hamburg langsam gewohnt und dachte mir nichts dabei, als ich vor dem Hotel stand und ein paar Schritte in die Richtung spazierte, aus der ich laute Musik hören konnte. Grelles Neonlicht empfing mich, hüllte mich ein und betörte meine Sinne. Gerüche von Bier, Zigarettenrauch und Schweiß drangen auf die Straße. Countrymusik, Jazz, Techno und die Lieder aus dem Musikantenstadl vermischten sich. Autos hupten, eine Menschenmenge kam auf mich zu, ich wurde mitgerissen, noch ehe ich verstand, was geschah und blickte mich um. Überall ein Meer von Lichtern, noch mehr Menschen und ein Mädchen, grell geschminkt, in Moonboots und mit riesiger Oberweite, nahm mich in den Arm. „Hey, Kleiner, wollen wir zu mir gehen, du bist aber süß“, sagte sie. Ich ahnte, dass ich mich von ihr losmachen musste, bekam Panik und antwortete nur: „Danke, du auch. Aber ich bin noch keine Achtzehn.“ „Na, dann komm wieder, wenn du soweit bist“, lachte sie mir schallend hinterher. Es klang wie eine Ohrfeige. Puh, das war knapp gewesen und ich gerade noch einmal gerettet. Wo war ich hier gelandet? Ich taumelte ein Stück weiter in die Dunkelheit. Eine Kirche, ich las die Inschrift. Was? Auf der Reeperbahn gab es eine katholische Kirche? Wie konnte so etwas sein, hier, auf der sündigsten Meile der Welt? Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Neugierig und in der Hoffnung, dass mir dort oben nichts passieren würde, stieg ich die Stufen hoch. Die Tür war natürlich verschlossen. Klar, am Abend, das musste sicher auch so sein, dachte ich. Eine Gruppe japanischer Touristen zog unten auf der Straße an mir vorbei. Von hier oben hatte man einen guten Ausblick. Langsam wurde ich ruhiger und sicherer. Rechts verlief die Hauptstraße, ich musste also noch einmal durch die Menschenmenge zurück und zwischen die Bordelle entlang gehen. Dass ich fast geradezu in einen Puff hineingelaufen war, hatte ich inzwischen herausgefunden. Die Aufschrift auf der Tür war nicht zu übersehen. Ich dachte an meinen Vater. Es schien doch etwas an den Warnungen dran zu sein, hier abends nicht allein herumzustromern. Wo lag nun das Hotel? Das war jetzt die Preisfrage und von der richtigen Antwort hing einiges für mich ab. Ich atmete durch. Langsam setzte ich mich in Bewegung und versuchte mich bewusst durch die Menschenansammlung zu manövrieren. Es klappte. Ich stand plötzlich wieder an der lichtdurchfluteten funkelnden lauten Straße und sah nach oben. Das Straßenschild gab mir den Rest. Große Freiheit, las ich und schluckte. Da hatte ich wieder einmal meinem Vater eine Erfahrung voraus, wobei, der war sicher schon mal hier gewesen, aber halt nicht mit mir. Ich beschloss, mein Geheimnis für mich zu behalten. Langsam schlenderte ich an den Kneipen und Sexlokalen vorbei. In einer dunklen Nische stand ein Junge, ungefähr so alt wie ich und starrte vor sich hin. Ich ging weiter. Das Bild hielt mich auf geheimnisvolle Weise fest. Abrupt machte ich wieder kehrt, ging auf den Jungen zu. Hey, den könnte ich nach dem Weg fragen, dachte ich, gab damit meinem merkwürdigen Verhalten einen vernünftigen Grund. „Du, entschuldige, wo liegt das Mercator Hotel?“ Er sah müde aus. „Hier nicht, bist du Tourist?“ Er grinste. „Ich bin mit meinem alten Herrn da, aber der trifft Geschäftsleute und ich hab mich wohl verlaufen. Ich heiß Max.“ „Conny, bist du aus Bayern, du klingst so anders?“ Ich musste lächeln. „Das ist mir aber ziemlich unangenehm, eigentlich versuche ich ordentliches Hochdeutsch zu sprechen. Ich war heute Nachmittag im Eisstadion und morgen wollen wir den HSV sehen. Wenn nicht gerade Bayern spielt, steh ich auf Hamburg.