The Wohnheim

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Mika

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Weil sich Sebastian von seiner Freundin getrennt hat (wurde auch Zeit, wenn man mich fragt) ist er übergangsweise in eines dieser typischen Studentenwohnheime gezogen. So einem mit immer Licht an im Flur und Waschmaschine im Keller; mit Treppenaufgängen, in denen es seltsam nach Haustier und Essen riecht und mit Zimmern so klein, dass man quasi gleich auf dem Sofa liegt, wenn man die Wohnung betritt; wo man den Abwasch von der Toilette aus erledigen könnte, wenn da keine Zwischenwände wären, und wo man eigentlich schon beim Reingehen denkt:
„Besser gleich wieder raus!“
Platte eben.

Aber was soll’s, ich wohne ja nicht hier, sondern muss nur ein paar Stunden an diesem Ort verbringen, da ich zur Einweihung eingeladen bin. Später wollen noch einige unsere Kommilitonen, sowie die berüchtigte Ex vorbeischauen.
Bis dahin sitzen Sebastian und ich in der Küche, oder dem was sich so nennt, rauchen, trinken das letzte bisschen Kaffee, das er noch aus der alten Wohnung hat und plaudern vergnügt.
Und dann plötzlich: Rums!
Als Geräuschquelle lokalisieren wir die einer Fußgängerzone nicht unähnliche Bepflasterung vor dem Haus. Wir gucken aus dem Fenster. Auf dem Gehweg liegt ein zerschmetterter Fernseher, es folgen einige Geschirrstücke und eine Wassermelone. Noch Kräuter obendrauf und jetzt wird das Ganze gefilmt.
Sebastian fühlt sich arg gestört, motzt, die sollen gefälligst nicht solchen Lärm machen, geht aber selbst nicht hinunter, um die Sache zu klären, sondern beschwert sich lieber bei mir: „Das ist einer von diesen Architekturstudenten!“
Logisch, war ja klar. Auf solchen Mist können nur angehende Architekten kommen.
Wir Designer haben ja auch allerhand sinnlose Flausen im Kopf, allerdings haben unsere Projekte wenigstens einen ästhetischen Wert.
Ich meine, was ist das? Ein Super Fluxus-Happening, eine dadaistische Objektkunst, eine neue Methode die Belastbarkeit von Gehwegen zu testen?
Ich will es im Grunde gar nicht wissen, aber Sebastians Verstimmung nervt, weshalb ich mich eine halbe Minute später empört eine Etage tiefer befinde.
Ich bin in Fahrt, ich nehme mir vor, diesem Kerl richtig die Meinung zu geigen; ihm was zu erzählen von wegen, unfair gehandelten Gewürzen aus Dritte-Welt-Ländern, Industriekapitalismus und der Absurdität von Melonengeschossen während die Kinder in Afrika hungern.
Ich klopfe energisch.
In der Tür steht ein Typ mit zarten Händen und einem intelligenten Gesicht und guckt mich fragend an. Noch nie habe ich in so blaue Augen gesehen...
Und so langsam verliere ich die Fassung. Es ginge ja noch, wäre er nur intelligent oder nur hübsch. Aber diese Kombination aus Schönheit und Intelligenz, die hier vor mir steht, ist fatal.
Also hole ich tief Luft und habe gerade die ersten paar Sätze gesprochen, da sagt er in reinstem Oxford-English: „Pardon, I speak English only“
Auch das noch! Gutaussehend, klug, Architekt UND Engländer - vor mir steht mein Traummann.
Ich gestikuliere. Ringe verzweifelt nach Worten. Versuche, ihm klar zu machen, dass ich in Englisch eine 5 hatte und ich den Fremdsprachenvorlesungen an der Uni bisher immer erfolgreich ferngeblieben bin.
„Äh.…. don’t be so loud here in the Wohnheim....“, stammele ich.
„Oh, I’m sorry, if I disturbed you but I’ve got to shoot a film for my final presentation tomorrow.”, erwidert er. “Aha, but if you don’t stop it I go to the housemaster “. O mein Gott! Wenn das so weitergeht, blamiere ich mich hier noch völlig. Aber er lächelt.
Und dann sagt er in furchtbarem Deutsch: „Ick glaube, ick brauke Nakhilfe für Deutsch “ und führt mich in die Wohnung.
 



 
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