ShirouKamoSantoku

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Milko

Mitglied
ShirouKamoSantoku
das meer erzählt mir meine geschichte
jede nacht wenn die wellen den gleichklang in der strandung finden
übersät es ein glitzern an sternentönen
mit einer transparenz
keine schichtung von geistern oder schutz gewahr
nimmt

weiter als der horizont und tiefer als jedes meer
scheinbar ein nichts an gefühlten lebenskrämpfen ohne sonne

begleiten traumnächte teile des tages
wird der korpus wässernd und entsagt festes

sumpfschlagheil ist untat contenance deren früchte meeresböden zieren
werden felder bestellt mit einer macht an ernte und nichts macht davor halt

meer an varenheit
durchfährt so
lebensmass
mehrmals meere
wahre

ShirouKamoSantoku

es ist ein schnitt [ 4]die schärfe ist keine
es teilt unmerklich[ 4]durchfährt die klinge
fast ohne zu berühren
fallen
die geteilten stücke
zu beiden seiten

zweigeteilt ein jedes für sich
erkennt man klar das fehl ende
oder war es das ergänz ende
im beiden steckt ein
ende

ohne leben
erzählt
ewig
das meer
 
B

Beba

Gast
Man kann in diesen Text eintauchen, wenn man im Geiste genügend Zeit mitbringt!

Ein Santoku ist übrigens empfehlenswert, wenn man mit der Basis der Schneidetechnik halbwegs vertraut ist. ;)

Ciao,
Bernd, der sich die Finger von 1978 bis 1988 zurechtgeschnitzt hat. ;)
 
P

penelope

Gast
lieber milko,

dauert immer etwas länger bei mir, bevor ich antworte: habe es wirken lassen, gelesen, erspürt... ich habe übrigens ein messer von shirou kamo, kein santoku, sondern einen migaki... aber ich lese es hier sowieso anders, denn dein shiroukamosantoku würde ich mit "aufs messers schneide" übersetzen, denn das sehe ich darin, einen gedanken, einen ausdruck, den du versuchst in eine beständige, dennoch aktive form zu bringen, die auch seine zum unsagbaren offenen, aus noch stummer erfahrung bereichterten ränder fasst, wenn du zunächst die klinge durch den körper fahren lässt, und dann in dieser neusprachlichen brillianz möglichkeiten vorführst, an die man kaum denken würde: zweigeteilt ein jedes für sich/erkennt man klar das fehl ende/oder war es das ergänz ende/im beiden steckt ein/ende... für mich ist deine sprache ein allem-anderen-voraussein, denn es ist fast so, als entwickle das gedicht selbst die stelle mit, an der die begriffe sich befanden, als sie noch keine waren, und du schaust ihm dabei nur zu. du verschließt dich dem konzeptuellen zugriff, mit nichts begabt als einer dringlichkeit, einer fixation, ganz offen nur noch und wirklich eindringlich. ein davor. vor was? die versifikation gliedert die zeit, den reißenden raum, in sinnlich fassbare teile, ein metrum, eine form, in die die zeitdimension allen verstehens deutlicher eingang gefunden hat. ja, dein ganzes gedicht ist ein einziger schnitt: ein zeitschnitt: eine lebenswunde: deshalb auch: ohne leben/erzählt/ewig/das meer...
stets nachvollziehbar für den hörenden leser und lesenden hörer ist der vorgang deines poetischen erkennens nicht, aber was kümmert uns schon der leser: denn wahre dichtung will und darf nicht preisgeben und entblättern bis zum letzten kern, sie will und kann ihn nicht enthüllen. das ist ihre grenze, und deine grenze: die herrliche grenze der dichtung, die freiräume schafft, also echte freiheit... übrigens erinnerte mich dein gedicht an eines aus meiner jugend, und ich konnte ihn wirklich wieder ausgraben: es ist nichts besonderes, nichts, was sich veröffentlichen ließe, dennoch schaute ich in meine jugend zurück, denn ich war sechszehn oder siebzehn als ich es zu papier brachte: dort sitzt es heute noch:

nur ein trieb

ich begann mit dem kleinen finger
fein säuberlich durchtrennte ihn das

schlachtermesser

danach habe ich meine rechte hand
zerstückelt, endlich meinen unterarm

als meine beine mit einer kreissäge
ich dann durchtrennte

vermischte sich das viele blut
mit meiner ohnmacht

und ich sah gerade noch diesen
einen großen schwarzen vogel

der sich eigens anschickte sich
in meinem gehirn einzunisten


lg penelope
 



 
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