“ Er lächelte nun auch. „War lange nicht mehr dort. Ist sehr teuer und ich muss Geld verdienen.“ „Hier?“, fragte ich ihn irritiert. „Ja, du nimmst mir gerade die Kundschaft weg. Ich warte auf Typen, die für einen Jungen bezahlen.“ Geschockt und verblüfft über seine direkte Antwort starrte ich ihn an. Gehört hatte ich davon. So wie es Frauen gab, die auf den Strich gingen, so gab es auch Jungen, die das taten. In München war das keine Seltenheit, aber ich hatte noch nie Kontakt zu solchen Jungen gehabt. „Verdienst du viel und wie läuft so etwas ab? Ich hab davon gehört, aber es noch nie gesehen, geschweige denn, selbst erlebt?“, fragte ich. Meine Neugierde siegte. Die Vorsicht flog gerade mit dem nächsten Luftzug um die Ecke. Was konnte mir schon passieren, Conny war nicht viel älter als ich. „Ich bin Siebzehn und du?“, setzte ich nach. „Ich auch, und ich mach das seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Meine Mutter hatte einen Typen nach Hause gebracht, der vermöbelte mich und da bin ich abgehauen. Aber von irgendwas musst du leben. Ein Freund hat mir den Tipp gegeben. Ich bin schwul, weißt du, sonst kann man das auch nicht.“ Whow. Das war ehrlich. Ich fühlte mich ihm sofort wie einem Freund verbunden. Ein unsichtbares Band hatte sich spontan um uns beide geschlungen. „Wahnsinn. Das bin ich auch, obwohl ich zusätzlich eine Freundin hab. Aber ich kann mit ihr noch nichts anfangen. Ich muss erst operiert werden.“ Wir sahen einander in die Augen, er verstand mich nicht. Ich erzählte ihm meine Geschichte. „Deshalb sprichst du noch wie ein Knirps. Du siehst auch aus, wie einer. Die Freier stehen auf so etwas. Was ist das in deiner Hose, das ist doch nicht echt?“ Ich schüttelte den Kopf. Stellte mich dicht neben ihn in die Dunkelheit. „Nein, ist ‘n Dildo, aber ein guter. Ich zieh ihn wie eine Unterhose über und er hat ein Reservoir zum pinkeln, das kann ich im Stehen ablassen. Das weibliche Teil, die Klitoris, liegt darunter und bleibt auch nach der OP am Platz. Da krieg ich meine Orgasmen draus. Nur der Dildo kommt weg und die Innereien. Aus dem Unterarm bauen sie mir einen Schwanz an die Harnröhre und dann kommt da eine Pumpe rein, damit das Ding steht. Ich hab heute meine erste Testosteronspritze bekommen. In drei Wochen ist die nächste fällig und danach krieg ich auch einen Stimmbruch.“ Conny schaute mich fasziniert an. Er legte wie von selbst seinen Arm um meine Hüfte. Eng schmiegte ich mich an ihn. Schweigend standen wir so nebeneinander. Er hatte sich an die Mauer gelehnt, ein Bein nach hinten angewinkelt. Ich tat es ihm gleich. „Hey, du stehst jetzt wie’n Stricher. Wenn ein Freier vorbeikommt und dich anmacht, bin ich die Kohle los. Du wirst garantiert nachgefragt.“ Ich gluckste. „Ich will gar keine Konkurrenz für dich sein, ich hab genug Taschengeld. Hier, was kostest du für so einen Freier?“ Ich zog meinen fünfzig Euro Schein hervor. „Das reicht dicke, komm“, lachte er und schob mich in den Hausflur. Ich gab ihm das Geld. „Ich will nicht mit dir poppen, oder doch, aber nicht für Knete“, wehrte ich ab. „Okay, lass es uns anders machen. Ich kenne einen Typen, der ist ganz geil auf so einen Babyarsch wie dich. Du hast sicher auch noch kein einziges Haar auf der Brust. Lass uns zu ihm gehen. Er bezahlt gut. Du gibst mir das Geld. Vielleicht ruft er auch noch ein paar Freunde an. Du hast deinen Spaß und wenn ich genug mit dir verdient habe, nimm ich dich mit zu mir.