Rheingau

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Plejadus

Mitglied
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Sie hockte am Rhein und ich fragte sie:
"Worauf fischt Du denn?"
Und sie antwortete:
"Auf Spermien, ich fische auf Spermien, mein Junge. Auf große, haben keine Gräten.
"Mit Wurm?"
"Nein, das wäre ja irgendwie ... obskur, findest Du nicht? Bist Du mehr der obskure Typ?"
Ein Lächeln begleitete ihre Frage wie ein kleiner Hauch den Sommertag.
Die Sonne glitzerte matt auf dem sich träge dahin wälzenden Wasser, als es an der Spitze ihrer Rute zuckte.
"Da ist was dran!", sagte ich, und mir war, als hätte ich noch nie etwas Überflüssigeres bemerkt.
"Es hat noch nicht zugebissen", flüsterte sie, das Ende der Angel fest im Blick, die Hand an der sacht gespannten Sehne, "es testet, manchmal sind sie voller Misstrauen und wähnen, die Zelle sei ein Fake, besonders die großen. Manchmal nicht."
Ohne den Blick vom Geschehen abzuwenden, deutete sie auf einen Eimer, der neben ihrem Klappstuhl stand: "Schau ruhig hinein!"
Ich schob den Plastikdeckel zur Seite. Der Eimer war halb gefüllt mit ... Einige zappelten noch etwas, andere lagen eingerollt und stille.
"Wow, sind ja schon ganz schön viele", sagte ich und während ich dies sagte, bemerkte ich zwei Schnecken im Gras, die sich angeregt miteinander unterhielten:



"In Dir steckt bestimmt kein komplettes Universum!"
"In Dir etwa?! Wohl kaum. Fühl doch nur hin! Fühlst Du etwas Hartes auf Deinem Rücken?"
"Ja, ich bin eine Nacktschnecke - wie Du. Und ich habe gar nicht behauptet, dass in mir ein ganzes Universum stecke! Aber ich halte es aber übrigens nicht für unmöglich..."
Ach, und wie soll das gehen? Und warum nicht in mir?"
"Seit der Rasenmäher Deine Fühler erwischt hat, brauchst Du Dir diese Frage gar nicht mehr stellen. Mit den Stummeln da kannst Du ja noch nicht einmal spüren, dass Du eine Nacktschnecke bist. Das weißt Du nur, weil ich es Dir gesagt habe. Ich könnte Dir aber vieles erzählen ..."
"Und was bitte hat das mit dem Universum zu tun?"
"Kann ich Dir sagen: Ein Universum fühlt sich stets ganz und gar. Wenn das Universum eine Nacktschnecke wäre - und vielleicht ist dem so - könnte es das nur im Einklang mit dem kompletten Bewusstsein seiner selbst sein - Betonung auf 'komplett'."
"Ach, hör auf. Lass uns Halme ernten, mir flaut der Magen."




"Jetzt!", rief sie , sprang vom Stuhl auf und riss dir Angelrute mit scharfem Schwung nach hinten. Die Rute bog sich stark durch. In geübtem Rhythmus zog sie an und spulte auf: "Ein Fettes!"
Und während sie spulte, zog und kämpfte, begann sie zu schnaufen, steigerte sich in ein grunzendes Keuchen und Stöhnen und begann heftig zu zittern: "Gleich!"

Da riss die Angelschnur.

"Oh, so ein Pech", kommentierte ich die Situation. Sekunden später streckte mich ein Schlag nieder und mir brannte die Wange wie tausend Sonnen. Als ich mich gefasst hatte, öffnete ich die Augen und sah sie vor mir stehen, die Rute geschultert , im Gegenlicht. In ihrem Gesicht widerstritten sich entgleiste Züge und ergaben doch das chaotische Bild einer zürnenden, entschlossenen Frau,.
"Du", sagte sie mit sich überschlagender Stimme, "Du weißt, was passiert ist?! Du weißt das?! Und Du weißt auch, was als nächstes passieren wird?"

Sie zog ein Fischmesser aus ihrem Gürtel.
Neben mir im Gras lagen zwei Nacktschnecken auf dem Rücken und lachten.




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Hübsch surreal.
Zwar habe ich es lieber, wenn meine Assoziationslinien auch bei nur vage Angedeutetem zu etwas hin und nicht nur kreuz und quer ins Nichts führen, wenn ich also in einem Text so etwas wie einen Kern, einen Kristallisationspunkt und nicht nur die pure Beliebigkeit erkenne, aber trotzdem, vor allem wegen der einfallsreichen Sprünge und Volten: Gern gelesen.
 

Plejadus

Mitglied
Dann scheint es mir hier ja ein wenig gelungen zu sein, deine gewöhnlichen Vorlieben auszutrixen (;
Es ist wohl etwas daran, dass hier ein relatives Nichts rechtsrheinisch mit einigen absurden Klecksereien getarnt wurde. Andererseits sind schon ein paar assoziative Scheinfischchen im Teich desselben verborgen...
Grüßend
- Plej.
 



 
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