Noch ist Zeit

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Walther

Mitglied
Noch ist Zeit


Es spielt der Wind mit meinen grauen Haaren.
Die Schatten waren kurz. Nun sind sie lang.
Die Stimme hat noch immer festen Klang.
Nur mit den Kräften muss ich langsam sparen.

Er ist noch da, der ewig junge Drang,
Sich anzuschmiegen und lustvoll zu paaren.
Er wurde etwas kleiner mit den Jahren:
Das Leben ist nicht länger Überschwang.

Jetzt sagen manche hier: Du wirst erfahren,
Der Souveräne kontrolliert. Der Zwang
Macht dumm. Erfahrung schafft den klaren

Und klugen Überblick. Im Übergang
Mischt sich die leise Trauer mit dem raren
Erkennen: Noch ist Zeit. Sei nicht so bang.
 

Walther

Mitglied
Hallo Marie-Louise,

in der Tat kann man an dieser Zeile "Anstoß nehmen". Man könnte Deinen Vorschlag übernehmen. Die Strophe lautete dann:
Er ist noch da, der ewig junge Drang,
Sich anzuschmiegen, lustvoll sich zu paaren.
Er wurde etwas kleiner mit den Jahren:
Das Leben ist nicht länger Überschwang.
Ich hatte diese Version tatsächlich bereits überlegt und dann verworfen. Je länger ich aber drüber nachdenke, wiegt der Vorteil der Umgangssprache der jetzigen Version den Vorzug des besseren Rhythmus dieser Version nicht auf.

Danke für den Hinweis. Wird geändert.

Lieber Gruß W.
 

Walther

Mitglied
Noch ist Zeit


Es spielt der Wind mit meinen grauen Haaren.
Die Schatten waren kurz. Nun sind sie lang.
Die Stimme hat noch immer festen Klang.
Nur mit den Kräften muss ich langsam sparen.

Er ist noch da, der ewig junge Drang,
Sich anzuschmiegen, lustvoll sich zu paaren.
Er wurde etwas kleiner mit den Jahren:
Das Leben ist nicht länger Überschwang.

Jetzt sagen manche hier: Du wirst erfahren,
Der Souveräne kontrolliert. Der Zwang
Macht dumm. Erfahrung schafft den klaren

Und klugen Überblick. Im Übergang
Mischt sich die leise Trauer mit dem raren
Erkennen: Noch ist Zeit. Sei nicht so bang.
 
H

Heidrun D.

Gast
Dieser Text gefällt mir (nach der kleinen Veränderung) von den letzten drei Sonetten am besten. Diesmal ist dir ein sehr eleganter & schöner Übergang zwischen den Terzetten gelungen, der mir persönlich immer besonders wichtig ist, gleichsam als Gipfel der Sonettkunst erscheint.

Chapeau
Heidrun

P.s. Trotzdem könntest du auch mal wieder was Ungereimtes versuchen ... ;)
 

Walther

Mitglied
Hallo Heidrun,

danke für Deinen Kommentar. Das Lob erfreut. Formal ist das sicherlich das beste Sonett, das ich seit langem gepostet habe, denn es ist ein echtes "Platen" Sonett. Diese Form war einmal das höchste der Gefühle: abba baab aba bab, mit wechselnden Kadenzen, fünfhebiger Jambus.

Es klingt einigermaßen und hat eine in sich stimmig entwickelte "Message". Geht doch, sagte ich mir, als es fertig war. :D

Naja, manchmal, sage ich heute. Mit der Distanz wird man (selbst)kritischer.

Oft wirkt das Sonett - so streng - eher "gezwungen" und in die Form gepreßt, der Inhalt tritt häufig hinter der Sprachdrechselung zurück. Das hat seine Zeit auch von Platen vorgeworfen. Wobei hier eines gesagt sei: An seine Meisterschaft komme ich natürlich bei weitem nicht heran. Es sei nur der Vollständigkeit vermerkt, wo die Problempunkte des Formalismus liegen: Form erschlägt Inhalt, heißt es am Ende nicht selten. Es ist also Vorsicht geboten.

Hier, glaube ich wenigstens, bin ich diesem Teufel gerade noch von der Schippe gesprungen. Aber auch nur gerade noch. Kurz: Man kann es springen lassen, was nicht heißt, daß das nicht noch besser ginge. Besser geht immer. Das ist jedenfalls meine Maxime. Wenn nur das "schlechter" nicht so leicht fiele... ;)

Vers libre? Mache ich immer wieder, einige Sachen sind im Vorserienstadium. Im Moment liegt mir das Reimzeugs mehr. Das sind - bei mir wenigstens - immer Phasen. Aber danke der Nachfrage, Lieferung zu einem späteren Zeitpunkt sei hiermit angedroht. :)

Alles Gute und Grüße

W.
 



 
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