Sobeck Nr.2
Im folgenden Sommer boten die Baggerseen zwischen Asperden und Kessel ungetrübte Badefreuden. Häufig erholte sich Birgit Memeler nach den stickigen Bürotagen an einem der Seen, dessen Ufer das Gelände des verfallenen Klosters Graefentahls streifte. Menschenleer war es am See und sie schwamm langsam auf die Seemitte zu. Bislang hatten die Schwäne von ihr nie Notiz genommen. Doch jetzt schien ein Schwanenpaar in ihr einen Eindringling zu sehen. Die mächtigen Vögel schwammen mit sichtbarer Kampfeslust auf Birgit zu. Mit harten Schnabelhieben und schmerzhaften Flügelschlägen drückten sie die Schwimmerin mehrfach unter Wasser.
Unverhofft stieg etwas aus dem Wasser empor und zog einen der Schwäne in die Tiefe. Panisch kraulte Birgit zum Ufer zurück. Sie sah sich kurz um. Der zweite Schwan wurde soeben von einem grünen Kopf erfasst und in die Tiefe gezogen. Alles ging zu schnell, um wie ein deutliches Bild in ihrer Erinnerung haften zu können. Erschöpft erreichte sie das Ufer.
Am nächsten Morgen fand sie einen bunten Blumenstrauß vor ihrem Computer. Auf dem dazu gehörenden Kärtchen stand: Feiern Sie das Leben! Sobeck.
Seltsam, dachte sie, konnte Sobeck die lebensgefährliche Situation beobachtet haben? Blödsinn, versuchte sie sich zu beruhigen, Sobeck ist in altmodischer Weise nett. Das ist alles.
Wenig später betrat er das Büro.
Was machen Sie am Samstag, fragte er unvermittelt.
Keine Ahnung, antwortete sie knapp.
Leicht verlegen fragte Sobeck, wie es mit einem Picknick am Baggersee hinter Graefenthal wäre. Mit fester Stimme fügte er hinzu, dass am Samstag mit einem azurblauen Himmel zu rechnen sei und er Vorbereitungen getroffen habe, um ihr die Atmosphäre eines Märchens bieten zu können. Um zehn Uhr früh könne er sie abholen lassen. Ob ihr das passen würde?
Birgit stimmte zu.
Am Samstag stand ein englisches Taxi vor ihrer Tür. Der Fahrer bat sie, Platz zu nehmen und fuhr sie bis zum Torhaus der baufälligen Anlage. Sie können durch das Gelände laufen, erklärte er. Sobeck würde warten.
Hinter dem Haupthaus lag das Seeufer offen vor ihr. Sie sah ein buntes Sommerzelt. Darunter standen zwei bequeme Gartenstühle und ein ovaler Tisch. Sobeck schritt ihr entgegen. Er trug einen weißen Maßanzug und wirkte darin wie ein Lebemann vergangener kolonialer Zeiten.
Schön das Sie kommen konnten, begrüßte er sie. Er zeigte auf einen der Stühle und bot ihr den Platz an.
Sie mögen Klavierkonzerte, wurde mir berichtet, stimmt das?
Birgit lächelte. Ja es stimmt. Sobeck stand auf und entfernte ein großes Tuch, das er zwischen den Bäumen gespannt hatte. Ein Flügel mit einem Pianisten, der sogleich spielte, stand dort.
Sie können Ihren Mund wieder schließen, flachste Sobeck.
Während sie das Klavierspiel genoß, servierte der wieder erschienene Taxifahrer ein köstliches Frühstück. In einem schwanenartigen Behälter wurde eine mit Pistazien abgedeckte Terrine angeboten, es gab Kaviar, Flußkrebse, Wachteleier, Süßgebäck und eine silberne Kaffeekanne, aus der mit einer marinierten Bewegung der Fahrer Kafffee eingoß, sobald die Tasse leer war.
Sobeck strahlte sie an und sie mußte insgeheim zugeben, mit einem schönen Mann den Vormittag auf ungewöhnliche Weise verbringen zu können.
Ich hoffe doch sehr, flüsterte Sobeck, ihnen gefällt die kleiene Inzenierung.
Mehr als das, betätigte Birgit.
Ihr war zumute, als würde sie von frohen Empfindungen durchdrungen. Nchdem sie beide gefrühstückt hatten, verließen der Fahrer und der Pianist das Ufer. Sobeck wirkte für einen augenblick leicht angespannt. Er nahm zwei Decken und legte sie nebeneinander ins Gras.
Mir ist daran gelegen, Ihnen etwas zu zeigen. Wir müssen dazu das Wasser beobachten.