“ Das hörte sich so verrückt an, dass es nicht wahr sein konnte und doch war vielleicht etwas Wahres dran. Ich dachte nicht weiter nach, sondern gab ihm meine Hand. Wir liefen einfach fort in die Nacht hinaus, über dunkle Hinterhöfe. Ich stolperte, als Bordsteinkanten und Äste mir den Weg versperrten und fiel dabei fast über eine Mülltonne. Es existierte plötzlich nur noch dieser eine Augenblick. Ich war ein Junge und ließ mich von einem anderen Jungen immer weiterziehen. Unbekanntes. Fremdes. Pass auf, dir droht Gefahr, flüsterte eine Stimme in mir. Ich ignorierte sie. Vater, Mutter, ihre mahnenden Worte, sie verschwanden allesamt hinter den Silhouetten der Häuser. Vor einem Hinterhof hielten wir an. An die Dunkelheit gewöhnte ich mich langsam und erkannte schemenhaft ein altes mehrstöckiges Haus. Wir betraten den Flur. Es roch fürchterlich nach Pisse. Conny schob mich die Treppe hoch, klingelte dann an einer Tür. Ein Mann im schmutzig grauen Unterhemd und mit Alkoholfahne öffnete. „Hallo, Kai, ich bring dir Frischfleisch“, hörte ich Conny sagen. Der Mann war untersetzt, sah schmierig aus und besaß einen Bierbauch. Er musterte mich von oben bis unten, strich mit der Hand über meine Wange und fasste auf meine Hosenwölbung.

„Er ist ‘ne Transe und noch nicht operiert. Aber schwul und hat schon mit Jungen gepoppt“, erklärte mein Kumpel. Es war, als bot er mich dem anderen an. „Kommt ‘rein“, meinte der und duldete keinen Widerspruch. „Willst du etwas trinken?“, fragte er mich und noch ehe ich antworten konnte, goss er mir ein Glas voll. Ich mochte nichts sagen. Eigentlich schmeckten mir die harten Sachen immer noch nicht und ich trank nur Bier und Cola. Aber ich wagte nicht abzulehnen. Brr. Eklig. Der Schnaps war Fusel und mein Magen brannte, als er die Speiseröhre runter lief. Kai streichelte über meinen Kopf, sah mich verklärt an und zog mich an sich. Ich saß plötzlich auf seinem Schoß. Seine Hände fuhren vor meinen Dildo und danach drehte er mich so, dass ich halb über seinem Arm auf dem Bauch lag. Ich war wie versteinert, aber auch geil. Ich fühlte meine Klitoris anschwellen. Seine Hand steckte in meiner Hose und seine Finger streichelten die Arschbacken. „Geh ins Bad und pinkel und dann kommst du ins Schlafzimmer“, raunte er mir leise ins Ohr und küsste meine Wange. Ich tat wie in Trance, was er wollte. Als ich mich aufs Bett legte und mir die Jeans auszog, sah ich, wie er Conny dreißig Euro gab. Kai kam und zog mir die Unterhose runter. Sein Atem roch nach Bier, als er mir die Zunge in den Mund steckte. Ich hätte eigentlich spätestens jetzt aufwachen müssen, aber die Situation erschien so abstrus, sie konnte nicht real sein, ich lag bestimmt in meinem Bett und träumte dies alles nur. Ein starker Schmerz holte mich in die Welt zurück. Ich wurde ziemlich heftig auf den Bauch gedreht. Conny stand auf einmal im Zimmer und zog einen Gummi aus der Hosentasche. Kai steckte seinen Schwanz zuerst in den Gummi und dann, während Conny mich beruhigend aufs Bett drückte und mir über den Kopf streichelte, in meinen Arsch. Das tat weh. Er stieß hart zu. Sein ganzes Gewicht drückte schwer auf meinen Rücken. „Entspann, dich“, hörte ich Conny flüstern. Ich versuchte es. Kai kam. Einen Moment später war alles vorbei. „Na also, war doch ganz easy“, sagte Conny und küsste mich. „Wann kommt dein Vater ins Hotel zurück?“ „Gegen Mitternacht oder etwas später, hat er gesagt. Ich soll nicht auf ihn warten.“ Ich stöhnte leicht vor Schmerz. „Das tat so weh, Conny.“ Er saß über mich gebeugt auf dem Bett und seine Küsse ließen meinen Nacken erzittern. „Pscht, ich weiß, daran gewöhnst du dich. Ich bring dich nachher zum Hotel. Ich lüg auch für dich, wenn dein Vater fragt. Vielleicht merkt er gar nicht, dass du weg gewesen bist. Ich brauch die Kohle und du hast genug davon. Hilf mir ein bisschen. Ich liebe dich, Max.