Seine Ironie zu denken

Anonym

Gast
Seine Ironie zu denken

Da sitzen wollen und an nichts denken. Die Farbe schwarz ist keine Farbe.
Hätte Erna bloß Gemüsebrühwürfel für die Sauce verwendet, dann würden die Gedärme jetzt nicht rebellieren. Im Krieg hatten sie keine Gemüsebrühwürfel, auch keine Petersilie.
Das Denken überrollt einen. Je mehr man sich anstrengt nicht zu denken, desto mehr Denkeskapaden schwappen über einen. Desto mehr bohrt es sich in das Gehirn. Das Nicht-denken-wollen lehnt sich auf und je mehr es sich aufbäumt desto mehr wird es eins mit dem Denken und der Frage nach dem Nichts. Nichts wird zum, das Nichts.

Im Krieg hatten wir fast nichts. Manchmal hatten wir Eier. Wenn wir von den Bauern welche geschenkt bekamen. Wir haben die Eier auf dem Panzer gebraten. Erna streut immerzu Petersilie über die Spiegeleier. Sie verwendet auch Schweineschmalz. Das Cholesterin wird uns noch umbringen.
Einfach da sitzen. Sich sammeln. Sich konzentrieren. Ein Wort das gänzlich ungeeignet ist zum Nichtdenken. Gehen lassen? Sich fallen lassen? Es verleitet sofort etwas aufzufangen. Gibt den Denkanstoß, nach wohin sich fallen lassen, woher kommend?

Abgefackelt haben sie ihn den schönen Ahornbaum. Gefallen ist er, der Baum, auf das Garagendach. Das war die Rache. Nachbarn können grausam sein. Gesetze auch. Eine Gerichtsverhandlung tut man sich in meinem Gesundheitszustand nicht mehr an. Noch vor zwei Jahren hätte ich es aufnehmen können mit meinen Nachbarn. Nicht mal die Nüsse wollen sie, die vom Nussbaum in ihren Garten fallen.

Manchmal ist es möglich für Bruchteile von Sekunden das Denken einzustellen. Augenblicklich hört man seinen Atem welcher sofort die Frage nach der richtigen Atemgeschwindigkeit für ein erforderliches Nichtdenken auslöst. Das flache ein und ausatmen? Das flache ein und das pustende Ausatmen?
Erna hat heute schon Schwierigkeiten die Treppe zum Keller zu bewältigen. Erna ist elf Jahre jünger als ich. Sie könnte Kartoffel darin lagern wie früher. Alles haben wir früher im Keller gelagert, als sie noch den Garten bewirtschaftete.

Keine Zufuhr mehr und damit neue Nahrung für ein neues Denken. Ist die Lösung des Nicht Atmens der Schlüssel für ein Nichtdenken? Einen Zustand auflösen. Ohne zu schlafen ohne tot zu sein. Ein paar Sekunden oder gar Minuten nur Fleisch sein. Warmes. Sich wissen. Im aufgelösten Zustand, sich wissen und dabei die Augen offen halten und das Licht sehen. Und dabei die Ohren nicht verschließen und seinen Herzschlag hören.

Gestern haben sie Johann in das Spital gebracht. Verdacht auf Schlaganfall. Hart hat er gearbeitet sein ganzes verkümmertes Leben. Seine Kinder haben ihm eine tschechische Haushaltshilfe finanziert. Illegal. Jetzt steht sie im Regen und wartet auf den Bus. Sie fährt wieder heim nach Svojkov zu ihren Kindern.

An nichts denken. Und dabei die Zunge spüren. Sich spüren dabei. Ganz selbst sein. Ganz selbst sein ohne zu denken, dass man ist. Da sitzen und warten auf das Nichtdenken.
Auf den bestmöglichsten Einsatz des Blutdruckmessgerätes warten. Die Schleife um den Arm gelegt. Markierungen gemacht auf dem Arm. Mit Kugelschreiber auf die Haut gezeichnet, wegen der Genauigkeit. Um die optimale Passform für die Messung zu erreichen.

Ratten holen sich die Nüsse die für die Vögel bestimmt sind. Sie kommen aus den Kanälen wenn es kalt ist. Seit sie den Ahornbaum umgesägt haben steht das Vogelhäuschen auf dem alten Balkon. Früher waren die Ratten auch im Keller.

Der Blutdruck ist am besten im Zustand der völligen Ruhe zu messen. Nur in der Regungslosigkeit des Gehirns erreicht man die effizienteste Messung seines Blutdrucks. Nachzulesen, in jedem medizinischem Ratgeber. Nur dann sind Aufzeichnungen nicht verfälscht. Eine Messung die mir nur im Zustand des völligen Nichtdenkens hundertprozentige Genauigkeit verschaffen kann, dass ich diesen Zustand, des Wartens auf das Nichtdenken, noch Jahre herbeisehnen kann.

Ist es eine Ironie, im Zustand des Nichtdenkens festzustellen ob man noch lebt?
 



 
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