Strömungen

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Ralf Langer

Mitglied
Strömungen

I

Wenn sich die Schatten vermehren,
nicht die der Frühe, die der Nacht
und sich die Tränen vermählen,
die du geweint, die du gelacht.

Ist in deinem Blut noch das Strömen
des schlammtragenden Nil.
Wohin neigst du ? - Ist es Versöhnen:
Mit der Quelle? - dem Ziel?

II

Den Rubicon zu queeren,
das hast du dir ausgedacht,
mit deinen letzten Speeren
in die allerletzte Nacht:

Es geht ja nicht um Siegen,
nur einmal noch mit deiner Macht,
willst du den Tag verschieben
der am Ende den Anfang macht

III

Der letzte Strom heißt Lethe:
in ihr bist du – vergessen -
klingen dann leise Gebete,
die Andere für dich sprechen.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Ralf (und Grammatikexperten),
ehe ich dann dein Gedicht noch auf mich wirken lasse, mal vorab:
des schlammtragenden Nil.
Da ich mich an dieser Stelle gefragt habe: Nil mit oder ohne s am Ende, habe ich mal "Wasserstand des Nil(s)" gegoogelt, mal war dann "Wasserstand des Nil" und mal "Wasserstand des Nils" zu lesen. Was sagen die Experten hierzu? Ist beides möglich?
lg wüstenrose
 

wüstenrose

Mitglied
Ist in deinem Blut noch das Strömen
des schlammtragenden Nil.
Wohin neigst du ? - Ist es Versöhnen:
Mit der Quelle? - dem Ziel?
Die zweite Strophe spricht mich am stärksten an. Meine Assoziationen hierzu: Trage ich noch die Ablagerungen, den "Schlamm der Geburt und Kindheit" in mir? Bin ich nach zig-Jahren und hunderten von zurückgelegten Kilometern immer noch am Anfangspunkt? Wo bewege ich mich hin? Kann ich mich mit meiner Geburt (Herkunft) versöhnen? Mit meinem Tod? Gibt es etwas, das zwischen Geburt und Tod liegt, ist es greifbar? Fließt alles ineinander?

(bei "queren" - Strophe 3 - hast du ein e zuviel gesetzt)

lg wüstenrose
 

Ralf Langer

Mitglied
Strömungen

I

Wenn sich die Schatten vermehren,
nicht die der Frühe, die der Nacht
und sich die Tränen vermählen,
die du geweint, die du gelacht.

Ist in deinem Blut noch das Strömen
des schlammtragenden Nil.
Wohin neigst du ? - Ist es Versöhnen:
Mit der Quelle? - dem Ziel?

II

Den Rubicon zu queren,
das hast du dir ausgedacht,
mit deinen letzten Speeren
in die allerletzte Nacht:

Es geht ja nicht um Siegen,
nur einmal noch mit deiner Macht,
willst du den Tag verschieben
der am Ende den Anfang macht

III

Der letzte Strom heißt Lethe:
in ihr bist du – vergessen -
klingen dann leise Gebete,
die Andere für dich sprechen.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo wüstenrose,

erst einmal herzlichen Dank für deine Amerkungen.

Ich möchte zu diesem Zeitpunkt erst einmal auf mögliche andere Kommentare warten.
Dir einen lieben Gruß
Ralf
 

Tula

Mitglied
Hallo Ralf

ich lese es aus der Perspektive der Erwartung des Lebensendes, eine Frage / Aufforderung zu einem letzten Kampf, um das Ende noch einmal hinauszuzögern oder wenigstens das Beste daraus zu machen.

Die Metapher mit dem Rubicon (oder Rubikon) ist dennoch nicht unbedingt treffend. Cäsar ging es sehr wohl um den Sieg, es war eher ein "Jetzt oder Nie", politisches Abenteuer mit Kalkül. Man sollte vielleicht auch nicht immer vom Leser tiefergehende Geschichtskenntnisse erfordern. Ginge vielleicht auch verallgemeinernd "... den letzten Fluss zu queren" o.ä.

Ich lese den Nil hier als Verkörperung eines ewigen Kreislaufs und des Lebens schlechthin, so wie ihn seine Anwohner vor Tausenden von Jahren sahen. "Versöhnen" kann man sich in dieser Betrachtung natürlich eher mit dem Ziel, wobei das Ziel dennoch als Quelle eines neuen Anfangs stehen kann.

Also gern gelesen, inspirierend. Gerade der erste Teil erinnert irgendwie an einige von G. Benn, was mich aber überhaupt nicht stört, ganz im Gegenteil

LG
Tula
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Tula,

herzlichen Dank für deinen Kommentar.

Eine interessante Frage : ob es denn möglich sei sich mit seinen Quellen zu versöhnen.

Ich halte es nicht für unmöglich. Vielleicht bleibt es beim Versuch.

Hm, der Rubicon. Die historische Darstellung deinerseits ist ja richtig. Aber die Metapher, den „Rubicon zu queeren“, ist doch auch lösgelöst aus dem konkreten historischen Ereignis möglich.

Heißt es doch eine Grenze zu überschreiten von wo aus kein zurück( mit allen Konsequenzen) mehr möglich ist.
Im Kontext meines Gedichtes halte ich den „Rubicon“ für wichtig. Er beschreibt für mich eine Alters/Lebensgrenze, die am besten „bewusst“, überschritten wird.

Der Rubicon ist eben nicht der Jordan( den ich zu Anfang favorisiert ) hatte. Der Jordan ist schon eine jenseitige Metapher. Der Rubicon ist auch metaphorisch „irdische“ Metapher.

Mich in die Nähe von Gottfried Benn zu stellen (sowohl formell als auch inhaltlich) nehme ich dankenswert zur Kenntnis.

Ich bin ein großer Verehrer seiner Kunst

Lg
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Wüstenrose,

nochmals herzlichen dank für die weiterführenden Gedanken, die du hier hinterlegt hast.

Die Thematik der Zeilen hast du wie ich finde gut interpretiert.

Das "Versöhnen", zumindest den Versuch halte ich auch für wichtig.
Auf einer metaphorischen Ebene, die nicht wirklich angedeuetet ist, aber bei meinen Gedanken um dieses Gedicht ein tragende Rolle spielte, dachte ich bei "versöhnen" an die ersten Brüder der biblischen geschichte.

tragen wir nicht alle "Kain und Abel" in uns?

Lg
Ralf
 

Roman

Mitglied
Hallo Ralf,​
dieses Gedicht erinnert mich ganz stark an Gottfried Benn.
Dessen Rhythmus ist unvergleichlich.

Mit lesenden Grüßen

Roman
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Roman,

herzlichen Dank für dein Statement.

Es ist - so denke ich - in der LL ein offenes Geheimnis das ich der Bennschen Dichtung, und dem Expressionismus sehr nahe stehe.

Man liest sich

ralf
 



 
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