Tourist

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Melisande

Mitglied
Tourist

Ich spüre die Wärme die die alten Backsteingebäude aufgenommen haben und nun dankbar abgeben. Die Oberfläche der Steine, auf denen bröckelnde Reste flüsternd von vergangenen Tagen erzählen, fühlt sich rau an. Zum Teil sogar scharfkantig und spitz. Mit geschlossenen Augen gleiten meine Finger über den groben Stein. Ich atme tief. Atme die Luft. Atme das Wasser. Atme den Staub.

Am Rande meines Bewusstseins spüre ich die Vergangenheit. Spüre die Hände, die eben diesen Stein einst berührt haben. Die ihn geschaffen haben. Die ihn transportiert haben. Die ihn verbaut haben. Die ihn verputzt haben und bemalt haben. All die zahlreichen kurzen Augenblicke von Begegnungen. All die Gefühle. Angst, Freude, Euphorie, Ärger, Trauer und friedliche Ruhe. Meine Finger gleiten weiter vertiefen sich in das Gefühl dieses einen Steins.

Erschrocken und bestürzt zucken sie zurück, so plötzlich rissen sie mich aus diesem Moment, dass ich meine Augen aufreiße und es mir den Atem raubt. Ich betrachte sie und kann diesem einen Backstein ein weiteres Gefühl zuordnen: Schmerz.

Rotes Leben gleitet meinen Finger hinab und tropft auf den Stein welcher sich in unterschiedlich großen Wegplatten unter meinen Füßen erstreckt. Hastig wische ich es weg. Möchte ihren Zorn nicht erwecken.

Schließlich wende ich mich wieder dem Backstein zu. Ich betrachte ihn. Versuche ihn nun mit meinen Augen zu erfassen. Verfolge seine Erhebungen und seine Vertiefungen. Nehme die einzelnen Sandkörner in mir auf. Betrachte die Farbe und die einzelnen feinen Nuancen der Schattierung.

Das Blut beginnt wieder meinen Finger hinab zu laufen. Bedeckt die Kuppe und bildet einen leuchtenden roten Tropfen. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung lasse ich ihn wieder ein Stück zu mir zurückfließen und drücke den Finger gegen den Stein, der mir eben dies zuteilwerden ließ. Ich betrachte den Abdruck, den mein Finger und mein Blut hinterlassen haben. Betrachte das Stück von mir das dort auf der Oberfläche des Backsteins trocknet. Ich schmecke mein Blut, lasse meine Spucke die Wunde reinigen und spüre mit der Zunge den einzelnen Körnchen hinterher, die der Stein mir im Tausch gegeben hatte.

Meine Füße tragen mich weiter. Weiter über den Stein welcher im richtigen Licht fast rosa wirkt. Sie scheinen einander nicht zu gleichen, diese Steine. Zusammen bilden sie einen Weg, eine Einheit. Manche sind groß und manche klein. Manche länger als einen Meter. Manchmal sind die quadratisch und manchmal rechteckig. Ungleich und doch gleich. Sie tragen mich weiter. Immer tiefer. Ich folge den Kanälen. Lausche den Wogen des Wassers. Die schwarzen Gondeln wippen auf und ab. Das Wasser strahlt und spiegelt die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Die hölzernen Pfähle und die schwarzen Gondeln stehen in einem starken Kontrast zu diesem Wunder von Wasser.
Ich wage mich vorwärts und taste mich mit einer unbeholfenen Art, welche man wohl nur bei Menschen sehen kann, die noch nie auf dem Wasser fuhren, in eine dieser schwarzen Kontraste hinein. Vorsichtig und mit größter Mühe behalte die Balance. Behutsam nähere ich mich dem alten Holz. Knie mich, setze mich, lege mich hinein. Genieße das Wasser welches mich bewegt, welches um mich herum plitschert und plätschert. Genieße die letzte Sonne, die mein Gesicht umgarnt.

Ich lasse mich fallen und versinke immer tiefer in das schwarze Holz. Werde eins mit ihm. Die Sonne geht und mit ihr auch ihre Berührung. Ich lächele ihr nach, doch bereue ich nicht ihr verschwinden. Langsam ziehe ich die Decke der Nacht über mich und bedecke mich mit glitzernden und glänzenden Sternen. Der Mond wird heute nicht mehr für mich leuchten. Ich lache, innerlich. Ich freue mich, doch keine Regung ziert mehr mein Gesicht. Das Blut ist lange schon geronnen. Nur der Backstein erinnert sich und bewahrt auf ewig diesen einen Teil für mich.
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Melisande,

