Not und Hoffnung

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Anonym

Gast
sprachlosigkeit - sie ist der schlimmste Abgrund, der ständig lauert und gegen den ich seit Jahren angekämpfen muß. Welche Rolle spielen wir in dieser Zeit, wie können wir unsere Rolle erkennen und bewußt ergreifen?
Wozu führt es, wenn wir uns nur tagtäglich von den notwendigsten Notwendigkeiten durch den Alltag ziehen lassen, um unser Brot zu finden und die Rechnungen zu bezahlen?
Vielleicht ist es so, daß wir alle in einen Kampf um geistiges Überleben oder geistigen Untergang hineingeworfen sind. Viele, denen es jetzt seelisch und materiell gut zu gehen scheint, stehen vielleicht irgendwann durch Krankheit oder Not eines Nahestehenden vor einer Hilflosigkeit, auf die sie keine Antwort zu geben vermögen, und der sie doch nicht ausweichen können, die sie in ihrem Lebensmut oder ihrem Selbstbewußtsein an den Rand der Existenz zu drängen scheint.
Die Tagung hat mich einerseits stummer gemacht, die Reflexionsrunden, Plenumsgespräche habe ich als abstrakt, dünn, teils zu intellektuell bis affektiert erlebt und ich frage mich, welche Nutzen können die ganzen Meinungsaustauschrunden für uns haben. Andereseits habe ich auch ein starkes Bemühen, einen starken Willen zum Guten, zu einer gemeinsamen Erkenntnis, zu einem gemeinsamen Fortschritt erlebt. EIn Ort, an dem sich Menschen getroffen haben in dem Wunsche und dem Bemühen, die Fragen der Menscheit, der Welt zu beantworten, die Herausforferungen des Arztseins anzunehmen. Es ist außer Frage, daß die schulmedizinische therapeutische Situation eine unbefriedigende ist für alle Seiten, wie auch die ganze gesellschaftliche Situation teils chaotisch ist. Überall kann man gewahr werden eines Aufbäumens von Veränderungswillen, aber so oft fehlen die richtigen Ideen, die Möglichkeiten, die richtige geistige Orientierung.
Meine Sprachlosigkeit in der Gruppe spiegelt auch eine Sprachlosigkeit in der eigenen Familie wieder, es erscheint mir wie eine unausweichliche Aufgabe, gegen diese Sprachlosigkeit anzugehen. Es ist, als ob die Quellen, die vielleicht einst meine Lebendigkeit und meine Orientierungsfähigkeit gespeist haben, vertrocknet sind, jedenfalls sind sie nicht mehr auffindbar und es bietet sich zunächst nur meine eigene Arbeit als Ersatz, als Möglichkeit an, diese Leere zu füllen, zu gestalten.
Ich habe die angenehme Erfahrung von vielen sehr offenen und lieben Menschen gemacht, das allein ist schon etwas ungeheurer mutmachendes, und in unserer derzeitigen gesellschaftlichen Situation vielleicht auch ganz seltenes, auserwähltes, vielleicht einzigartiges. Wahres Menschentum könnte man es nennen, das sich in dieser völlig freilassenden, das positive suchenden Art ausdrückt. So erscheint die Psychotherapie wie eine allgemeinmenschliche Aufgabe, die stellvertretend die Therapeuten übernehmen, und die letztlich eine Heilung der Menschheit sein soll, eine Erfüllung unserer menschheitsgeschichtlichen, unserer geistigen Entwicklungsaufgabe.
Gibt es etwas, was ich gesollt hätte und was ich versäumt habe zu tun, aus einer Befangenheit heraus, oder vielleicht aus einer Eitelkeit heraus, wem bin ich Rechenschaft schuldig wenn nicht mir? Ist nicht der Bewußtseinsalltag unentwegt begleitet von negativen Interpretationen, von Selbst- und Fremdverurteilungen, die scheinbar so gerecht und nötig sind, aber doch in sich so viel Störung, Bremskraft tragen, die uns ständig den Mut nehmen wollen, uns ständig Verzweiflung einflößen, Resignation, die sich in Wahrheit gar nicht zwingend aus der Sache ergibt. So wie einem auf dem Sprungbrett tausend Gründe einfallen, den Sprung zu verschieben.
 

Schakim

Mitglied
Ein guter Text!

Nur finde ich es eine Zumutung, wenn soviel Tippfehler den Weg des Lesers säumen!

Jemand, der sich über das Leben, über das Leben anderer und den Vergleich zum eigenen Gedanken macht, kann sich in der "Sprachlosigkeit" verlieren und sie dann zum Ausdruck bringen. Andere haben kaum einen Grund sprachlos zu werden, denn sie machen sich schon gar nicht die Gedanken ...

Schöne Weihnachten!
Schakim
 



 
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