Beide lagen auf dem Bauch und sahen auf den See hinaus. Sobeck lächelte sie flüchtig an.
Sie dürfen das hier ruhig komisch finden, meinte er, aber warten Sie, es wird werden.
Nach einer halben Stunde wurde Birgit unruhig. Was soll ich denn gleich sehen können, fragte sie.
Alles Wunderbare braucht Zeit, gönnen sie der Erkenntnis noch ein Weilchen. Sobecks Stimme klang verständnisvoll.
Birgit schwieg. Die Wasseroberfläche kräuselte sich und sie fühlte, wie in ihr eine seltsame Gelassenheit aufkam.
Auf der anderen Seite des Sees trat vorsichtig ein Reh ans Ufer. Das zierliche Tier witterte die Umgebung ab, bevor es den Kopf senkte und trank. Und dann setzte eine, nur im ersten Moment schreckliche Veränderung in Birgits Erleben ein. Fand sie das Reh eben noch anmutig, vielleicht sogar niedlich, so wünschte sie jetzt dem Tier die Kehle aufzureißen, es wild zu schütteln und sie spürte den Drang, das Reh fressen zu wollen.
Wie aus einem Tiefschlaf heraus gerissen, hörte sie Sobecks Stimme.
Sie haben nun erkannt, hauchte er. Wie erfüllend es ist zu lauern, lautlos sich der Beute nähern zu können. Um im passenden Moment springen zu können und dann ein fremdes Leben mit dem eigenen Leben zu vereinigen. Sobeck stand auf.
Sehen Sie die Enten dort, fragte er.
Ja, klar.
Möchten Sie den Erpel?
Birgit wollte. Sobeck robbte, ohne ihre Antwort abzuwarten ins Wasser. Das Entenpaar schwamm zweihundert Meter entfernt, ahnungslos dahin. Und dann schoß unerwartet ein mehrere Meter langes Reptil aus dem Wasser und ergriff den Erpel.
Später lagen sie schweigend nebeneinander. Die Sonne wärmte ihre regungslosen Körper. Sobeck reichte ihr ein Foto. Das bin ich, sagte er. Sieh hin. Das Foto zeigte ein mächtiges Krokodil. Prachtvoll.
Ja, sagte Birgit bedächtig, ich werde deine Frau.
Im folgenden Sommer boten die Baggerseen zwischen Asperden und Kessel ungetrübte Badefreuden. Häufig erholte sich Birgit Memeler nach den stickigen Bürotagen an einem der Seen, dessen Ufer das Gelände des verfallenen Klosters Graefentahls streifte. Menschenleer war es am See und sie schwamm langsam auf die Seemitte zu. Bislang hatten die Schwäne von ihr nie Notiz genommen. Doch jetzt schien ein Schwanenpaar in ihr einen Eindringling zu sehen. Die mächtigen Vögel schwammen mit sichtbarer Kampfeslust auf Birgit zu. Mit harten Schnabelhieben und schmerzhaften Flügelschlägen drückten sie die Schwimmerin mehrfach unter Wasser.
Unverhofft stieg etwas aus dem Wasser empor und zog einen der Schwäne in die Tiefe. Panisch kraulte Birgit zum Ufer zurück. Sie sah sich kurz um. Der zweite Schwan wurde soeben von einem grünen Kopf erfasst und in die Tiefe gezogen. Alles ging zu schnell, um wie ein deutliches Bild in ihrer Erinnerung haften zu können. Erschöpft erreichte sie das Ufer.
Am nächsten Morgen fand sie einen bunten Blumenstrauß vor ihrem Computer. Auf dem dazu gehörenden Kärtchen stand: Feiern Sie das Leben! Sobeck.
Seltsam, dachte sie, konnte Sobeck die lebensgefährliche Situation beobachtet haben? Blödsinn, versuchte sie sich zu beruhigen, Sobeck ist in altmodischer Weise nett. Das ist alles.
Wenig später betrat er das Büro.
Was machen Sie am Samstag, fragte er unvermittelt.
Keine Ahnung, antwortete sie knapp.
Leicht verlegen fragte Sobeck, wie es mit einem Picknick am Baggersee hinter Graefenthal wäre. Mit fester Stimme fügte er hinzu, dass am Samstag mit einem azurblauen Himmel zu rechnen sei und er Vorbereitungen getroffen habe, um ihr die Atmosphäre eines Märchens bieten zu können. Um zehn Uhr früh könne er sie abholen lassen. Ob ihr das passen würde?
Birgit stimmte zu.