zum Teil zauberst du wunderschöne Bilder, bist aber in deren Beschreibung zu passiv. Es ist gut, einen Text-"Inhalt" nach und nach aufzubauen, das ist wichtig für den Spannungsbogen, aber es ist wiederum schlecht, mehrfach Wortwiederholungen zu gebrauchen wie "spüren" und "haben". Du versuchst, Gegenständen Gefühle zu verleihen: Backsteine, die dankbar Wärme abgeben, erschrockene Finger, die bestürzt zurückschrecken, ... derartige Formulierungen sind schlichtweg redundant, reißen den Leser eher aus seinen Lesefluss.
Auch wäre es besser, Situationen oder Denkverhalten deines LyrIch tatsächlich passieren zu lassen. "Das Blut beginnt wieder...", "Meine Füße tragen mich weiter..." und ähnliches sind absolut tabu, weil widersinnig. Begib dich gedanklich in dein LyrIch, lass die Handlung einfach (theoretisch) live passieren - und dann beschreib sie. Lass einfach alle Worte verschwinden, die einer Live-Handlung, einem" Live-Plot" entgegenstehen wie "schließlich", "beginnt", "lass" etc. ... Beschreibe nicht die Handlung, sondern lass sie einfach passieren. Dadurch - und nur dadurch - wird sie
authentisch und glaubhaft.

Beispiel:
Ich spüre die Wärme die die alten Backsteingebäude aufgenommen haben und nun dankbar abgeben. Die Oberfläche der Steine, auf denen bröckelnde Reste flüsternd von vergangenen Tagen erzählen, fühlt sich rau an. Zum Teil sogar scharfkantig und spitz. Mit geschlossenen Augen gleiten meine Finger über den groben Stein. Ich atme tief. Atme die Luft. Atme das Wasser. Atme den Staub
Idee:
Mit geschlossenen Augen berühre ich das alte Backsteingebäude. Es ist warm, als würde es seine Vergangenheit noch immer leben, scharfkantig und spitz fühlt es sich an. Ich atme tief, atme Luft, Wasser - und Staub. Staub aus Jahrhunderten ...


Nur so Ideen (und hier absolut nur meine Sichtweise).


Liebe Grüße
 
U

USch

Gast
Hallo Melisande,
eine sehr gefühlvolle poetische Geschichte, die mir gut gefallen hat. Du erfüllst Gegenstände mit Leben und Gefühlen. Das hat was Spirituelles.
Du solltest noch ein paar formale Wiederholungen (z.B. haben .... haben) auf kurzem Raum ausmerzen und andere Verben dafür finden.
Es sind noch ein paar formale Fehler (z.B.Groß-, Kleinschreibung) darin. Habe jetzt keine Zeit mehr und schreib´s dir später, wenn du sie noch nicht gefunden hast.
LG USch
 
U

USch

Gast
Hallo Melisande,
so, jetzt habe ich mehr Zeit.
Ich mußte sofort an Venedig denken. Für mich jedesmal ein wahnsinniger Gefühlsverstärker, wenn ich dort wandelte.

Blau sind meine Verbesserungsvorschläge, die nur Vorschläge sind (ausgenommen die formalen Fehler):

Ich spüre die Wärme[blue],Komma [/blue]die die alten Backsteingebäude aufgenommen haben und nun dankbar abgeben. Die Oberfläche der Steine, auf denen bröckelnde Reste flüsternd von vergangenen Tagen erzählen, fühlt sich [blue]rauh [/blue]an. Zum Teil sogar scharfkantig und spitz. Mit geschlossenen Augen gleiten meine Finger über den groben Stein. Ich atme tief. Atme die Luft. Atme das Wasser. Atme den Staub.

Am Rande meines Bewusstseins spüre ich die Vergangenheit. Spüre die Hände, die [strike][blue]eben [/blue][/strike]diesen Stein einst berührt haben. Die ihn geschaffen haben. Die ihn transportiert haben. Die ihn verbaut haben. Die ihn verputzt [blue][strike]haben [/strike][/blue]und bemalt haben. All die zahlreichen kurzen Augenblicke von Begegnungen. All die Gefühle. Angst, Freude, Euphorie, Ärger, Trauer und friedliche Ruhe. Meine Finger gleiten weiter[blue],Komma[/blue] vertiefen sich in das Gefühl dieses einen Steins.

Erschrocken und bestürzt zuckt [blue]meine Hand[/blue] zurück, so plötzlich [blue]riss es[/blue] mich aus diesem Moment[blue]. Ich reiße meine Augen auf[/blue] und es [blue]raubt [/blue]mir den Atem [strike]raubt[/strike]. Ich [strike]betrachte sie und[/strike] kann diesem einen Backstein ein weiteres Gefühl zuordnen: Schmerz.

Rotes Leben gleitet meinen Finger hinab und tropft auf den Stein[blue]. Komma[/blue] welcher sich in unterschiedlich großen Wegplatten unter meinen Füßen erstreckt. Hastig wische ich es weg. Möchte ihren Zorn nicht erwecken.

