Orangenhaut und anderes Blattgemüse.

pleistoneun

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Es war einer der Tage, an denen man froh ist, dass sich die Wimmel-Chinesen endlich aus ihrem Land trauten. Sonst wären dort wo heute Asienläden und Chinarestaurants mit den wunderbar verschnörkelten Portalen prangen, Eissalons mit Eis aus italienischen Billigkonserven querverkehren. Mit dieser unsäglichen Freude über die ostkulinarische Verdrängungsflut und dem ewigen Lächeln auf den Lippen geht man runter in den Asienladen und kauft leckere Orangenhaut aus dem thailändischen Phuket, steht zumindest auf der Packung und auf dem weißen Stirnband des Ladenhüters. Der Ladenhüter war nicht das Produkt. Jawohl, Orangenhaut. In der Arbeit haben alle sehr entsetzt aus der 40-Grad-Wäsche geschaut, als ich mir das auf die Semmel geschmiert habe, dabei sind es doch eigentlich nur scharf eingelegte, abgestorbene Hautreste mit Orangengeschmack. Über Limettenhaut hätte sich niemand gewundert, aber die schmeckt unerträglich ausgelutscht, wenn man sie haut, die Haut, die Limettenhaut. Aber Orangenhaut haut man nicht, nein, die presst man aus und wenn sie noch etwas Blut in sich hat, dann sogar bis auf den letzten Tropfen. Aber der Chinese im Laden wusste was ich mit dem leckeren Leimpickel vor hatte und zwang mir die Osttheorie über den Glauben an Orangen ohne Haut auf. Dort glaubt man doch tatsächlich, dass Orangen eine Schale hätten und keine Haut und obendrein soll die Orangenhaut in unseren Breiten eine Art dermatologischer Fehltritt der Natur sein, gegen den es zwar Strumpfhosen geben soll, vermutlich aus Billigkonserven, aber davon will ich noch nie etwas gelesen haben. Klang jedenfalls eindrucksvoll. Nicht das ich es deswegen jetzt glaube, aber vielleicht les ich ja demnächst auch über ein Hilfsmittel gegen Pupillenknick, also Netzhautstrümpfe, hm? Zur Orangenhaut sagt man auch Pelle, namensgleich der italienischen Tagliapelle, das sind bandwurmähnliche Nudelgerichte, auf denen niemals Anwälte zu sehen sind. Das ist Italien, also Paris mit Bauchfleisch ohne Beilage.

Es gibt dann auch diese anderen, von denen man immer nur gehört, nie jedoch gesehen hat. Diese stadtbekannten Orangenfalter mit quittegelber Ananasfrisur sitzen dann im trüben Licht einer verendenden Glühbirne und betrachten die Ausbreitung der Orangenhaut auf ihren Unterarmen. Daneben wiehert der Apfelschimmel ungebührlich aus dem Stall, und lässt diese stadtbekannten Orangenfalter schnell wieder ihre Karottenhosen anziehen, um die Pferdeäpfel auf den Mist zu bringen. Was bleibt diesen Menschen auch sonst noch zu tun? Womöglich waren sie einst leitende Chefredakteure einer lokalen Zitronen- oder Orangenpresse, die krumme Dinge aus Bananenrepubliken recherchierten, wo aufständische Obstfliegen Granatapfel-Attacken zum Opfer gefallen waren? Tief betrübt sitzen diese Menschen am Tisch und trinken ein Glas Wassermelone und drehen sich einen Joint mit Johanniskraut. Zeit zu gehen, Zeit zu fliegen, wie einst die Tollkirschen im Garten bei Tante Birne Helene.

Und immer, wenn ich dann orangenhautknabbernd im Garten sitze, habe ich das Gefühl, als hätte mir jemand einen Büchsenvorrat Orangen in einem Raketenrucksack auf den Rücken geschnallt, wo mir dann immer der Duft des Südens in die Nase steigt, ganz ohne Kletterseil. Ich liebe frischgeschälte Orangenhaut, vor allem aus Sizilien, falls es das noch gibt.


Orangen sind rund, Orangen sind schmackhaft,
sie sind süß oder sauer und orange.
Orangen sind orange.
Orangefarbene Orangen.
Obst.
Orangen sind Orangen und sind Obst.
Man nennt sie auch Zitrusfrüchte.
Orangen haben eine Haut.
Auch diese Haut ist Obst.
Auch diese Haut.
Orangenhaut ist orange
und schützt die Orange.
Ohne Haut kein Leben.
Kein Orangenleben.​
 



 
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