“ Seine Stimme klang weich und ich entspannte mich tatsächlich unter seinen liebevollen Händen. Er gab mir ein Bier. Als ich getrunken hatte, führte er auch das Schnapsglas selbst an meine Lippen. „Trink, Max. Das tut gut. Es macht dich frei. Komm, ich besorg es dir, bevor die anderen da sind.“ Er küsste meine Pobacken, öffnete sich die Hose und ließ mich lecken. Ich versank dabei in Ektase. Den Druck, den er auf meinen Darm ausübte, nahm ich als starke Erregung wahr und rieb mich auf dem schmutzigen Bett. Es stank nach Müll, nach Schweiß, nach Alkohol, aber ich kam zusammen mit ihm. „Ich hab einen Gummi genommen, das ist sicherer. Es kann sein, dass ich Aids habe, und ich will dich nicht anstecken. Hier ist ein ganzes Paket. Du musst das immer griffbereit legen. Behalte die Oberhand, wenn sie dich benutzen wollen. Erst die Bezahlung, dann der Gummi. Darauf musst du bestehen. Es ist deine Lebensversicherung.“ Ich schluckte. „Ja, okay, wie viele sind es?“ „Ich weiß nicht. Kai telefoniert. Er hat ein paar Pädofreunde, die auf kleine Jungs stehen. Die meisten kennt er aus dem Knast. Kai hat schon mehrfach deswegen gesessen. Aber er ist dadurch auch eine feste Einnahmequelle für uns. Entspann dich jetzt. Mach den Arsch locker und auch dein Becken. Komm, trink das Bier aus und hier ist noch ein Korn. Spül ihn mit dem letzten Rest Bier einfach runter.“ Dankbar nahm ich ihm das Glas aus der Hand. Der Korn oder was es auch immer war, half tatsächlich. Ich hielt noch einmal hin. Er lächelte und schenkte ein. „Prost“, sagte er. „Ich lass dir die Flasche hier stehen.“ Es klingelte an der Tür. Ich hörte leise Männerstimmen. Ich wollte mich umdrehen und sehen, wer da kam. Aber Conny führte seine Hand vor meine Augen. „Bleib ruhig liegen, dann ist es bald vorüber. Es kann noch mal etwas wehtun. Einige von denen sind nicht gerade zimperlich. Sieh nicht hin. Dann kannst du sie auch nicht beschreiben und sie tun dir später nichts.“ Ich nickte und schob meine Hand in die Richtung in der die Flasche stand. „Kein Problem, ich geb‘ dir, trink nur“, sagte Conny und hielt mir wieder ein volles Glas an die Lippen. Ich kippte gierig. Die Tür öffnete sich, Kai kam mit mehreren fremden Männern herein. „Von jedem dreißig.“ Conny kassierte, während er mir sanft über den Kopf strich. „Bis gleich“, flüsterte er mir zu. Dann ging er raus. Ich war allein mit meinem Freier und nahm einen Gummi aus der Packung. Bewusst vermied ich Blickkontakt und zog ihm zielstrebig das Kondom über. Willig begann ich zu lecken und zu blasen, bis er mir signalisierte, das er soweit war. Ich versuchte Connys Rat zu befolgen und machte mich im Rücken locker. Mit Erfolg. Noch fünf weitere Männer vergingen sich an dem Abend an mir. Ich trank die Flasche Schnaps leer. Conny brachte mich wie versprochen zum Hotel zurück. Wie er es geschafft hatte, mich in dem betrunkenen Zustand unbemerkt in mein Zimmer zu bugsieren, wusste ich nicht. Ich erwachte erst am späten Morgen. Mir war speiübel. Mein Vater klopfte gegen die Tür. Ich meldete mich nur kurz und sagte ihm, dass ich wohl etwas Schlechtes gegessen hätte. Dann musste ich ins Bad. Ich saß zitternd vor der Klobrille, hielt mich daran fest und meine Seele verließ den Körper mehrfach um danach umso heftiger zurück zu kehren und mich erneut durchzuschütteln. Es war nicht nur der Fusel, der den Brechreiz auslöste. Mir wurde bewusst, was ich getan hatte. Ich gab Conny keine Schuld. Auch diese Männer