Sylvesterfeier

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Vier Stunden hab ich in der Küche gestanden und das Essen gekocht. Zwanzig Minuten hat es gedauert, bis sie es in sich hineingeschaufelt haben.

Der Mund wurde abgewischt, man hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht und lässt sich von mir weiter bedienen. Kein „Danke“, kein „das hat gut geschmeckt“. Ich könnte…

Naja, egal. Ich muss erst einmal den Tisch abräumen, das Geschirr in die Spülmaschine packen, das Chaos in der Küche beseitigen und dann werde ich mir auch etwas Ruhe gönnen.

Was murmelt Schwiegermutter ihrem Mann da zu? Ich sehe aus, als wenn ich zu oft feiern gehen würde? Und meine Kleidung ist für eine Frau meines Alters zu jugendlich?

Warum sehe ich wohl so müde aus? Weil ich seit drei Tagen, seit mein Mann freudestrahlend erklärt hat, dass seine Eltern mit uns Sylvester feiern wollen, herumgewirbelt bin, um das Haus so sauber zu haben, dass Schwiegermutter nichts zu meckern hat.

Und meine Kleidung? Die geht sie doch wohl überhaupt nichts an. Soll ich mich etwa in ein Korsett zwängen und in einem engen Schneiderkostüm rumlaufen? So alt bin ich doch wirklich noch nicht. Und mein Mann tut so, als ob er nichts gehört hätte. Typisch!

So. Die Küche ist wieder sauber. Jetzt werde ich mir ein gutes Glas Wein gönnen.

„Liebling, meine Eltern haben grade beschlossen, heute Nacht hier zu bleiben. Ist das nicht toll?“

Mein Mann steht fröhlich neben mir in der Küche. Er ist glücklich und ich stehe am Rande eines Nervenzusammenbruchs.

Also kein Glas Wein, stattdessen auf in die obere Etage und die Gästebetten frisch beziehen und zusätzliche Handtücher ins Bad hängen.

„Habt ihr noch kaltes Bier?“ Schwiegervater steht unten an der Treppe. Warum fragt er nicht seinen Sohn? Der ist näher am Kühlschrank als ich. Und warum kann er nicht selbst die fünf Schritte gehen und sich ein Bier aus dem Kühlschrank holen. Also runter in die Küche.

„Bringst du mir ein Glas Mineralwasser?“ Natürlich hat Schwiegermutter gewartet, bis ich mich hingesetzt habe.

Wieder ab in die Küche, Mineralwasser und ein Glas geschnappt, ein Lächeln aufgesetzt und vor Wut an der Wohnzimmertür stehen geblieben.

Schwiegermutter fährt mit ihren Fingern über die obere Kante des Wohnzimmerschranks und überprüft, ob ich da oben Staub gewischt habe.

Sie sieht enttäuscht aus. Ihre Finger sind sauber geblieben.

Sie hat gesehen, dass ich ihre Aktion bemerkt habe, trotzdem scheint sie kein schlechtes Gewissen zu haben. Seelenruhig setzt sie sich neben ihren Mann und wartet, dass ich ihr das Wasser reiche.

Kurz vor elf. Endlich kann ich mich hinsetzen. Meine Füße brennen und langsam bekomme ich Kopfschmerzen. Trotzdem versuche ich weiter, meine Gäste anzulächeln. Mit mir unterhält sich niemand. Stattdessen werde ich gefragt, ob es nicht noch kleine Häppchen gibt.

Schwiegermutter meint mit belehrendem Ton, dass das doch wohl zu einer Sylvesterfeier gehört.

Ich koche vor Wut. Die Drei glauben wohl, dass ich hier nur die Bedienung wäre. Gut. Sie sollen ihre Häppchen bekommen. Ich habe da etwas ganz besonderes für sie.

Um kurz nach elf bin ich wieder im Wohnzimmer und stelle eine Platte mit Canapés auf den Tisch. Wie ausgehungert stürzen sie sich auf die Häppchen, dabei haben sie beim Abendessen auch schon mächtig zugeschlagen.

Niemanden fällt auf, dass ich mir nichts nehme.

