Schlussakkord

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helmut ganze

Mitglied
Schlussakkord

Mein letzter Sommer wird es sein
die Zeit verglüht in tausend Farben
vorbei der Tage Sonnenschein
und auch Vergessen alter Narben.

Der Herbst webt dann das Abschiedskleid
weht letzte Blätter von den Bäumen
vermittelt zwischen Freud und Leid
und Abschied gilt’s vor wirren Träumen.

Nur eine Frage quält mich sehr
was tun mit meinen zwölf Millionen
vertun kann ich sie jetzt nicht mehr
da soll sie doch der Teufel holen.

Heidenau, den 10. 08.2017
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Klischees entlarven?

Lieber Helmut!

Dein lyrisches Ich ist ein merkwürdiges Amphibium: Es hat innerhalb eines ganzen Lebens 12 Millionen (wahrscheinlich nicht Lira, sondern Euro) erarbeiten oder klug akkumulieren können, weiß also eigentlich, daß Geld kein Selbstzweck ist, sondern Kapital, das man zu 100 Prozent wieder einsetzt, anstatt es unproduktiv zu verbrennen; andererseits will es in einem Anfall von Altersschwachsinn die 12 Millionen sinnlos verschwenden.

Da Du nicht selbst dieses lyrische Ich bist, klingt es wie eine Karikatur, mit der man ein Feindbild überzieht. Ein Klischee, das harmlos sein könnte, fast schon ein wenig dümmlich.

Vielleicht willst Du ja die Klischeefreunde in Heidenau entlarven, ja, das ist Dir einigermaßen gelungen.

grusz, hansz
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Mondnein,

die ersten beiden Strophen meines Gedichtes sind bittere Wahrheit.
Die dritte Strophe ist ein letzter Versuch, sich gegen das unaufhaltsame Schicksal aufzubäumen, wobei die genannten zwölf Millionen nichts pekuniäres betreffen, sondern die nicht mehr auszuführenden Möglichkeiten benennen und bedauern.
Ich war gern in der Leselupe.

Ganz liebe Grüße

Helmut
 

James Blond

Mitglied
Lieber Mondnein,

ich verstehe deine Kritik nicht ganz.
Ist es denn kein Selbstzweck, wenn man zeitlebens sein ganzes Kapital nur dazu einsetzt, es zu vermehren? Und am Lebensende, im Angesicht des eigenen Todes besorgt feststellt, dass einem jede Idee, bzw. Möglichkeit abhanden gekommen ist, das Geld sinnvoll einzusetzen?

Lieber Helmut,

mit Verwunderung entnehme ich nun deiner Erklärung, dass es sich bei den "12 Millionen" gar nicht um Kapital, also Geld handelt. Meines Wissens wird die Formel "meine 12 Millionen" stets als pekuniäres Vermögen interpretiert, anderenfalls sollte der Besitz durch ein entsprechendes Substantiv näher qualifiziert werden.

Auch auf die Enttäuschung hin, dich jetzt nicht mehr zu den 12-fachen Millionären zählen zu dürfen, möchte ich dich an gleicher Stelle auf eine andere, unschöne und unstimmige Sache hinweisen:

[red]was tun[/red] mit meinen zwölf Millionen
[red]vertun[/red] kann ich sie jetzt nicht mehr
Sie enthält nicht nur eine unschöne Verdopplung des unlyrischen Allgemeinverbs "tun", sondern zugleich auch eine Fehlbezeichnung, denn "vertun" beschreibt zwar die Verschwendung oder Vergeudung von Ressourcen, jedoch nicht als Intention, sondern in unbeabsichtigter Weise: Niemand will sich oder etwas vertun, um es los zu werden, sondern es geschieht aus Mangel an Erfahrung oder Aufmerksamkeit.

Mir scheint "verprassen" für ein absichtsvolles Entäußern weitaus passender:

[blue]was tun[/blue] mit meinen zwölf Millionen
[blue]verprassen[/blue] kann ich sie nicht mehr
Doch wenn es dabei nicht um Geld geht, müsstest du wohl noch mal genauer ran. :)

Grüße an beide
JB
 

helmut ganze

Mitglied
Schlussakkord

Mein letzter Sommer wird es sein
die Zeit verglüht in tausend Farben
vorbei der Tage Sonnenschein
und auch Vergessen alter Narben.

Der Herbst webt dann das Abschiedskleid
weht letzte Blätter von den Bäumen
vermittelt zwischen Freud und Leid
und Abschied gilt’s vor wirren Träumen.

Doch eines muss ich konstatieren
ich geh nicht gern von dieser Welt
so manches möcht' ich noch probieren
auf Erden unterm Himmelszelt.