Schließlich wende ich mich wieder dem Backstein zu. [strike]Ich betrachte ihn [/strike][blue]Ich versuche [/blue]ihn nun mit meinen Augen zu erfassen. Verfolge seine Erhebungen und seine Vertiefungen. Nehme die einzelnen Sandkörner in mir auf. Betrachte die Farbe und die einzelnen feinen Nuancen der Schattierung.

Das Blut beginnt wieder meinen Finger hinab zu laufen. Bedeckt die Kuppe und bildet einen leuchtenden roten Tropfen. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung lasse ich ihn wieder ein Stück zu mir zurückfließen und drücke den Finger gegen den Stein[strike], der mir eben dies zuteilwerden ließ[/strike]. Ich betrachte den Abdruck, den mein Finger und mein Blut hinterlassen haben. Betrachte das Stück von mir[blue], Komma[/blue] das dort auf der Oberfläche des Backsteins trocknet. Ich schmecke mein Blut, lasse meine Spucke die Wunde reinigen und spüre mit der Zunge den einzelnen Körnchen hinterher.[strike], die der Stein mir im Tausch gegeben hatte.[/strike]

Meine Füße tragen mich weiter. Weiter über den Stein[blue],Komma [/blue]welcher im richtigen Licht fast rosa wirkt. [strike]Sie [/strike][blue]Die Steine[/blue] scheinen einander nicht zu gleichen[strike], diese Steine[/strike]. Zusammen bilden sie einen Weg, eine Einheit. Manche sind groß und manche klein. Manche länger als einen Meter. Manchmal sind die quadratisch und manchmal rechteckig. Ungleich und doch gleich. Sie tragen mich weiter. Immer tiefer. Ich folge den Kanälen. Lausche den Wogen des Wassers. [blue]Es strahlt und spiegelt die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Die schwarzen Gondeln wippen auf und ab. [blue]Sie und die hölzernen Pfähle stehen in einem starken Kontrast zu diesem Wunder von Wasser.
Ich [strike]wage mich vorwärts und [/strike]taste mich [blue]vorwärts [/blue]mit einer unbeholfenen Art, welche man [strike]wohl [/strike]nur bei Menschen sehen kann, die noch nie auf dem Wasser fuhren, in eine dieser schwarzen Kontraste hinein. Vorsichtig und mit größter Mühe behalte [blue]ich [/blue]die Balance. Behutsam nähere ich mich dem alten Holz. Knie mich, setze mich, lege mich hinein. Genieße das Wasser welches mich bewegt, welches um mich herum plitschert und plätschert. Genieße die letzte Sonne, die mein Gesicht umgarnt.

Ich lasse mich fallen und versinke immer tiefer in das schwarze Holz. Werde eins mit ihm. Die Sonne geht und mit ihr auch [strike]ihre [/strike][blue]die [/blue]Berührung. Ich lächele ihr nach, doch bereue ich nicht ihr [blue]Verschwinden[/blue]. Langsam [strike]ziehe ich die Decke der Nacht über mich und[/strike] bedecke [blue]ich [/blue]mich mit glitzernden und glänzenden Sternen. Der Mond wird heute nicht mehr für mich leuchten. Ich lache, innerlich. Ich freue mich, doch keine Regung ziert mehr mein Gesicht. Das Blut ist lange schon geronnen. Nur der Backstein erinnert sich und bewahrt auf ewig diesen einen Teil für mich.


Bei den letzten beiden Absätzen hat das System ohne meinen Willen alles blau gefärbt - sorry.
Liebe Grüße
USch
 

Melisande

Mitglied
An USch und KaGeb

Ich möchte jetzt, wenn auch arg verspätet, einen großen Dank aussprechen. Es ist enorm welche Arbeit ihr in euren Kommentar gegeben habt und wie sehr ihr eure Worte fühlt.

Es tut mir ausgesprochen leid, dass ich mich erst jetzt dazu äußere! Möchte euch aber versichern, dass ich eure Worte direkt gelesen habe und versuchte sie bestmöglich aufzunehmen.

Ich gebe zu das Komma ist nicht unbedingt mein Freund. Aber ich arbeite daran. Grammatik war noch nie etwas angenehmes für mich und irgendwie arbeite ich meistens nach dem Gefühl.

Ich habe oft bedenken, dass ich mich zu sehr in Beschreibungen verliere und kürze sie daher meist wieder. Ich glaube, dass es manche Menschen schlicht langweilt, wenn sie zu viel vorgeschrieben bekommen. Nicht nur, weil sie zu viel lesen müssen sondern auch weil sie der eigenen Kreativität beraubt werden, die es ihnen erlaubt die Welt mit ihren persönlichen und individuellen Eindrücken noch selber weiter auszubauen.

Es schmeichelt mir sehr, dass ich nicht vollends kritisiert und auseinander genommen werde und meine Worte euch größtenteils gefallen haben.

Jeden Kommentar sauge ich auf, denn eure Meinungen hier sind mir wichtig.


Vielen Dank und vor allem auch für das Warten.
 



 
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