Sehfahrt

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen
G

gitano

Gast
Hallo Höldereden!
Von der Form her präsentierst Du uns hier einen interessanten Text!
Ein integrativer Aufbau von sich umschließenden Sequenzen. Wenn man so will, eigentlich 3 Kurztexte:
Großgeschriebene Statusaussagen
(STILL STAND WIND TREIBEN BRUCH LANDEN)
...hier bemerke ich für mich eine Idee; Schön wäre es gewesen wenn diese Zwischenaussagen für sich auch noch einen lesbaren Vers ergeben hätten...Mit den ersten drei Worten könnte dies noch funzen: WIND STILL STAND

Die Kleingeschriebenen, fragmentartigen Zustandsbilder stehen jeweils in zwei Zeilen scheinbar beziehungslos (aufzählend)zueinander...natürlich haben sie assoziativ (Wirkung des Status) etwas miteinander zu tun.

...und wenn man nun den Text liest zeigen sich früh Rhythmische Empfindungen ...aber auch Fragezeichen.

Meiner Meinung nach sind die kleingeschriebenen Zustandsbilder assoziativ etwas zu weit entfernt, sodaß sich die Bildbezüge kaum erschließen...es fehlt das Aufsummieren, der AHA Effekt im Perspektivwechsel.

(vorletzte Zeile: müßte es nicht heißen "auf leisem paradies"? und meintest Du nicht "Bug" in S5?)

Die Form finde ich sehr interessant!....schon eher experimentell
Die Tendenz zum Fragmnentieren in den Bildbezügen finde ich schade! iat einerseits schwierig in der Erfassung: andererseits auch sehr im "Rückzug" begriffen (Rückzug ins Paradies...)...dies ginge bestimmt treffender!

Auch weil der Text keine metrische Ordnung aufweist, kann keine Melodie bindend wirken.

Im Klang finde ich keine Besonderheiten...

Soweit erste Anregungen
Schöne Idee! an der Du weiter arbeiten solltest.

Liebe Grüße
gitano

P.S.
Als Hölderlinliebhaber sollte man doch in Tübingen seine Doktorarbeit schreiben...;), sich in antiken Versformen und Metaphysik üben oder? Fichte und Co. waren auch dort...Ist ne schöne schwäbische "Käseglocke" das Tübingen;)...sehr romantisch.
 

Höldereden

Mitglied
Still

schiff im schatten
segel zu

Stand

steuer lose
planken leer


[ 4]Wind

[ 4]wogen wallen
[ 4]anker reißt

[ 4]Treiben

[ 4]tiefen unter
[ 4]horizont


[ 7]Bruch

[ 7]bug kiel masten
[ 7]schleppen last

[ 7]Landen

[ 7]laut auf leisem
[ 7]paradies
 

Höldereden

Mitglied
Lieber gitano,

erstmal herzlichen Dank für Dein ausführliches Feedback!
Genau das wünsche ich mir hier, kreatives arbeiten an den Texten.

Du hast das richtig erfasst es sind im Grunde 3 zusammengefügte Teile, die ich nun durch Einfügen eines Absatz (hab endlich rausgefunden wie das hier geht:) hoffentlich deutlicher gemacht habe. Dadurch bekommen die Zwischenwörter auch ihren Zusammenhang, nämlich Stillstand, Windtreiben und Bruchlanden.
Diese sollen Phasen im Leben des lyrischen Ichs darstellen.
Insgesamt dienen die kleinen manchmal aufzählenden Wörter mehr einer Stimmungsbildung, um gewisses Bilder zu malen.

Die Metrik ist vllt nicht immer gleich, aber die Anzahl der Silben (daher etwas aus einem Heiku entlehnt)und ich habe probiert den Zusammenhang zwischen den Statuswörtern (Still, Stand etc.) und den "malenden" kleingeschriebenen Teilen herzustellen, indem ich jeweils gleiche Anfangsbuchstaben verwendete.
Nochmal lieben Dank, und ja, Tübingen ist eine wunderschöne Stadt, aber wenn man das Steuer lose lässt kann einen der WInd auch schonmal nach Amsterdam tragen.. ;)
 
A

AchterZwerg

Gast
Hallo Höldereden,
auch von mir ein herzliches Gruezi.
Ich freue mich, dass nun wieder jüngere Autoren in das Forum kommen, gleich mit einer frischen Brise im Gepäck.
Gitano kommentierte bereits ausführlich und gut. Insofern bleibt mir inhaltlich nichts hinzuzufügen.
Formal könnte ich mir allerdings noch etwas Optimierung vorstellen.
Die nachträglich vorgenommenen Einrückungen finde ich dienlich. - Was mir nicht ganz so sinnstiftend scheint, sind deine Umbrüche, weil du damit m. E. gute Enjambements verschenkst.
Du erlaubst mir sicherlich, dass ich diesbezüglich ein wenig mit dem Text spiele, ohne jedoch die Einrückungen vorzunehmen (dazu bin jetzt einfach zu faul; denk sie dir halt dazu).

still

schiff
im schatten
segel zu
stand
steuer lose
planken leer

wind
wogen wallen
anker reißt
treiben tiefen unterm
horizont

bruch

bug kiel masten
schleppen last
landen
laut auf leisem

paradies
Wie du siehst, ergeben sich so zusätzliche Sinneseindrücke. Das ein wenig ausgereizte Paradies wird zum Bruch-Paradies. Der Rest hingegen bekäme mehr Fluss.
Es gäbe natürlich viele andere Möglichkeiten. Wenn du magst, kannst du einmal darüber nachdenken.
[Umbrüche sind das A & O zeitgenössischer Lyrik, weil so die Sprache selbst, jedes Wort, jede Silbe in den Bedeutungsrahmen einbezogen wird.]
Dir einen herzlichen Gruß und ebensolchen Dank für diesen interessanten Erstling.
:)
Der 8. Zwerg
 

Höldereden

Mitglied
Hallo AchterZwerg,

ich freu mich wenn so kreativ mit den Worten gespielt wird. Es bringt in der Tat durch die kleinen Umstrukturierungen neue Sinnzusammenhänge und Schwerpunkte.

Schade ist, das jeder natürlich so ein Gedicht anders liest als man selbst gedacht hat. Man müsste es vorlesen, denn ich denke auch der Vortragsstil wird in zeitgenössischer Lyrik immer bedeutender.
Man muss sich die Zwischenworte in einer anderen Stimme vorstellen (laut+schnell) als die kurzen beschreibenden Strophen (leise-nachdenklich), aber relativ flink ineinander gewoben, so dass es klingt als ob zwei verschiedene Personen zu einem sprechen.

Daher habe ich es nun noch etwas umstrukturiert.
 

Höldereden

Mitglied
STILL
[ 4]schiff im schatten
[ 4]segel zu

STAND
[ 4]steuer lose
[ 4]planken leer


WIND
[ 4]wogen wallen
[ 4]anker reißt

TREIBEN
[ 4]tiefen unter
[ 4]horizont


BRUCH
[ 4]bug kiel masten
[ 4]schleppen last

LANDEN
[ 4]laut auf leisem
[ 4]paradies
 



 
Oben Unten