nahmen nur, was ihnen auf dem Silbertablett serviert wurde. Hätte ich mich gewehrt, wäre ich mit meinen Kampfsportkünsten sofort frei gewesen. Nein, ich hatte mitgemacht. Mich Conny als Strichjunge zur Verfügung gestellt und mich prostituiert, so hieß das bei den Frauen und es war bei mir nichts anderes gewesen. Ich kotzte über mich selbst. Der Pfarrer fiel mir ein und ich sah es als verspätete Strafe an, was ich mir angetan hatte. Mit dem langsam nachlassenden Würgereiz kehrte auch die innere Ruhe ein. Gut, das war Hamburg gewesen. Ich hatte den Sumpf kennen gelernt, die andere, die dunkle Seite, dieser Stadt. Ich wollte es. Ja, es geilte mich auf, auf diesem dreckigen Bett zu liegen und von Conny verkauft zu werden. Bei allem Schmerz, Übelkeit und körperlicher Missempfindung, die andere Seite löste Erregung bei mir aus. Der Reiz bestand aus Hilflosigkeit, dem devoten Hingeben und Akzeptieren des unvermeidbaren Letzten. Ich war ihnen ausgeliefert gewesen und wollte es so. Conny hatte es sehr leicht mit mir gehabt. Und ich durfte in die tiefen Abgründe menschlichen Lebens schauen und am eigenen Leib spüren, was es heißt, wie ein Sklave behandelt zu werden. Im Spiegel blickte mich ein sehr blasser Max an. Aber auch ein reiferer. Ich war anscheinend dem Erwachsenwerden ein gewaltiges Stück näher gekommen. Was mich nicht umbringt, macht mich nur härter, dachte ich und lächelte mein desolates Spiegelbild an. Es klopfte wieder an meiner Zimmertür. Rene meldete sich. Ich öffnete ihm. „Whow, hast du eine Kneipe leergesoffen? Du stinkst wie ‘n Penner und siehst auch so aus. Wo bist du gestern Abend gewesen? Da wäre ich gerne mitgekommen!“ Ich gab ihm einen Kuss, aber er drehte angewidert den Kopf zur Seite. „Werde erstmal nüchtern, Kumpel. Was sagt dein Alter dazu?“ „Der hat mich noch nicht gesehen.“ „Warte ab, bis er dich riecht!“ „Rene, du bist mein Freund, du musst mir helfen. Ich brauche einen Kamillentee und ein wenig Zeit. Du gehst jetzt zu meinem Vater und sagst ihm, ich hätte so etwas wie Magen-Darmgrippe und will gerne, bis wir zum Stadion fahren, im Bett bleiben. Es ist alles okay, das gibt sich und bis nachher bin ich wieder fit. Er soll sich keine Sorgen machen.“ Rene grinste. „Aber nur, wenn du mir haarklein erzählst, wie du in diesen bedauernswerten Zustand gekommen bist.“ „Oh, womit hab ich das verdient“, stöhnte ich auf. Rene verschwand. Ich legte mich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Mein Vater kam und zog sie mir wieder weg. „Max, du stinkst nach Sprit, als wenn du in den Abfüllbottich unserer Schnapsfabrik gefallen wärst. Was hast du in dich hineingeschüttet? Das darf Mutter nie erfahren, die dreht mir den Hals um und dir auch, mein Sohn!“ Schön, dass er das genauso sah, wie ich, das ersparte mir die Erklärung und es schweißte uns noch näher zusammen. Ich dachte bei mir, dein sauberer Sohn ist gestern Abend zum Strichjungen geworden, hat sechs erwachsene Männer gehabt und einen Gleichaltrigen, für den er anschaffen musste. Und er hat es auch noch freiwillig getan. Weil er sich geil dabei fühlte. Geil und verkommen, versaut und wie Abfall behandelt. Ich schlaf mit jedem, der dafür bezahlt. Dad, was meinst du, was die Gräfin Wildenstein dazu sagen wird? Aber nein, sie wird es nie erfahren und du auch nicht. Ich werde euch verschweigen, was für ein Ferkel von Sohn ihr habt. „Entschuldige Dad, ich hab mir ein paar Bier gekauft und ein paar Flachmänner. Aus Freude über die erste Testosteronspritze. Das war Scheiße und ich weiß jetzt, dass ich nie Koma saufen mit machen werde. Ich glaube, ich bleib in Zukunft abstinent. Mein Magen verträgt keinen Alkohol. Ich bin jetzt ein Mann und ich werde dir keinen Ärger mehr machen.