Schwarzer Lidstrich

2,80 Stern(e) 5 Bewertungen

bluesnote

Mitglied
Schwarzer Lidstrich


Nona hatte genug. Die Natur stattete sie aus mit einem koketten, stupsnäsigen Gesicht und einem Körper, der … Begierden weckte.
Zumeist Begierden der männlichen Kundschaft in dem Eiscafe, das Nona als Serviererin beschäftigte.
Der letzte Gast zog die Schleife ihrer Schürze auf.
Es reichte...!

Es reichte soweit, das sie ihren angestammten Pub unter der Woche aufsuchte und Whiskey on the Rocks bestellte, ...den zweiten!
Und das mußte für heute der letzte sein, den sie vertrug nicht viel. Ab 13 Uhr hatte sie Mittwochs frei, sie saß ganz hinten am Tresen in der einsamen Kneipe, drehte ihr Glas, das Eis schmolz ...wenn das auch ihre Wut tun würde!
Nur..., sie tat es nicht und sie würde heute den dritten Whiskey bestellen und morgen verkatert zum Dienst erscheinen. Nona stand auf, warf eine Münze in die Juke-Box. Norah Jones sanfte Stimme brachte – Come away with me. Smooth!

> Ich weiß deine Gedanken, Nona! <

Nonas Drink war erst zur Hälfte geleert und sie hörte bereits Gespenster, sie suchte im Dämmerlicht die Sitzreihen ab.
Grünäugige Katze, schwarzes Haar, schwarzes Leder. Vamp voller Klischees – das tue ich nur für dich, Nona!

Die Frau, die in der Ecke vor einem Stormy Eagle saß, bewegte ihre Lippen nicht, und trotzdem verstand das junge Mädchen.
Konnte das sein? Nona war’s im Moment egal, die Erscheinung faszinierte.
Die Katze in Leder stand auf, nahm ihr Glas mit der nachtblau schimmernden Flüssigkeit und kam geschmeidig auf das Mädchen in Jeans zu.

> Schwarzer Lidstrich, bleiche Wangen...<
> düstere Gedanken nehmen mich gefangen! <

Nona vollendete die Zeile. Grün funkelte auf, der Vamp zeigte auf ihren Hals, > du trägst das Zeichen. Wir müssen uns unterhalten! <

- Was soll das, hier im Dienst legst du so was ab!
Das verkehrt herum an der Kette baumelnde Kruzifix war immer schon ein Dorn im Auge ihres Chefs. Und so sollte es kommen.
Er war auch einer dieser Grapscher ...wenn seine Frau nicht hinsah!

Viel zu tun im Cafe. Nona bemerkte es nur flüchtig, aber ihr Chef sortierte an der Ladentheke hölzerne Spieße. Ein Anruf hielt ihn auf.
Nona nahm eine Bestellung auf und ging dann zu den Spießen, die sie verteilten, damit die Gäste Früchte aus ihren Cocktails fischen konnten.
Sie nahm die sämige Kirschsoße – tu es – , flüsterte eine leise Stimme in ihr. Als wäre es nicht sie selbst, schaute sie zu, wie ihre Hand nach der Karaffe griff. Ein dunkler Fleck ergoß sich auf den Boden. Der Inhaber kehrte zurück.

Nona konnte wegen der Kunden nicht immer darauf achten, ein irrer Schrei hinter ihrem Rücken. Sie eilte zu ihm, der Delinquent lag am Boden, ein Spieß steckte gefährlich tief in seinem rechten Auge. Rot floß zu Rot! ...sieh meine Rache.

Wochenende! Das Grau wird abgewaschen.
Nona stieg aus der Dusche. Sie besaß ein Faible für dunkle Szenerien.
Schwarzer Lidstrich, schwarz die Lippen. Ihr Gesicht schminkte sie bleich und dann hinein in die schwarzen Klamotten.
Es war ein Unfall, hatten sie gesagt. Nona lächelte.

Jemand erwartete sie. Aber das Mädchen ging nicht mehr zum Friedhof. Nona ging schon lange nicht mehr dorthin. All die bleichen Gesichter, die wie in einem Kasperletheater hier und dort über einen Grabstein auftauchten, törnten sie nicht mehr an.
Nona erwartete von nun an mehr. Die Wohlgefälligkeit der Hölle und ihr Lob. Sie kannte jetzt jemanden, der ihr das ermöglichen konnte. Oh Nona!

> Oh Nona! Einen Tropfen dunkles Blut aus unseren Adern. Und wir machen jeden Mann untertan. Niemals lassen wir zu, das sie uns überlegen sind! <
Ihr Treffpunkt war das Gelände einer Industrieruine; eines Konzerns, der wie alle anderen auch erst am Arbeiter verdiente und ihn dann im Stich ließ. Gruben und Kanäle durchzogen wie wild gewachsene Kapillare die Erde. Rostiger Stahl ragte in die runde Scheibe des Mondes.
> Laß mich deine Mutter sein. Deine Führerin durch die dunklen Seiten der Welt! Hilf mir und laß uns hier die neue Stadt Selene gründen! < Nona sagte zu, ein herber Biß besiegelte ihr Schicksal. Oh Nona!

Der süße Schmerz ließ sie stranden, nein, nicht am Rande dieses Universums. Inmitten der Dunkelheit wurde sie unter einem anderen Stern wieder geboren. Ach was, nein.
Das Gefühl dabei konnte sie nicht beschreiben. Es war ihr nicht möglich, eine Metapher heraus zu suchen, wie ein Kleid aus dem Schrank. Verwandelt waren sie in Panther, die Erde war diese eine Nacht ihr höllisches Paradies, bedeutete ihnen soviel wie der Garten Eden Adam und ...?
Zwei Raubtiere striffen durch die Nacht, rissen Einsame und Verirrte; legten Biß für Biß den Grundstein für die Wiederauferstehung der Stadt Selene.