„Ich hole schon einmal den Sekt und die Gläser, damit wir nachher auf den Jahreswechsel anstoßen können.“ Nur Schwiegervater nickt, die Übrigen vertilgen die letzten Brotscheiben.

Einige Minuten später kommt Schwiegervater in die Küche. Er ist sehr bleich.

„Krankenwagen“, stammelt er. „Herzinfarkt.“ Dann bricht er zusammen.

Ich steige über seinen Körper und gehe ins Wohnzimmer. Schwiegermutter und mein Mann liegen, mit weit offenen Augen, auf dem Teppich.

Ich beuge mich hinunter und untersuche sie. Kein Puls.

Auch Schwiegervater ist nicht mehr am Leben. Die drei haben mit den Häppchen so viel Digitalis zu sich genommen, dass auch ein ausgewachsener Elefant einen anaphylaktischen Schock bekommen und daran gestorben wäre.

Die Fingerabdrücke der Schwiegermutter sind schnell auf der Schüssel mit dem Thunfischaufstrich, dem Kochlöffel und dem Herzmittelfläschchen verteilt, das offene Fläschchen lege ich auf das Küchenboard über der Arbeitsfläche, so dass die letzten Tropfen in die Schüssel fallen.

Nun noch die mit weniger Digitalis präparierten Canapés gegessen und dann kann ich den Notarzt anrufen.

„Müller, Rotenstraße 12. Hilfe! Bitte kommen sie schnell! Vier Personen sind…“ Dann lege ich auf.

Ah! Mitternacht. Ich öffne die Haustür, nehme mein Glas Sekt und proste mir vor dem Spiegel lächelnd zu.

„Ein frohes neues Jahr.“

Dann lege ich mich mit dem Telefon in der Hand neben die geöffnete Tür, schließe die Augen und warte.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Schreibzwergin,
ein sehr gelungener Krimi, das Motiv ist durchaus nachvollziehbar, aber das ganze Pack gleich umzubringen, war wirklich nicht nötig.
Da ist nämlich noch das Problem mit dem Digitalis. Das hat man ja immer zur Hand!
Hier wäre noch dran zu arbeiten!
Die heilige Schrift, die da heißt Wikipedia, gibt Auskunft darüber, dass Digitalis u. A. im Fingerhut vorkommt. Im Vorfeld! wäre da etwas zu machen.
Dass sich die Protagonistin gleich mit umbringt, ist ein wenig ‘out of Character‘!
Aber ansonsten eine gelungene Geschichte!

In diesem Sinne
Yours Hagen
____________
Nichts endet wie geplant!
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ein bisschen unglaubhaft: Entweder sie hat die Sache seit der Ankündigung des Schwiegerelternbesuches geplant, dann ist sie trotz allem entspannter (vielleicht sogar heiter) gegenüber der Schikanen, oder es ist eine Tat im Quasi-Affekt, dann wäre hilfreich zu sehen, wie sie so schnell an Canapee-taugliches Digitialis-Zeug kommt.

Der Plan ist – sorry – Müll: Wenn SchwieMu es getan hätte, hätte sie ja wohl kaum selbst so zugelangt – jedem Krimi-Deppen würde das auffallen. Und dass das Fläschchen zufällig umgekippt und der Inhalt in den Aufstrich gelaufen ist, ist auch (so sparsam erzählt) fragwürdig: Was macht die Medizin auf dem Küchenbord, warum ist sie aufgeschraubt und wem gehört sie eigentlich? Was ich sagen will: Ein bisschen mehr "Konstruktion des Falles" wäre wirklich gut, so ist es die vorschnelle Niederschrift einer spontanen Idee.



Welcher Herr Sylvester wird denn da gefeiert? ;)

Weitere Details:

Vier Stunden hab ich in der Küche gestanden und das Essen gekocht. Zwanzig Minuten hat es gedauert, bis sie es in sich hineingeschaufelt haben.