“ Vater lachte laut auf. „Das hab ich in deinem Alter deinem Opa auch versprochen. Mehrmals! Ach, Max. Wiederholt sich denn alles im Leben? Ich bin auch kein Kind von Traurigkeit gewesen. Das liegt in der Familie. Unsere Ahnen waren Raubritter und feierten legendäre Orgien und Zechgelage auf der Burg. Nur, für dich sollte diese eine Erfahrung heute in Zukunft aber reichen. So, Junior, wer abends saufen kann, kann auch am anderen Morgen arbeiten. Das musst du noch lernen, oder die Finger wirklich vom Schnaps lassen. Ich erwarte dich pünktlich um zwei Uhr unten. Wir fahren zum Fußball und eigentlich wollte ich dir dort ein Bier spendieren und heute Abend einmal mit dir einen Sankt Pauli Bummel machen. Reiße dich nachher am Riemen. Natürlich wirst du nur Cola trinken. Du wirst noch viel zu lernen haben, bevor du dich als Mann bezeichnen darfst.“ Er wuschelte mir übers Haar. „Nur gut, das du gestern Abend nicht dabei warst, sonst wäre ich jetzt deinen Eltern gegenüber in Erklärungsnot“, sagte mein Vater zu Rene. „Bis später, ihr Banditen.“ Als er gegangen war, schob mir Rene den Kamillentee in den Mund. „Er ist weg und jetzt erzähl, aber wehe du verschweigst mir etwas!“ Ich sah ihn mit kleinen Augen an. Renes wurden immer größer, als ich ihm von meinem Ausflug berichtete. Conny und sein unmoralisches Angebot kamen zur Sprache. Entsetzt starrte er mich an. Zur selben Zeit verriet sein Blick Bewunderung. „Geil“, mehr kam nicht und konnte wohl auch nicht kommen. „Ich bin hier aufgewachsen und hab in all den Jahren noch keinen leibhaftigen Stricher kennen gelernt. Ja, ich bin noch nicht einmal auf der Freiheit gewesen. Und du kommst aus Bayern für ein Wochenende hier rauf und verdienst gleich Geld mit deinem Arsch. Kannst du mich diesem Conny nicht mal vorstellen? Vielleicht wäre das auch etwas für mich. Allerdings will ich die Hälfte vom Verdienst behalten!“ Er sprach mit vollem Ernst. „Eh, Rene, komm runter. Ich hab wie ein Stricher angeschafft. Das tat weh im Arsch.“ „Was tut nicht weh? Hunger auch.“ „Du musst nicht hungern, deine Eltern verdienen genug.“ „Das sagst du. Was hast du gespürt als du auf dem Bett lagst? Warst du wirklich richtig geil?“ „Ja! Lass uns bitte das Thema wechseln. Ich muss meinen neuen Job erst verkraften. Du wirst nie irgendjemand etwas erzählen, hast du gehört!“ „Eh, Alter. Für was hältst du mich?“ Wir neckten uns noch etwas weiter. Mir fielen zwischendurch die Augen zu. Rene spielte an meinem Laptop herum. Er kannte das Passwort. Ohne sich um mich zu kümmern, geilte er sich so auf den schwulen Seiten auf, dass er sich auf das andere Bett legen und onanieren musste. An mir hätte er keine Freude gehabt. Ich schnarchte inzwischen meinen Rausch aus. Um halb zwei rüttelte er mich wach. Ich rülpste und kroch auf allen Vieren ins Bad. „Gib mal eine Cola. Mann, hab ich ‘nen Durst.“ Ich drehte die Dusche auf lauwarm. Rene kam rein, stellte die Colaflasche ab und drehte mir das Wasser auf eiskalt. „Öh, Uarrr, was tust du da, Alter, willst mich umbringen?“ „Ne, nur wach machen. Sieh zu, Max. Um zwei Uhr wartet dein Vater unten. Ich freu mich auf das Spiel und dein Alter ist ‘n netter Typ.“