Bericht aus dem Ruhrblitz:

Meldungen über Vermißte nehmen zu

Laut einem Bericht der Polizei nehmen die örtlichen Vermißtenfälle ( RB berichtete ) in den letzten Tagen weiter zu.
Wie ein Polizeisprecher mitteilte, gibt es bisher noch keine heiße Spur...

Bei dem Begriff „Spur“ erwachte Nona aus dem Traum.
Mittwoch. Zeit, zur Arbeit zu gehen.
Sie war auf dem Weg zum Cafe, alles nur geträumt? Sie mußte sich beeilen, müßig, sich jetzt Gedanken über irgend etwas zu machen.
Nona schritt an ihrem Pub vorbei – schwarze Katze, bleib hinter deinem Fenster! Das Grün einer Ampel reflektierte im Glas.
Plötzlich blieb sie stehen. Woher kannte sie diesen Namen. Den Namen dieser Stadt – Selene?
> Moin Nona – Schatz! Nimm dieses Päckchen mit. Es ist für dich hier abgegeben worden. < Der Wirt sprach das Mädchen an.
- Für meine Freundin Nona - , stand darauf zu lesen. Die Neugier siegte, um die Ecke stand eine Bank für die Alten. Sie würde zu spät kommen, doch Nona wollte schauen, was ihr irgend wer schenkte.
Folgendes war in dem Paket enthalten:

Eine kleine Glocke aus fein ziselierten Kristallglas, überaus kunstvoll gefertigt.
Eine in Zinn gegossene Szene. Ein Tiger, der am Herzen eines jungen Mädchens kratzt.
Dann war da noch eine Karte, darauf stand geschrieben:

Gruß. Die grünäugige Katze

P.S.: Bis heute Nacht, wenn ich dich dann hole!


Im Westen, die Nacht zum 24 November 2002




Das ist nicht das Ende. Bis zum Morgengrauen, dann muß dieser Teil der Geschichte geschrieben sein.
Dieses Limit hatte ich mir gesetzt. Die „Fachleute“ unter uns werden vielleicht ( wenn ich gut genug war ) eine Hommage an Paul Feval und dessen Vampirstadt Selene in den Text erkannt haben. Und den Hinweis auf eine Dämonin, über die ich immer schon schreiben wollte. Welche – Raten!
...und noch etwas, ich sollte beim Schreiben nicht mehr soviel Malzbier trinken!

Viele Grüße, Udo.
 

Tekky

Mitglied
Hi Udo,

erstmal ein paar Bemerkungen:

Sie nahm die sämige Kirschsoße – tu es – , flüsterte eine leise Stimme in ihr. Als wäre es nicht sie selbst, schaute sie zu, wie ihre Hand nach der Karaffe griff. Ein dunkler Fleck ergoß sich auf den Boden. Der Inhaber kehrte zurück.

Nona konnte wegen der Kunden nicht immer darauf achten, ein irrer Schrei hinter ihrem Rücken. Sie eilte zu ihm, der Delinquent lag am Boden, ein Spieß steckte gefährlich tief in seinem rechten Auge. Rot floß zu Rot! ...sieh meine Rache
Ich finde diese Passage sehr interessant, allerdings noch nicht richtig ausgefeilt. Es wird nicht klar (mir zumindest), warum Nona die Karaffe nimmt und Kirschsoße auf den Boden schüttet. Und die Hornhaut der Augen ist ziemlich zäh - ich weiß nicht, ob man einem Mann so einen kleinen Plastikspieß (oder ist es eher ein Zahnstocher?) ohne Weiteres ins Auge stechen kann, ohne dass sich dieser wehrt. Und ob er dann wirklich tot ist, bezweifle ich (in der Regel sterben sie dadurch, dass das hinter dem Auge ligenede Gehirn verletzt wird).

Dann
Zwei Raubtiere striffen durch die Nacht, rissen Einsame und Verirrte; legten Biß für Biß den Grundstein für die Wiederauferstehung der Stadt Selene.
Ich glaube, "striffen" gibt es nicht und es müßte "streiften" heissen.

Paul Fevals Vampirstadt Selene ist mir unbekannt, aber ich behaupte auch nicht, JEDE VampirStory zu kennen. Werde mal ein bisschen nachforschen und vielleicht Versäumtes nachholen ;).

Insgesamt gefällt mir Deine Story gut und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Gruss
tekky
 

bluesnote

Mitglied
Nachbesserungen also notwendig

Hallo tekky
Vielen Dank für deine Anregungen.
Nach Durchsicht des Textes wurde mir bewußt, ich habe den provozierten Unfall nicht deutlich genug gezeigt.
Der Wirt hantiert weiter mit den Spießen, rutscht aus auf der Kirschsosse und einer der Spieße ( natürlich aus extra langen Hartholz ) sticht ihm das Auge aus.
Symbolisch sollte hier Nonas neue Freundin als Helfer der Rache eingeführt werden. Praktische Möglichkeiten so eines Unfalles waren mir jetzt nicht so wichtig.
Im Nachhinein gefällt mir „streiften“ besser und richtiger.
Sieh bitte im Vampir Lexikon von Erwin Jänsch nach.
Henry Ellender ergeht es oben im Zitat übrigens auch nicht besser als mir: Seine gelben, "stumpfen" Augen glänzten!
HHRR Udo
 



 
Oben Unten