Der Mund wurde abgewischt, man hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht und lässt sich von mir weiter bedienen. Kein „Danke“, kein „das hat gut geschmeckt“. Ich könnte…
* Die Zeiten klingen unrund. Wenn X das Erzähljetzt (sie lassen sich bedienen) ist, dann fand (laut Grammatik) das Kochen und Verputzen in der gleichen Zeitebene Vor-Jetzt (X-n) statt, das Mundabwischen aber echt in der Vergangenheit (X-n-m).
* Leerzeichen vor den drei Punkten



Was murmelt Schwiegermutter ihrem Mann da zu? … Und meine Kleidung ist für eine Frau meines Alters zu jugendlich?



Und meine Kleidung? Die geht sie doch wohl überhaupt nichts an. Soll ich mich etwa in ein Korsett zwängen und in einem engen Schneiderkostüm rumlaufen? So alt bin ich doch wirklich noch nicht.
Versteh ich nicht. Wieso sollten Korsett und enges Schneiderkostüm "altersgerechte" Kleidung sein?

Die Küche ist wieder sauber. Jetzt werde ich mir ein gutes Glas Wein gönnen.
… ein gutes Glas oder ein Glas guten Weines?



Mein Mann steht fröhlich neben mir in der Küche. Er ist glücklich und ich stehe am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Wen die Dopplung "stehen" Witz haben soll, dann müssen die beiden Teile unmittelbar aufeinander folgen: "Er steht in der Küche und ich stehe am Rand eines Nervenzusammenbruches."

Also kein Glas Wein, stattdessen auf in die obere Etage und die Gästebetten frisch beziehen und zusätzliche Handtücher ins Bad hängen.
Konstruktionsfehler: Wenn es der Mord geplant ist, dann tut sie das nicht. Sie tut höchstens so, als würde sie es tun.


Kurz vor elf. Endlich kann ich mich hinsetzen. Meine Füße brennen und langsam bekomme ich Kopfschmerzen. Trotzdem versuche ich weiter, meine Gäste anzulächeln. Mit mir unterhält sich niemand. Stattdessen werde ich gefragt, ob es nicht noch kleine Häppchen gibt.

Schwiegermutter meint mit belehrendem Ton, dass das doch wohl zu einer Sylvesterfeier gehört.
Schnellschuss-Text? Das hier klingt extrem danach, als hättest du die Idee mit der SchwieMu-Bemerkung quasi nachträglich gehabt und schnell hingetippselt. Statt die Idee "einziges Unterhaltung: Gibt es noch Häppchen?" mit der Idee "Das gehört sich!" irgendwie logisch-fließend zu verbinden knallst du sie - durch den Absatz betont – einfach hinten dran.


Ich koche vor Wut. Die Drei glauben wohl, dass ich hier nur die Bedienung wäre. Gut. Sie sollen ihre Häppchen bekommen. Ich habe da etwas ganz besonderes für sie.
die drei

Um kurz nach elf bin ich wieder im Wohnzimmer und stelle eine Platte mit Canapés auf den Tisch. Wie ausgehungert stürzen sie sich auf die Häppchen, dabei haben sie beim Abendessen auch schon mächtig zugeschlagen.
Auch hier schnell die Erklär-Idee mit dem Abendessen schnell genannt statt sie in "Handlung" (oder Gedanken) zu "übersetzen".

Niemanden fällt auf, dass ich mir nichts nehme.
Wenn schon so, dann "niemandem".

Die drei haben mit den Häppchen so viel Digitalis zu sich genommen, dass auch ein ausgewachsener Elefant einen anaphylaktischen Schock bekommen und daran gestorben wäre
.
"Digitalis" löst einen anaphylaktischen Schock (Extremreaktion des Immunsystems) aus??


„Müller, Rotenstraße 12. Hilfe! Bitte kommen sie schnell! Vier Personen sind…“ Dann lege ich auf.
Leerzeichen vor den drei Punkten
Sie
Konstruktionsfehler: Wieso legt sie auf? Glaubhafter wäre, es nicht zu tun.

Ich öffne die Haustür, nehme mein Glas Sekt und proste mir vor dem Spiegel lächelnd zu.
Konstruktionsfehler: Wieso, so wird sich der Ermittler fragen, ist die Haustür offen? Die Täterin (SchwieMu) ist tot, die Anruferin mitten im Satz zusammengebrochen.
 



 
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