Irgendwie schaffte ich es, nichtsdestotrotz vielleicht auch dank der kalten Dusche von Rene, einigermaßen fit angezogen um kurz vor Zwei pünktlich mit ihm unten im Foyer des Hotels zu stehen. Vater grinste als er mich sah. Er erinnerte sich wohl an seine eigene Jugend. Es musste ziemlich wild zugegangen sein und Jacob hatte mir erzählt, dass sein Vater auch entsprechende Andeutungen gemacht hätte. Die Grafen von Wildenstein machten ihrem Namen wohl stets alle Ehre. Im Stadion blühte ich wieder auf, was nicht zuletzt der frischen hanseatischen Luft zu verdanken war. Ich hatte einen immensen Nachdurst und trank fast den ganzen Colastand leer. Inzwischen konnte ich auch wieder etwas essen. Vater gab eine Wurst aus und hinterher fuhren wir, nach dem Hamburger Sieg, zusammen mit den Fans in der U- Bahn zum Heiligengeistfeld. Der Frühjahrsdom hatte gerade einen Tag zuvor seine Pforten geöffnet. Um acht Uhr standen wir mit meinem Vater in einer Getränkebude und prosteten uns zu. Ich bekam mein erstes offizielles Bier von ihm und genoss es. Danach spazierten wir über die Reeperbahn, besuchten einen Sexshop und Vater spendierte uns jeder ein Video, damit wir wussten, wie das praktisch mit den Frauen ablief, meinte er und grinste dabei. Rene und ich sahen uns entgeistert an. Der ahnte tatsächlich nichts. Mein Gott, Dad, wir waren siebzehn Jahre alt und keine Babys mehr. Aber wir bedankten uns artig und spielten die Unschuldslämmer vom Lande. Vater zeigte auf den Eingang zur berühmten Herbertstraße und erlaubte uns einen kurzen Blick hinein. Er traute sich nicht, ganz mit uns durchzulaufen, weil wir beide ziemlich hoch in der Stimme sprachen und unsere erwachsene männliche Erscheinung noch etwas zu wünschen übrig ließ. Doch in der Freiheit stellten wir uns für die Travestieshow an. Vater lachte sich halb tot über die Damen, die eigentlich Herren waren. Rene und ich fanden die Witze auch lustig, aber wir bemerkten noch viel mehr. Wir und diese Frauen, auch wenn sie teilweise nur als Transvestiten auftraten und ihr männliches Körperteil behalten wollten, hatten etwas gemeinsam. Wir fühlten wie sie und achteten sie mit Wärme und Menschlichkeit. Für die Zuschauer war das Ganze nur ein Jux und Geblödel. Nicht für uns. Und für die Frauen auch nicht. Ein Teil ihrer Seele verschmolz mit der Weiblichkeit, die sie darstellten und wir wussten, dass die meisten gar keine Rolle bei ihrem Auftritt spielten, sondern dabei erst richtig sie selbst wurden. Wir hätten ihnen gerne erzählt, dass wir genauso waren wie sie, und uns nur durch eine kleine Nuance von ihnen unterschieden: Den letzten Schritt nämlich, den Wechsel ins andere Geschlecht auch im täglichen Leben vollziehen zu wollen und nicht nur abends auf der Bühne zu leben. Niemand merkte, dass wir untenrum anders aussahen, als die biologischen Männer neben uns. Nach der Show gab Vater noch ein letztes Getränk aus und spazierte mit uns zurück zum Hotel. Ich dachte an Conny. Seine dunkle Nische lag nur einen Wimpernschlag weiter in die andere Richtung. Ich hätte ihn gerne noch einmal getroffen und ihm gesagt, dass es mir gut geht und ich alles, was gestern Abend geschah, freiwillig getan hatte. Ihn traf keine Schuld. Warum ich so dachte, konnte ich mir nicht erklären. Wahrscheinlich hatte mich Conny längst als Abenteuer abgehakt und vergessen und würde mich gar nicht wieder erkennen, wenn ich plötzlich vor ihm stand. Sein Bild hatte sich jedoch in meinen Kopf und auch in mein Herz eingebrannt. Ich wusste, ich würde ihn irgendwann wieder sehen. Es war nur eine Frage der Zeit. Im Hotel verabschiedeten wir uns von meinem Vater und schmunzelten. Wir wollten die DVD’s anschauen, die er uns geschenkt hatte. Rene grinste später im Zimmer, als wir zusammen im Bett lagen und die Filme geladen hatten. Auf unseren Hubiwebsites ging es wesentlich spannender zu. „Dein Alter ist ein lustiger Typ. Schau dir mal diesen Quatsch an und dafür nehmen die auch noch Geld“, meinte Rene. Ich lachte genauso über die Bilder, die vor unseren Augen abliefen. „Wenn ich bedenke, was ich gestern Abend live erlebt habe, ist das hier der reinste Kindergarten“, sagte ich. „Wir werden im Laufe des Jahres mal versuchen, Conny wieder zu treffen. Ich bin im April Siebzehn und du bist ein halbes Jahr älter. Ich darf bestimmt bei euch übernachten, wenn ich Termine bei Herrn Reimers habe. Er wird uns noch eine Weile begleiten.