Heidenau, den 12. 08.2017
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Mondnein, lieber James Blond,

ihr habt völlig recht. Meine dritte Strophe ist voll in die Hose gegangen. Ich habe sie neu bearbeitet, damit keine Missverständnisse mehr aufkommen können.
Vielen Dank für eure Kritik an meinem wahrscheinlich letztem Gedicht.

Liebe Grüße

Helmut
 

wüstenrose

Mitglied
Lieber Helmut,

was du hier schreibst, stimmt sehr traurig.

Ich habe eine ganze Weile über deine Zeilen sinniert. Könnte der Schluss deines Gedichts auch wie folgt aussehen?


und löst uns los von wirren Träumen.

Doch eins ihr Lieben nun zum Schluss
das Sterben will mir nicht behagen
verdammt sei diese harte Nuss
ich hätt so vieles noch zu sagen.


lg wüstenrose
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Helmut!

Einen Schlussakkord kann es nur geben, wenn man vorher ein Lied gesungen hat.
Das hast du getan.

Danke dafür und liebe Grüße
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Lieber Helmut!

Ein schönes Abschiedsgedicht.

Es ist traurig, daß Du Dich verabschieden mußt, und zugleich über alle Maßen nobel, wie Du es tust.

Alles Gute Dir,

grusz, hansz
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Liebe wüstenrose,

vielen Dank für deine dritte Strophe, die mir auch gut gefällt. So traurig wollte ich es nicht schreiben und ich wollte das Wort sterben vermeiden.
Du hast meinen Gemütszustand gut erfasst,

Ganz liebe Grüße

Helmut
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Manfred,

vielen Dank für deine aufmunternden Worte zu meinem kleinen Gedicht. Es fällt nicht leicht, über die eigene Endlichkeit zu schreiben. Ich habe es versucht.

In Verbundenheit mit lieben Grüßen

Helmut
 
Lieber Helmut,

mich hat dieses Gedicht sehr tief berührt.
Danke dafür. Ich kann Dir nicht viel Trost spenden, warum immer dies Dein letztes Gedicht ist, ich drücke dich unbekannterweise. Und ich denke an dich.

LG Silke
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber hansz, danke für deine Worte. Trotzdem ist bei mir etwas Wehmut dabei, Ich war gern in der Leselupe.
Mal sehen, wie es noch kommt.

Ganz liebe Grüße

Helmut
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Liebe Silke,

ich komme erst jetzt zum schreiben. Vielen Dank für deine gefühlvollen Worte. In der Tat, alles geht einmal zu Ende, auch das Reimen. Dir wünsche ich eine gute Zeit und viele neue Ideen.

Ganz liebe Grüße

Helmut
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Liebe Leselupenfreunde,

ich will mich nach langem Krankenaufenthalt noch einmal zu Wort melden.
In den Iden des November wäre meine Vorahnung fast wahr geworden.Wegen eines Darmverschlusses rettete mich
eine Notoperation mit dem Ergebnis Stoma.
Seit dem ist alles anders, ich kann nur noch warten.

Liebe Grüße

Helmut
 

molly

Mitglied
Hallo Helmut,

ich wünsche Dir viel Kraft für Deine Zeit und alles Gute.

"Seit dem ist alles anders, ich kann nur noch warten."

und wieder ein wenig schreiben? Dann vergeht die Zeit schneller.

Liebe Grüße

molly
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Liebe molly, liebe wüstenrose,

der nächste Sommer ist noch fern.
Vielleicht geht noch etwas.
Vielen Dank für eure guten Wünsche.

Ganz liebe Grüße
Helmut
 

Label

Mitglied
Lieber Helmut

ein schönes ergreifendes Gedicht, in das ich mich gut einfühlen kann.
aber ich habe auch eines für dich:

Jetzt

Sieht mich der Tod recht grinsend an
(als ob er das auch anders kann)
da zwinkre ich zum Knochenmann

bis SPÄTER

ich wünsche dir vor allem eines : Zuversicht, das setzt ungeahnte Heilungskräfte in Gang, dann wünsche ich dir auch noch Freude.
Die Freude an dem, was an Positivem um dich ist. Das ist meistens sehr, sehr, viel mehr, als man allgemein denkt, da diese Dinge weil sie normal und nichts besonders sind, nicht mehr so wahrgenommen werden.

Meine liebe Freundin die ich in ihrer Krankheit und bis zum Ende begleitet habe, hat viele Jahre mit dem Stoma gelebt und auch gut gelebt.

mit den allerbesten Wünschen für dich
Label
 

helmut ganze

Mitglied
6TLMSN

Ein kleines Wunder ist geschehen.
Nach einer zweiten Notoperation Mitte Juli dieses Jahres
habe ich mich wieder einigermaßen aufgerappelt, so dass ich wieder etwas schreiben kann. Ich habe aber den längsten Sommer seit Jahren, wie man ihn nennt, im Krankenhaus verbringen müssen.

Ganz liebe Grüße

Helmut
 



 
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