SIE

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Steewee

Mitglied
SIE

Der Morgendunst weckt SIE mit Eiseskälte und führt SIE in dreckig orangenem Straßenlicht durch sterbende Finsternis. Langsam bahnt SIE sich ihren Weg über einen riesigen Hof, vorbei an qualmenden Halbwüchsigen, pöbelnden Angebern, grellbunten Modehuren und rotzenden Bälgern. Niemand bemerkt den stechenden Blick ihrer stecknadelgroßen Pupillen, wie SIE sich mit lederner, gespaltener Zunge ihre rasierklingenscharfen Zahnreihen bleckt. SIE bewegt sich direkt auf das beleibte Mädchen zu, daß sich fest an das Tor presst und sich hinter ihren beschlagenen Brillengläsern zu verstecken scheint. Einen Neue. Vom Land in die Großstadt gezogen. Ihr erster Tag. Wenige Zentimeter vor ihr bleibt SIE stehen und heißt sie willkommen, indem SIE ihr eine Faust in die Brust treibt und das kleine, wild tanzende Herz fest drückt. SIE leckt ihr über das Gesicht und das erstarrte Mädchen vergießt über die sich ausbreitende Wärme in ihrem Schritt eine Träne. Zufrieden läßt SIE ab, überwindet mit einem gewaltigem Satz die Schulmauer und landet wenige Meter neben einer Alten, die angestrengt über den, sich in der Dämmerung verlierenden Asphalt blickt. Von ihr noch unbemerkt, plustert SIE sich zu einem gewaltigem Koloss auf und stürzt ohrenbetäubend brüllend und Funken spuckend auf die alte Dame zu, als diese in ihre Richtung blickt. Erschrocken weicht sie zurück, stürzt und verteilt den Inhalt ihres Korbes auf dem Gehweg. Im Vorbeirauschen kickt SIE den Gehstock auf die Straße und erhebt sich in den schwarzen Himmel, wo SIE wie ein Tornado durch einen Schwarm Wildgänse fegt.
Die graue Wolkendecke hinter sich gebracht, klammert SIE sich an die Tragfläche einer Passagiermaschine. Langsam kriecht SIE über das vereiste Metall zu einem Fenster und drückt ihre kaltblaue Fratze direkt an die Scheibe. Ein verschwitzter, rotgesichtiger Mittvierziger scheint direkt zu ihr zu starren und SIE beginnt kleine Risse in das Glas zu drücken. Schwer atmend ruft er nach einem Flugbegleiter. Zeit zu verschwinden. SIE lässt sich einfach von der Tragfläche fallen, rast auf die Erde zu und landet in einem Vorgarten voll spießiger Einsamkeit. In der Küche brennt Licht. SIE drückt sich durch ein angekipptes Fenster in eines der dunklen Zimmer. Ein Kinderbett. Sehr