Running Gags sind wie Zahnfäule

4,00 Stern(e) 1 Stimme
„Weißt du, was ein Running Gag ist?“ Paul lauerte auf die Antwort.
Noah dachte nach.
„Wenn Tom und Jerry hintereinander herrennen?“
„Nein. Wenn Stan Laurel ständig das Gesicht zum Weinen verzeiht. Oder wenn Obelix die Römer verhaut“, antwortete Paul mit ernstem Gesicht.
Noah guckt ihn überrascht an.
„Wie kommst du auf das Thema? Ich sehe keinen Zusammenhang zu irgendetwas“,
„Ich habe gestern das TV-Programm studiert. Beim Googeln über einen alten Film bin ich auf den Begriff gestoßen.“
„OK, und was regt dich dabei auf?“ Noah wirkte immer noch ratlos. Er zog die Mundwinkel nach unten und hob die Schultern wie bei einer Entschuldigung leicht an.

„Manipulation. Die Filmemacher wollen, dass wir immer über die gleichen Szenen lachen.“
Paul kratzte sich im Nacken.
„Das geht mir langsam aber sicher alles auf die Nerven“, fügte er hinzu.
„Ich blicke immer noch nicht durch. Was willst du sagen? Schalte doch einfach den Fernseher ab.“
Noah war bekannt für seine bodenständige Art. Hier konnte er sie wieder unter Beweis stellen.
„Tue ich ja. Ich gucke kaum noch Fernsehen. Abends suche ich auf dem Kulturkanal nach einem passenden Thema. Ansonsten kann ich bald auf die Kiste verzichten.“
Paul wirkte grimmig, so als ob ihn ein tiefsitzender Groll erfasst hätte.
„Ich denke, die Drehbuchautoren bauen diese Running Gags ein, um die Lacher zu automatisieren. Und die Lacher verleiten die Zuschauer dazu, länger am Gerät zu bleiben.“
Noah versuchte es auf der logischen Ebene. Den Ausdruck „automatisieren“ empfand er nachträglich selbst als etwas sperrig, leicht überzogen. Aber jetzt hatte er die Umschreibung einmal benutzt, und er wollte sie nicht zurücknehmen.
„Und sie versuchen gleichzeitig, Konsumenten für die Werbung im Programm zu halten. Und das nervt mich mehr und mehr.“
Pauls Zorn schien sich zu steigern.
Noah drückte seine Hände beschwichtigend nach unten.
„Hey, hey, komm` mal wieder auf den Teppich. Ich meine, wir wissen doch alle, dass die Wirtschaft von der Werbung lebt. Schalte doch einfach ab.“

Paul wippte kurz mit dem Kopf auf und ab. Er schien seinen nächsten Satz abzuwägen. Dann war er soweit.
„Da ist noch mehr. Ich fühle mich überall manipuliert. In den Filmen, in der Werbung, in den Nachrichten. Ich meine fast, da ist nix mehr echt. Dieses Verdeckte, diese versteckte Einflussnahme scheint sich wie Karies in der Gesellschaft auszubreiten.“
Noah bemerkte, das Paul "nix" sagte anstelle des korrekten "nichts". Außerdem wirkte der Vergleich mit Karies auf ihn überzogen, irgendwie fehl am Platze.
Er überlegte, und er setzte dann noch einmal neu an.
„Also ehrlich, ich weiß jetzt auch nicht mehr, was ich zu dem Thema sagen soll, mein Lieber. Die versuchen halt überall, unser Geld abzuzwacken.“
„Lassen wir es sein Aber ich bin irgendwo innerlich sauwütend. So ist das. Danke für Zuhören. Mach`s gut.“
„Ciao.“
Die beiden gingen auseinander.
 
R

Ray Catcher

Gast
Finde ich gut. Die Eskalation von eigentlich trivialen Running Gags in Konsummanipulation zerstreut durch paar Nichtigkeiten wie 'Nix'. Dann abrupt aufgelöst wie ein furzender Ballon. Hat was!
 



 
Oben Unten