Sommersturm (Distichon)

JackoF

Mitglied
Hallo Bernd,

bin ein sehr interessierter Mitverfolger zu Eurer(Du und Claudia/kakadu) Distichon-Arbeit.
Habe mal diesen Zweizeiler betont :
(schwarz - vielleicht, wie Du es betontest(nach Theorie),
und [blue]blau[/blue] - wie ich es betonen würde)


Unbill und Sturm schickt im Sommer der Wettergott über das Land,
XxxXxxXxxXxxXxxX / [blue]Xxx XXx Xxx XxX Xxx X / schickt – X / Wettergott - XxX[/blue]
knickt der Baum dann um, bleibt auf der Straße viel Laub.
XxXxX, XxxXxxX / [blue]XxXxx, XxxXxxX / dann um - xx[/blue]

Würde mich freuen, mir mal aufzuzeigen, wie Du es für Dich tatsächlich betontest :))

Soweit ich weiß, müsste doch im Hexameter am Ende ein kompletter Trochäus stehen.
Demnach(als Bsp) :...."über die Länder"

und ein interessiertes Tschüss, Jacko

--
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Jacko, und Danke für die Hinweise.

Ich betone es tatsächlich:

Unbill und Sturm schickt im Sommer der Wettergott über das Land,

"Wettergott" ist auf der ersten Silbe betont und hat auf der letzten allenfalls eine leichte Nebenbetonung.

Eigentlich betone ich es außerdem melodisch: Es beginnt mit einer hohen Silbe "Wett", geht mit einer etwas tieferen Silbe "ter" weiter und endet mit der tiefsten Silbe "gott". Alle haben etwa die gleiche Länge.

Den letzten Trochäus werde ich vervollständigen.

Ich habe die Form und ihre Grenzen noch nicht bis zum Ende "verinnerlicht" - wahrscheinlich, weil ich auch vorhandene Vorlagen unterschiedlich lese.

Die erste Zeile hat jetzt eine Art "Dreivierteltakt" - wie der Walzer.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Unbill und Sturm schickt im Sommer der Wettergott über die Lande,
knickt der Baum dann um, bleibt auf der Straße viel Laub.
 

JackoF

Mitglied
Hallo Bernd,

mit dem Betonen ist das teilweise sowieso eine rein individuelle Sache – Klar !!

Deine beiden Zeilen :
Unbill und Sturm schickt im Sommer der Wettergott über die Lande,
[blue]knickt der Baum dann um, bleibt auf der Straße viel Laub.[/blue]

Habe nochmal in mich betonend reingehört - Meine folgenden Betrachtungen seien auch bitte nur als Diskussionsfragen zu nehmen !
Beispiele, wie ich es betone :

der Wettergott ist laut
der Wettgott grummelt
der Wettergott grummelt <=> Wettergott über <= Dein Text /( also beides wegen folgendem grummelt oder über ??? )

ginge nicht auch :
der Wettergott grummelt <= [blue]nun mit Spondeus ???[/blue]

----------------------------------------------

Und nun nochmal zum trennbaren Verb umknicken
(in der Trennung wird für mich die Vorsilbe „um“ nun unbetont)

die Bäume werden umknicken
die Bäume sind umgeknickt
es knickt der Baum um

der Baum knickt um / ??????????????
Für mich : der Baum knickt um / oder : der Baum knickt um

der Baum knickt um, fällt in die Tiefe / ??????????????
Für mich : der Baum knickt um, fällt in die Tiefe
......oder : der Baum knickt um, fällt in die Tiefe


Bernd, mal so meine nun Betrachtungen - was meinst Du dazu ??

Tschüss, Jacko

--
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Betonung hängt auch davon ab, was man hervorheben möchte.

umknicken

knickt der Baum dann um, - Zeit wird betont.

knickt der Baum dann um, Umknicken des Baumes wird betont.

Eigentlich trifft hier auch "Hebung" zu. Bei der Betonung wird die Stimme "gehoben".

Die Bäume werden umknicken - Es geht um die Bäume.
Die Bäume werden umknicken - es geht darum, dass die Bäume umknicken, beides ist wichtig.

Die Bäume werden umknicken! Auch, dass es in der Zukunft liegt, ist wichtig.

Die Bäume werden umknicken! Es wird hervorgehoben, dass es um eine Befürchtung und Vorhersage geht.

Eine Differenzierung ergibt sich auch durch Geschwindigkeit, Takt und Sprachmelodie.


/Die ume/werden/ um/knicken/ dadie dadie dadiedada

/Die Bäume werden/ umknicken/ dadadadada diedada
 

kakadu

Mitglied
Hallo Bernd, hallo Jacko!

Schön, Euch beide hier im Gespräch zu sehen. Da geselle ich mich gerne
dazu, denn der Diskussionsansatz von Jacko ist höchst interessant.

Es wär schon im Sinn des traditionellen Distichons, für die unbetonten
Stellen auch möglichst unscheinbare Silben zu wählen. Im Distichon
geht es ja darum, einen wirkungvollen Kontrast im Betonungsmuster
zwischen Hexameter und Pentameter zu setzen.

Ich geb mal ein Beispiel, wie sich m.E. der Hexameter anschmiegsamer
und der Pentameter entsprechend kontrastierender lesen würden:


Unbill und Stürme verwüsten im Sommer die blühenden Gärten.
Gnadenlos fällst du den Baum. Wettergott, musste das sein?



Hexameter haben aber für mich wegen ihrer unvergleichlichen Klangfülle
einen ganz besonderen Reiz, und zufällig experimentiere ich gerade
damit. Es scheint mir fast, als könnte der wohltönende Effekt dieser
Verse sogar noch verstärkt werden, wenn wir weniger auf Gleichklang
und alternierende Elemente, und dafür mehr auf das Hervorheben der
inhaltlichen Besonderheiten achten würden. Mit anderen Worten: Nicht
glätten, sondern aufrauen.

Unbill und Sturm schickt im Sommer der Wettergott über das Land,
Wenn ich mir Deinen Hexameter daraufhin anschaue, lieber Bernd,
und ihn mal ein bisschen eigenwilliger ixe

XxxX XxXx xXxX XxxX

bekommt er eine völlig andere Struktur und entwickelt sich in seiner
ganzen Klangfülle zu einem Prachtvers! Na schön, für ein Distichon
ist er so nicht mehr verwendbar, hat dafür aber viel an Ausdrucksstärke
gewonnen. Lest ihn mal laut nach meiner Betonung. Empfindet Ihr es
auch so, oder spinne ich?

Ich bin gespannt auf Eure Meinung.

Liebe Grüße
Claudia

P.S. Sorry, Eure letzten Beiträge sind mir während des Schreibens
entgangen. B.B. gehe ich später nochmal darauf ein.
 



 
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