gut. SIE verbirgt ihre Erscheinung in der Dunkelheit und läßt nur den Blick aus einem weit aufgerissenem Augenpaar über die Bettkante wandern. Die Schreie des Säuglings salben ihre runzligen Ohren. Bevor die Eltern das Kind erreichen, ist SIE längst im Nachbarhaus. Dort hockt ein Junge im Schein einer Schreibtischlampe über einem Blatt Papier und klebt ausgeschnittenes Katalogspielzeug zwischen gemalte Weihnachtsbäume und Sterne. Mit aufgeblähtem Bauch in einem rotem Mantel und das Gesicht hinter einer verfilzten Maske versteckt, tritt SIE lautstark die Tür zu seinem Zimmer auf und fegt mit einem stachligem Dornengeflecht die Arbeit des Jungen vom Tisch. Zitternd springt der Kleine in sein Bett und zieht sich die Decke über den Kopf. Doch schon ist auch SIE beim Bett. Darunter. Fast unhörbar leise zischt SIE seinen Namen. Drohend. Lockend. Der Junge gibt bis auf ein Wimmern keinen Ton von sich. Gelangweilt lässt SIE ab und kriecht in den Lüftungsschacht. Vor dem Verlassen des Anwesens, spuckt SIE noch eine haarige Spinne durch das Lüftungsgitter der Küche und ergötzt sich an den Schreien der Frühstücksgesellschaft.
In der Unterführung zum Bahnhof treibt SIE als kahlköpfiges Scheusal in nagelbewährten Stiefeln einen Südländer zurück ins Heim, einem Obdachlosem bläst SIE eisigen Wind in die Lumpen, lässt in einem Aufzug lichterflackernd den Stahl ächzen und spielt als Schatten in einer Tiefgarage Katz' und Maus mit einer Geschäftsfrau.
Und jetzt. Jetzt sitzt SIE hier. Mir gegenüber. Mustert mich aus dunklen, vertrockneten Augenhöhlen, das fettige Haar hängt nur noch in wenigen Büscheln von der rissigen Kopfhaut und Geschwüre sondern schwarzes Blut auf ihr verrottetes Gesicht. Als SIE ihre faulige Mundhöhle öffnet, tropfen Würmer und Asseln auf den Tisch und ich meine etwas, wie eine Stimme zu vernehmen.
„... allein ... jeden ... immer ... wieder ...“
In diesem Moment fliegt die Tür vom Wohnzimmer auf und meine Jungs rennen, lautstark ein gewonnenes Fussballspiel bejubelnd, um den Tisch. SIE verstummt augenblicklich und zieht den Kopf zwischen die Schultern. Die Kinder nehmen nicht die geringste Notiz von ihr und SIE scheint langsam einzugehen, zu verkümmern. Und als SIE nur noch die Größe einer welken Distel hat, springt SIE mit letzter Kraft in meinen Nacken und ... verschwindet. Vorläufig.
 

