Schräge Leute

anbas

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Schräge Leute

Ich bin mit der Bahn unterwegs. Hamburg – Düsseldorf, Sechser-Abteil, 1. Klasse. Seit einiger Zeit gönne ich mir diesen Luxus. Meistens ist es hier auch ruhiger, als in der zweiten Klasse. Auch das kommt mir sehr entgegen.

In meinem Abteil sitzt außer mir noch ein Vater mit seinem etwa zwölf Jahre alten Sohn. Während der Senior liest, hört Junior leise Musik über den Kopfhörer. Wenn sich beide unterhalten, dann mit gedämpfter Stimme. Es ist eine ruhige, entspannte Fahrt, und da meine letzte Nacht etwas kurz war, bin ich sehr dankbar dafür. So kann ich ungestört vor mich hin dösen.

Doch dann ist es plötzlich vorbei mit der Ruhe. Eine Gruppe junger, bunt kostümierter Frauen geht laut lachend und aufgedreht redend von Abteil zu Abteil. Sie feiern Junggesellinnenabschied. Ich erstarre innerlich – will doch meine Ruhe haben, will nicht angesprochen werden, will weder mitlachen noch mitfeiern. Diese Art von Party war noch nie mein Ding, und wenn ich übermüdet bin, ist sie das erst recht nicht. Andererseits will ich auch nicht die Spaßbremse spielen – soll doch jeder auf seine Art glücklich werden. Ich stelle mich schlafend und hoffe, dass mich der Tross in Ruhe lässt.

Zunächst scheint mein Plan auch aufzugehen. „Pst, da schläft jemand!“. Kichernd ziehen sie weiter und stürmen das nächste Abteil. Aber kurz darauf, sie sind auf ihrem Rückweg, wird unsere Abteiltür doch noch aufgerissen. Die zu verabschiedende Junggesellin versucht mit Unterstützung einiger Freundinnen den mir gegenübersitzenden Mann zum Kauf einer Kleinigkeit zu überreden. Gleichzeitig setzt sich eine andere junge Frau aus der Gruppe – Cowboyhut, falsche Zöpfe, aufgemalte Sommersprossen – neben mich. Als ich blinzelnd die Augen öffne, entschuldigt sie sich flüsternd, sagt, dass sie gleich wieder weg wären, und tut zumindest so, als wolle sie die anderen Mädels ein wenig beruhigen. Nachdem mein Gegenüber ein paar Bonbons gekauft hat, ist der Spuk auch schnell wieder vorbei, und die Gruppe macht sich herumalbernd auf den Weg zum nächsten Wagen.

Inzwischen ist ein älterer Herr aus dem Nachbarabteil auf den Gang getreten. Die jungen Frauen drängen sich an ihm vorbei, woraufhin der Mann laut polternd zu schimpfen beginnt; man wäre hier in der ersten Klasse und hätte gefälligst still zu sein. Die Mädels ziehen weiter ohne sich die Laune verderben zu lassen.

In unserem Abteil lächelt der Vater seinen Sohn an. „Es gibt schon schräge Leute!“

Der Sohn zögert einen Moment. „Wen meinst du jetzt?“ fragt er mit verlegenem Grinsen.

„Den Alten!“ antwortet der Vater schmunzelnd und widmet sich wieder seinem Buch.
 



 
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