“ „Ja, klar, kannst du das. Mein Zimmer ist zwar kein Schloss und wir leben in einer Mietwohnung, aber meine Mutter wird dir gefallen und der Doc bleibt uns bis nach der OP auf jeden Fall erhalten. Der will auch wissen, wie wir uns weiter entwickeln und was aus uns wird.“ Ich klatschte Rene auf den Po. „Oh ja, es wird ihn interessieren, dass seine beiden Jungs auf den Strich gehen. Was meinst du, was er dazu sagen wird?“, fragte ich meinen Freund. „Hihi, der kriegt genauso einen Herzinfarkt wie unsere Eltern. Hast du die geilen schwulen Klamotten gesehen, in dem Laden? Ich möchte da einmal einkaufen.“ Ich grinste. „Ich bin am 5. Mai wieder hier. Ich werde fragen, ob ich bei dir übernachten darf, wenn deine Mutter nichts dagegen hat. Und ich hab noch Geld auf dem Konto, über das ich frei verfügen kann. Wir gehen shoppen und am Abend laufen wir als Stricher auf den Kiez und suchen Conny. Der wird Augen machen. Aber du darfst nicht kneifen, wenn es ernst wird und du mit einem Freier mitgehen musst“, sagte ich und versuchte meiner Stimme einen Klang zu geben, der keinen Widerspruch duldete. Dem Sexartikelgeschäft wollte ich auch einen Besuch abstatten, um mir etwas Geiles zum Anziehen zu besorgen. Es gab in Hamburg viele Schwulenclubs und ich dachte daran, einen mit Rene zu besuchen. Aber, ob ich mich Conny noch einmal zur Verfügung stellen wollte, war mir noch nicht klar. Irgendwie fehlte mir doch der Mut dazu und vor allem dachte ich an den körperlichen Schmerz, als mich die Männer benutzten. Traum und Realität waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Das würde Rene sicher auch noch erfahren. Wir schliefen gegenseitig miteinander und probierten neue Stellungen aus, die wir im Internet gesehen hatten. Am nächsten Morgen fuhren wir mit meinem Vater noch einmal nach Stellingen, allerdings in die Eishalle. Das Eishockeyspiel war nicht so hochklassig, aber schön und danach aßen wir mit Rene zu Mittag. Er brachte uns zum Flughafen. Mein Vater drückte ihn fest. „Rene, ich freu mich auf die Sommerferien, du kannst die kompletten sechs Wochen bei uns bleiben. Max muss anfangs zwar noch zur Schule, aber dir kann es auch nicht schaden, wenn du mal ein bayerisches Gymnasium kennen lernst. Das bespreche ich alles mit dem Direktor vorher. Ich bin gespannt, wie es dir bei uns gefällt.“ „Danke, ich freu mich auch. Max, altes Haus, grüß Andy und denk‘ an mich. Du weißt schon.“ Wir umarmten uns. „Mach‘s gut, Strichjunge“, flüsterte er mir zum Abschied ins Ohr. „Das wirst du auch bald sein. Dafür sorge ich“, raunte ich zurück. Es war noch nicht aller Tage Abend. Meine nächste Reise nach Hamburg würde uns so viel Freiheit lassen, dass wir wirklich nach Conny Ausschau halten konnten. Gott, was hatte ich in den letzten zwei Tagen alles erlebt. Irgendwie war es gut, wieder in den allgemeinen Trott und Alltag zurück zu kehren. Die Erinnerung an meine heiße Nacht würde mich lange nicht mehr loslassen. Ich war mit Rene übereingekommen, Andy nichts von meiner Stricherfahrung zu erzählen. Vorerst jedenfalls.
 



 
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