Steewee

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Der Morgendunst weckt SIE mit Eiseskälte und führt SIE in dreckig orangenem Straßenlicht durch sterbende Finsternis. Langsam bahnt SIE sich ihren Weg über einen riesigen Hof, vorbei an qualmenden Halbwüchsigen, pöbelnden Angebern, grellbunten Modehuren und rotzenden Bälgern. Niemand bemerkt den stechenden Blick ihrer stecknadelgroßen Pupillen, wie SIE sich mit lederner, gespaltener Zunge ihre rasierklingenscharfen Zahnreihen bleckt. SIE bewegt sich direkt auf das beleibte Mädchen zu, daß sich fest an das Tor presst und sich hinter ihren beschlagenen Brillengläsern zu verstecken scheint. Einen Neue. Vom Land in die Großstadt gezogen. Ihr erster Tag. Wenige Zentimeter vor ihr bleibt SIE stehen und heißt sie willkommen, indem SIE ihr eine Faust in die Brust treibt und das kleine, wild tanzende Herz fest drückt. SIE leckt ihr über das Gesicht und das erstarrte Mädchen vergießt über die sich ausbreitende Wärme in ihrem Schritt eine Träne. Zufrieden läßt SIE ab, überwindet mit einem gewaltigem Satz die Schulmauer und landet wenige Meter neben einer Alten, die angestrengt über den, sich in der Dämmerung verlierenden Asphalt blickt. Von ihr noch unbemerkt, plustert SIE sich zu einem gewaltigem Koloss auf und stürzt ohrenbetäubend brüllend und Funken spuckend auf die alte Dame zu, als diese in ihre Richtung blickt. Erschrocken weicht sie zurück, stürzt und verteilt den Inhalt ihres Korbes auf dem Gehweg. Im Vorbeirauschen kickt SIE den Gehstock auf die Straße und erhebt sich in den schwarzen Himmel, wo SIE wie ein Tornado durch einen Schwarm Wildgänse fegt.
Die graue Wolkendecke hinter sich gebracht, klammert SIE sich an die Tragfläche einer Passagiermaschine. Langsam kriecht SIE über das vereiste Metall zu einem Fenster und drückt ihre kaltblaue Fratze direkt an die Scheibe. Ein verschwitzter, rotgesichtiger Mittvierziger scheint direkt zu ihr zu starren und SIE beginnt kleine Risse in das Glas zu drücken. Schwer atmend ruft er nach einem Flugbegleiter. Zeit zu verschwinden. SIE lässt sich einfach von der Tragfläche fallen, rast auf die Erde zu und landet in einem Vorgarten voll spießiger Einsamkeit. In der Küche brennt Licht. SIE drückt sich durch ein angekipptes Fenster in eines der dunklen Zimmer. Ein Kinderbett. Sehr gut. SIE verbirgt ihre Erscheinung in der Dunkelheit und läßt nur den Blick aus einem weit aufgerissenem Augenpaar über die Bettkante wandern. Die Schreie des Säuglings salben ihre runzligen Ohren. Bevor die Eltern das Kind erreichen, ist SIE längst im Nachbarhaus. Dort hockt ein Junge im Schein einer Schreibtischlampe über einem Blatt Papier und klebt ausgeschnittenes Katalogspielzeug zwischen gemalte Weihnachtsbäume und Sterne. Mit aufgeblähtem Bauch in einem rotem Mantel und das Gesicht hinter einer verfilzten Maske versteckt, tritt SIE lautstark die Tür zu seinem Zimmer auf und fegt mit einem stachligen Dornengeflecht die Arbeit des Jungen vom Tisch. Zitternd springt der Kleine in sein Bett und zieht sich die Decke über den Kopf. Doch schon ist auch SIE beim Bett. Darunter. Fast unhörbar leise zischt SIE seinen Namen. Drohend. Lockend. Der Junge gibt bis auf ein Wimmern keinen Ton von sich. Gelangweilt lässt SIE ab und kriecht in den Lüftungsschacht. Vor dem Verlassen des Anwesens spuckt SIE noch eine haarige Spinne durch das Lüftungsgitter der Küche und ergötzt sich an den Schreien der Frühstücksgesellschaft.
In der Unterführung zum Bahnhof treibt SIE als kahlköpfiges Scheusal in nagelbewährten Stiefeln einen Südländer zurück ins Heim, einem Obdachlosem bläst SIE eisigen Wind in die Lumpen, lässt in einem Aufzug lichterflackernd den Stahl ächzen und spielt als Schatten in einer Tiefgarage Katz' und Maus mit einer Geschäftsfrau.
Und jetzt. Jetzt sitzt SIE hier. Mir gegenüber. Mustert mich aus dunklen, vertrockneten Augenhöhlen. Das fettige Haar hängt nur noch in wenigen Büscheln von der rissigen Kopfhaut und Geschwüre sondern schwarzes Blut auf ihr verrottetes Gesicht. Als SIE ihre faulige Mundhöhle öffnet, tropfen Würmer und Asseln auf den Tisch und ich meine etwas, wie eine Stimme zu vernehmen.
„... allein ... jeden ... immer ... wieder ...“
In diesem Moment fliegt die Tür vom Wohnzimmer auf und meine Jungs rennen, lautstark ein gewonnenes Fussballspiel bejubelnd, um den Tisch. SIE verstummt augenblicklich und zieht den Kopf zwischen die Schultern. Die Kinder nehmen nicht die geringste Notiz von ihr und SIE scheint langsam einzugehen, zu verkümmern. Und als SIE nur noch die Größe einer welken Distel hat, springt SIE mit letzter Kraft in meinen Nacken und ... verschwindet. Vorläufig.
 