Am Samstag stand ein englisches Taxi vor ihrer Tür. Der Fahrer bat sie, Platz zu nehmen und fuhr sie bis zum Torhaus der baufälligen Anlage. Sie können durch das Gelände laufen, erklärte er. Sobeck würde warten.
Hinter dem Haupthaus lag das Seeufer offen vor ihr. Sie sah ein buntes Sommerzelt. Darunter standen zwei bequeme Gartenstühle und ein ovaler Tisch. Sobeck schritt ihr entgegen. Er trug einen weißen Maßanzug und wirkte darin wie ein Lebemann vergangener kolonialer Zeiten.
Schön das Sie kommen konnten, begrüßte er sie. Er zeigte auf einen der Stühle und bot ihr den Platz an.
Sie mögen Klavierkonzerte, wurde mir berichtet, stimmt das?
Birgit lächelte. Ja es stimmt. Sobeck stand auf und entfernte ein großes Tuch, das er zwischen den Bäumen gespannt hatte. Ein Flügel mit einem Pianisten, der sogleich spielte, stand dort.
Sie können Ihren Mund wieder schließen, flachste Sobeck.
Während sie das Klavierspiel genoß, servierte der wieder erschienene Taxifahrer ein köstliches Frühstück. In einem schwanenartigen Behälter wurde eine mit Pistazien abgedeckte Terrine angeboten, es gab Kaviar, Flußkrebse, Wachteleier, Süßgebäck und eine silberne Kaffeekanne, aus der mit einer marinierten Bewegung der Fahrer Kafffee eingoß, sobald die Tasse leer war.
Sobeck strahlte sie an und sie mußte insgeheim zugeben, mit einem schönen Mann den Vormittag auf ungewöhnliche Weise verbringen zu können.
Ich hoffe doch sehr, flüsterte Sobeck, ihnen gefällt die kleiene Inzenierung.
Mehr als das, betätigte Birgit.
Ihr war zumute, als würde sie von frohen Empfindungen durchdrungen. Nchdem sie beide gefrühstückt hatten, verließen der Fahrer und der Pianist das Ufer. Sobeck wirkte für einen augenblick leicht angespannt. Er nahm zwei Decken und legte sie nebeneinander ins Gras.
Mir ist daran gelegen, Ihnen etwas zu zeigen. Wir müssen dazu das Wasser beobachten.
Beide lagen auf dem Bauch und sahen auf den See hinaus. Sobeck lächelte sie flüchtig an.
Sie dürfen das hier ruhig komisch finden, meinte er, aber warten Sie, es wird werden.
Nach einer halben Stunde wurde Birgit unruhig. Was soll ich denn gleich sehen können, fragte sie.
Alles Wunderbare braucht Zeit, gönnen sie der Erkenntnis noch ein Weilchen. Sobecks Stimme klang verständnisvoll.
Birgit schwieg. Die Wasseroberfläche kräuselte sich und sie fühlte, wie in ihr eine seltsame Gelassenheit aufkam.
Auf der anderen Seite des Sees trat vorsichtig ein Reh ans Ufer. Das zierliche Tier witterte die Umgebung ab, bevor es den Kopf senkte und trank. Und dann setzte eine, nur im ersten Moment schreckliche Veränderung in Birgits Erleben ein. Fand sie das Reh eben noch anmutig, vielleicht sogar niedlich, so wünschte sie jetzt dem Tier die Kehle aufzureißen, es wild zu schütteln und sie spürte den Drang, das Reh fressen zu wollen.
Wie aus einem Tiefschlaf heraus gerissen, hörte sie Sobecks Stimme.
Sie haben nun erkannt, hauchte er. Wie erfüllend es ist zu lauern, lautlos sich der Beute nähern zu können. Um im passenden Moment springen zu können und dann ein fremdes Leben mit dem eigenen Leben zu vereinigen. Sobeck stand auf.
Sehen Sie die Enten dort, fragte er.
Ja, klar.
Möchten Sie den Erpel?
Birgit wollte. Sobeck robbte, ohne ihre Antwort abzuwarten ins Wasser. Das Entenpaar schwamm zweihundert Meter entfernt, ahnungslos dahin. Und dann schoß unerwartet ein mehrere Meter langes Reptil aus dem Wasser und ergriff den Erpel.
Später lagen sie schweigend nebeneinander. Die Sonne wärmte ihre regungslosen Körper. Sobeck reichte ihr ein Foto. Das bin ich, sagte er. Sieh hin. Das Foto zeigte ein mächtiges Krokodil. Prachtvoll.
Ja, sagte Birgit bedächtig, ich werde deine Frau.