Über Lassen

Khalidah

Mitglied
es mag geschehen
dass
ich in deine gasse krieche
& deiner schwelle staub erscheine
in deiner schlösser gosse sieche
& meinen alleinswein weine

es mag geschehen
dass
ich nicht einen kampf bestreite
& dennoch jeden niederschriebe
in wahrheit spiele nicht begleite
& wieder dich zuletzt verschwiege

es mag geschehen
dass
einst leichtes leid sich
selbst nicht lindert
in aller augen welt
wie ein schweres lied
sag deinen segen
zu mir sünder
der blick und becher hebt
& doch niemand sieht

ausgenommen
frei gegeben
lass es sein
dann ist es leben

& vergangen
nie geblieben
lass uns sein
dann
 
K

Kadra

Gast
Liebe Khalidah,

sich dem Leben überlassen, so wie man ist. Auch denjenigen gegenüber, die in unser Leben treten, überlassen so wie man ist. Das wäre eine schöne Vorstellung - ein Traum? So in dieser Art verstehe ich deine Zeilen. Gelungene Gedanken auf beiden Seiten.

Kurz zur Form: Ich ertappe mich im Moment dabei, dass ich besonders auf den Ausklang von Gedichten achte. Hier endest du für den Verlauf des Textes eine Spur zu leise für meinen Geschmack. dann

Lieben Gruss von
Kadra
 

Khalidah

Mitglied
Liebe Kadra,

ja, dieses "überlassen sein", egal wie man ist oder wird, steckt bestimmt auch mit drin.
Von meiner ganz persönlichen Seite erzählt es aber weniger von denen, die in das eigene Leben treten werden, es ist mehr zwischen dem Selbst und einer Person, die einem jetzt nahe steht. (Die ganzen Hergang der Geschichte hier darzulegen, wäre nicht richtig, weil es vielleicht auch in die Irre führen würde.)
Es ist ein "kann-kommen-was-will", wie ein Versprechen: der König wird den Bettler aus der Gosse holen, wer auch immer was sein wird. salopp formuliert ;) Aber es steckt auch drin, dass es so kommen will, dass diese Geschichte wohl geschrieben werden möchte, einfach weil es so sein muss. Sein Schicksal annehmen, eben "dem Leben überlassen".
Ich könnte noch seitenlang darüber philosophieren, was dieser lichte Moment der Klarheit, diese Vision, die ich da hatte, mit diesem Poem zu tun hat, aber ich schätze, was man darin sieht, hängt davon ab, was man womit verbindet, welche Zeichen man zu sehen glaubt oder einfach wer man ist. (Wie das Leben selbst... *ach* )

Zum Ausklang - ja, da wollte ich eigentlich ein unausgesprochenes "...lieben" als Echo in den Köpfen erzeugen, weil es eigentlich klar ist, was folgen müsste.
Ein "dann ist es" als Schluss wäre mir persönlich zu abrupt und zu offensichtlich. (huuui, Unterschwelliges in der zweiten Ebene...ich bin vielleicht feig ;) )
Dieses "dann" ist eben so leise, schien mir hier passender, als ich es schrieb. Das ganze ist ja...unvollendet, in fast jeder Hinsicht, materiell wie auf dem Papier, ich glaube, das "dann" ist für meine Zwecke die beste Lösung.

Ganz am Rande: Also ich muss mich für mein Durchhaltevermögen und mein Bemühen loben, so viel und noch (relativ) traditionell geschafft zu haben - solche "hymnischen Texte" finde ich relativ selten bei mir. Ich darf zugeben, hierbei stark von meinem Meister Hafis beeinflusst worden zu sein - es hat sich eins ins andere gefügt. Das zu Schreiben war wirklich - ein nahezu mystisches Erlebnis.
Eine andere Frage ist natürlich, wie gut ich das rüberbringe... :D

Liebe Grüße

Khalidah

PS:

Ich hab hier noch eine Variation, die nicht mehr ganz die selbe Botschaft hat:

es mag geschehen
dass
ich in deine gasse krieche
& deiner schwelle staub erscheine
in deiner schlösser gosse sieche
& meinen alleinswein weine

es mag geschehen
dass
ich nicht einen kampf bestreite
& dennoch jeden niederschriebe
in wahrheit spiele nicht begleite
& wieder dich zuletzt verschwiege

es mag geschehen
dass
einst leichtes leid sich
selbst nicht lindert
in aller augen welt

(wie ein schweres lied)

sprich segen
zu mir sünder
der blick und becher hebt
& doch niemand sieht

ausgenommen
frei gegeben
lass es sein
dann ist es leben

& vergangen
nie geblieben
lass uns sein
dann ist es
 
T

theubner

Gast
...hmm...

...tja wieder eines Deiner Werke, bei dem es mir schwer fällt einen Ansatzpunkt für eine Antwort zu finden. Aber ich versuch es halt einfach mal...

...gut ich will jetzt nicht anfangen Dein Gedicht zu interpretieren, da Du zweifellos besser weißt, was Du sagen wolltest...

...zur Form mag ich nur sagen, dass mir dieser sich wiederholende Strophenaufhänger gefällt. Hab ich auch schon ab und an gemacht und ist halt irgendwie chic und praktisch. Vielleicht würde ich die dritte Strophe nach lindert noch abtrennen – würde es meiner Meinung nach leichter verständlich machen. Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: gefällt...

...oder...

....es mag geschehen
...dass
...ich kaum meine Worte fasse
...& ihnen jede Ruhe neide
...sie freien Willens laufen lasse
...& Werthers echte Qualen leide

...pyn...theubner...*g*

...ups...hab gesehen, daß Deine zweite Variante schon meinen einzigen Nörgelanschnittspunkt umgeht. Tja da wär diese Antwort eigentlich überflüssig. Du bekommst sie aber trotzdem...*g*
 

Khalidah

Mitglied
Lieber theubner,

dort Worte zu schaffen, wo es eigentlich keine gibt - ist das nicht wert, ein hehres Ziel des Dichters zu sein? (*unsere zunft mit romantik beweihräucher* Der Aphorismus ist doch echt spitze, gell? - klingt wie frisch aus 1800 importiert...ich glaub, das könnte aber auch noch ein Klassiker werden... *grins* ) In diesem Sinne vielen Dank für dein Bemühen, meine glitschigen Aale von Gedichten zu greifen und ihnen ein Echo zu geben. :)

In letzter Zeit konfrontiere ich mich mit dem Vorwurf, eigentlich "gar nichts zu sagen". Es kommt mir manchmal vor wie das "Negativ" zu Schwaflerei: Statt vieler Worte, hinter denen eigentlich kein Sinn steckt, mache ich wenig Worte und packe sie mit tausend Sinnen voll...vielleicht sollte ich meinen Stil radikal ändern? *unsicher bin* (Künstlerische Krise, glaub ich, nennt man das...) :(

Liebe Grüße

Khalidah

PS: Eine blöde Frage, aber ..."pyn" - was heißt das ? Vielleicht "Praising your name" ? :D
 



 
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