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Der Morgendunst weckt SIE mit Eiseskälte und führt SIE in dreckig orangenem Straßenlicht durch sterbende Finsternis. Langsam bahnt SIE sich ihren Weg über einen riesigen Hof, vorbei an qualmenden Halbwüchsigen, pöbelnden Angebern, grellbunten Modehuren und rotzenden Bälgern. Niemand bemerkt den stechenden Blick ihrer stecknadelgroßen Pupillen, wie SIE sich mit lederner, gespaltener Zunge ihre rasierklingenscharfen Zahnreihen bleckt. SIE bewegt sich direkt auf das beleibte Mädchen zu, daß sich fest an das Tor presst und sich hinter ihren beschlagenen Brillengläsern zu verstecken scheint. Einen Neue. Vom Land in die Großstadt gezogen. Ihr erster Tag. Wenige Zentimeter vor ihr bleibt SIE stehen und heißt sie willkommen, indem SIE ihr eine Faust in die Brust treibt und das kleine, wild tanzende Herz fest drückt. SIE leckt ihr über das Gesicht und das erstarrte Mädchen vergießt über die sich ausbreitende Wärme in ihrem Schritt eine Träne. Zufrieden läßt SIE ab, überwindet mit einem gewaltigem Satz die Schulmauer und landet wenige Meter neben einer Alten, die angestrengt über den, sich in der Dämmerung verlierenden Asphalt blickt. Von ihr noch unbemerkt, plustert SIE sich zu einem gewaltigem Koloss auf und stürzt ohrenbetäubend brüllend und Funken spuckend auf die alte Dame zu, als diese in ihre Richtung blickt. Erschrocken weicht sie zurück, stürzt und verteilt den Inhalt ihres Korbes auf dem Gehweg. Im Vorbeirauschen kickt SIE den Gehstock auf die Straße und erhebt sich in den schwarzen Himmel, wo SIE wie ein Tornado durch einen Schwarm Wildgänse fegt.
Die graue Wolkendecke hinter sich gebracht, klammert SIE sich an die Tragfläche einer Passagiermaschine. Langsam kriecht SIE über das vereiste Metall zu einem Fenster und drückt ihre kaltblaue Fratze direkt an die Scheibe. Ein verschwitzter, rotgesichtiger Mittvierziger scheint direkt zu ihr zu starren und SIE beginnt kleine Risse in das Glas zu drücken. Schwer atmend ruft er nach einem Flugbegleiter. Zeit zu verschwinden. SIE lässt sich einfach von der Tragfläche fallen, rast auf die Erde zu und landet in einem Vorgarten voll spießiger Einsamkeit. In der Küche brennt Licht. SIE drückt sich durch ein angekipptes Fenster in eines der dunklen Zimmer. Ein Kinderbett. Sehr gut. SIE verbirgt ihre Erscheinung in der Dunkelheit und läßt nur den Blick aus einem weit aufgerissenem Augenpaar über die Bettkante wandern. Die Schreie des Säuglings salben ihre runzligen Ohren. Bevor die Eltern das Kind erreichen, ist SIE längst im Nachbarhaus. Dort hockt ein Junge im Schein einer Schreibtischlampe über einem Blatt Papier und klebt ausgeschnittenes Katalogspielzeug zwischen gemalte Weihnachtsbäume und Sterne. Mit aufgeblähtem Bauch in einem rotem Mantel und das Gesicht hinter einer verfilzten Maske versteckt, tritt SIE lautstark die Tür zu seinem Zimmer auf und fegt mit einem stachligen Dornengeflecht die Arbeit des Jungen vom Tisch. Zitternd springt der Kleine in sein Bett und zieht sich die Decke über den Kopf. Doch schon ist auch SIE beim Bett. Darunter. Fast unhörbar leise zischt SIE seinen Namen. Drohend. Lockend. Der Junge gibt bis auf ein Wimmern keinen Ton von sich. Gelangweilt lässt SIE ab und kriecht in den Lüftungsschacht. Vor dem Verlassen des Anwesens spuckt SIE noch eine haarige Spinne durch das Lüftungsgitter der Küche und ergötzt sich an den Schreien der Frühstücksgesellschaft.
In der Unterführung zum Bahnhof treibt SIE als kahlköpfiges Scheusal in nagelbewährten Stiefeln einen Südländer zurück ins Heim, einem Obdachlosen bläst SIE eisigen Wind in die Lumpen, lässt in einem Aufzug lichterflackernd den Stahl ächzen und spielt als Schatten in einer Tiefgarage Katz' und Maus mit einer Geschäftsfrau.
Und jetzt. Jetzt sitzt SIE hier. Mir gegenüber. Mustert mich aus dunklen, vertrockneten Augenhöhlen. Das fettige Haar hängt nur noch in wenigen Büscheln von der rissigen Kopfhaut und Geschwüre sondern schwarzes Blut auf ihr verrottetes Gesicht. Als SIE ihre faulige Mundhöhle öffnet, tropfen Würmer und Asseln auf den Tisch und ich meine etwas, wie eine Stimme zu vernehmen.
„... allein ... jeden ... immer ... wieder ...“
In diesem Moment fliegt die Tür vom Wohnzimmer auf und meine Jungs rennen, lautstark ein gewonnenes Fussballspiel bejubelnd, um den Tisch. SIE verstummt augenblicklich und zieht den Kopf zwischen die Schultern. Die Kinder nehmen nicht die geringste Notiz von ihr und SIE scheint langsam einzugehen, zu verkümmern. Und als SIE nur noch die Größe einer welken Distel hat, springt SIE mit letzter Kraft in meinen Nacken und ... verschwindet. Vorläufig.
 



 
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