Selbsterkenntnis

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Zaunkönig

Mitglied
Selbsterkenntnis

Tief aus dem unbewussten Dunkel
dringt an mein Ohr ein leis' Gemunkel.
Souffleuren, die mich zart betören,
bin ich gezwungen, zuzuhören.

Ich höre die Stimme des Neides.
Ich höre den Hass, wie er raspelt.
Ich höre die Stimme des Leides.
Ich hör die Vernunft, wie sie haspelt.

Ich höre die Stimme der Unwahrheit,
die Wollust höre ich kochen.
Ich höre die Stimme der Eitelkeit,
die Ungeduld höre ich pochen.

Ich höre die Stimme der Tyrannei.
Ich höre die Gier, wie sie schmachtet.
Ich höre die Stimme der Heuchelei.
Ich hör den Verrat, wie er schachtet.

Ich höre die Stimme der Rebellion,
die Eifersucht höre ich hetzen.
Ich höre die Stimme der Perversion,
die Klinge des Spotts hör ich wetzen.

Den Stimmen hab ich mich verschworen,
sie sind Musik in meinen Ohren,
und leitend steht dem Flüsterchor
als Dirigent die Dummheit vor.
 
D

derMarv

Gast
Äußerst gut, das Beste, was ich bisher hier gelesen habe. Metrum, Stil, Ausdruck sehr gut. Respekt!

10 Punkte!
 

Zaunkönig

Mitglied
Ich danke dem Marv, wer auch immer sich hinter diesem Kürzel verbergen mag, verbindlichst für das Lob. Hat mich natürlich sehr gefreut. Aber habe ich das auch wirklich verdient?

Danke und einen herzlichen Gruß
Werner (Zaunkönig)
 
D

derMarv

Gast
Du hast das Lob verdient, weil es außerdordentlich erfrischend war, mal ein handwerklich gut gemachtes Gedicht zwischen den vielen technisch eher durchschnittlichen Werken (sry...) zu finden und zu lesen. Und da ich noch nicht lange LL-Member bin, kann ich auch mit Fug und Recht behaupten, dass es das Beste bisher war ;).

Danke dafür.

btw: derMarv ist kein besonderes Kürzel, sondern nur die Kurzform von Marvin mit einem Artikel davor ;). Würde mich außerdem freuen, wenn Du Dir mal meine Werke anschauen würdest.

mfg
Marv
 

Zaunkönig

Mitglied
Lieber Marvin

Ich hatte mir bereits vorgenommen, mir Deine Werke etwas näher anzuschauen. Du wirst dann von mir hören.

Gruß
Werner

Einen lieben Gruß auch noch mal an Zarah (hatte ich eben vergessen)
 

Walther

Mitglied
Lieber Zaunkönig,

leider muß ich Wasser in den Wein gießen, denn, was der liebe Marv bemerkte, stimmt leider ganz und gar nicht. Wobei ich nicht den Inhalt meine, vielmehr die sprachliche Gestaltung des Textes, und da allem voran, das Metrum.

Die letzte Strophe ist ein vierhebiger Jambus, kurz: das Knitterversmetrum. Dieses Metrum hältst Du auch in der ersten Strophe durch. In der zweiten aber geht es mit dem Holpern los. Ich habe die Silben blau markiert, wo es holpert.

Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]des[/blue] Neides.
Ich höre [blue]den[/blue] Hass, wie er raspelt.
Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]des[/blue] Leides.
Ich hör [blue]die[/blue] Vernunft, [blue]wie[/blue] sie haspelt.

Ich höre [blue]die[/blue] Stimme der Unwahrheit,
die Wollust hör[blue]e[/blue] ich kochen.
Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]der[/blue] Eitelkeit,
die Ungeduld hö[blue]re[/blue] ich pochen.

Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]der[/blue] Tyrannei.
Ich höre [blue]die[/blue] Gier, [blue]wie[/blue] sie schmachtet.
Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]der[/blue] Heuchelei.
Ich hör [blue]den[/blue] Verrat, [blue]wie[/blue] er schachtet.

Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]der[/blue] Rebellion,
die Eifersucht höre [blue][blue]ich[/blue][/blue] hetzen.
Ich höre [blue]die[/blue] Stimme [blue]der[/blue] Perversion,
die Klinge [blue]des[/blue] Spotts hör [blue]ich[/blue] wetzen.
Der Rhythmus kommt total aus dem Tritt. Stellung und Silbenzahlen stimmen nicht. Das Metrum hat immer eine Hebung und eine folgende Senkung. Man kann mit einer Hebung oder einer Senkung einen Vers beginnen und ebenso beenden, jedoch sind auch hier Symmetrien zu beachten.

Mein Rat an Dich: laut vorlesen, Silben abzählen, auf Hebungen und Senkungen achten. Wer reimt, kann nicht zwei Senkungen zu einer verschmieren, das mag beim Liedtext und bein Rap erlaubt sein, wer allerdings in Heines Tradition einen vierhebigen Knittelvers verwendet, der muß ihn durch sein Werk auch durchhalten, da gibt es kein Vertun.

Den Inhalt will ich nicht bewerten, weil er erst an der zweiten Stelle einer Textkritik kommt.

Zusammenfassung: Erste und letzte Strophe OK, dazwischen rhtythmisch Kraut und Rüben. Also keinesfalls eine 10 sondern allenfalls, weil nett aufgelegt, eine sechs von 10. Das ist immer noch eine sehr gute Benotung und den beiden schön geformten Strophen geschuldet.

Ich hoffe, Du nimmst das offene Wort, wie es gemeint ist: als Hilfestellung, den Text zu einem guten Ende zu bringen, und nicht als persönlichen Angriff.

In diesem Sinne wünsche ich Dir und Marv frohes Feilen am Metrum.

Viele liebe Grüße

W.
 
D

derMarv

Gast
Hallo Walther,

ich verweise nur kurz auf meine Antwort zu der Metrum-Problematik im Thread zu meinem Werk Abendrot und merke kurz an, dass die Einhaltung eines reinen Versmaßes nicht allgemein bindend ist.

Wenn man beim Lesen einen natürlichen Rhythmus der Worte erspürt (und so ist es hier), dann ist es handwerklich gut.

Mfg
Marv
 

Walther

Mitglied
Hallo Marv,

durch die Wiederholung Deines Hinweises zu Deinen Gedicht wird dieser nicht richtiger. Aber sei es drum.

Da Meinungsfreiheit herrscht, wollen wir hier einen Dissenz feststellen, den wir nicht überbrücken können. Wozu auch: Dur hast recht, und ich bleibe dafür bei meiner Ansicht.

Beste Grüße

W.
 

Zaunkönig

Mitglied
Lieber Walther

Ich habe gerade Deine Kritik gelesen und werde sie mir noch in Ruhe zu Gemüte führen. Ich bin natürlich immer dankbar für konstruktive Kritik, also besten Dank für Deine gut gemeinten Ratschläge sowie die Bewertung. Ich komme eventuell noch einmal darauf zurück.

Liebe Grüße
Werner
 



 
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