Unsere Holzbank

Mariko

Mitglied
Liebe Lupianerinnen und Lupianer,

ich arbeite gerade an folgendem Text. Habt Ihr ein paar Tipps und Verbesserungsvorschläge für mich?


Unsere Holzbank

Die Hattinger Altstadt war menschenleer. Gespenstisch erhob sich der schiefe Turm von St. Georg über dem dunklen Kirchplatz. Durch das Tor des alten Rathauses huschte eine Gestalt auf den Untermarkt. Der Haldenplatz mit den alten Fachwerkhäusern war nur spärlich beleuchtet. Vor dem Bügeleisenhaus flackerte nervös eine Straßenlaterne. Eine Geisterstadt, verglichen mit dem sonst so lebhaften Treiben hier. Im Eingang des großen Schuhgeschäftes stand ein junges Pärchen Arm in Arm. Als Ben und ich dort vorbeigingen drehte sich die junge Frau zu uns um. „Guck mal, die kommen von einem Kostümball“, sagte sie kichernd zu ihrem Begleiter. „Wir fallen richtig auf“, sagte ich zu Ben. „Kein Wunder“, lachte Ben, „wer läuft schon nachts um halb drei in diesem Aufzug durch die Stadt.“

Ich trug ein bodenlanges Kleid, schwarz mit türkisfarbenen und gelben Blüten. Dazu eine passende Seidenstola. In den ungewohnt hochhackigen Lackschuhen konnte ich nur kleine Trippelschritte machen. Ben sah in seinem schwarzen Anzug mit dem schneeweißen Hemd und silbergrauer Fliege auch sehr elegant aus. Wir kamen von der Hochzeitsfeier meiner Schwester, wo wir uns als Trauzeugen getroffen hatten. Seine braunen Locken, die blaugrauen Augen und sein Lachen mit den beiden Grübchen im Gesicht waren mir vom ersten Augenblick an sympathisch. Die anderen Hochzeitsgäste lachten über uns, als wir zu vorgerückter Stunde erklärten, dass wir zu Fuß nach Hause gehen wollten. Klar hätten wir auch ein Taxi nehmen können – aber der Weg war nicht weit und die Septembernacht sehr mild. Wir wollten allein sein, ungestört miteinander reden und uns ein wenig besser kennen lernen.

Auf der Fußgängerbrücke über dem Busbahnhof und der Martin-Luther- Straße zog Ben mich plötzlich auf eine der Holzbänke. Da saßen wir nun über der breiten Bundesstraße 51 und sahen in den klaren Sternenhimmel. Ab und zu huschten unter uns zwei Scheinwerfer hindurch. Ben rückte ganz nah an mich heran und legte seinen Arm um meine Schultern. Ich spürte seine Körperwärme. Bei seiner Berührung durchfuhr mich eine heiße Welle vom kleinen Zeh bis in die Haarspitzen. Ich wünschte mir, ewig mit ihm hier zu sitzen, an diesem so wenig romantischen Ort. Wir redeten - über uns, über Abba und die Beatles - schwiegen eine Weile, sahen in die Sterne, redeten weiter. Ben streichelte mir sanft den Nacken, über die Arme und den Rücken hinunter. Ich spürte seinen heißen Atem an meinem Hals. In meinem Magen kribbelte es wie nach einer Überdosis Brausepulver und mein Herz hüpfte zum Hals und in die Knie. Da waren sie, die viel beschriebenen Schmetterlinge im Bauch. Vorsichtig suchten seine weichen feuchten Lippen meinen trockenen Mund und ich ließ es geschehen. Wir küssten uns. Anfangs ganz schüchtern, dann immer heftiger.

Erst als es langsam hell wurde und zwei Busse hintereinander donnernd unter uns durchfuhren, nahmen wir unsere Umgebung wieder wahr. Ben brachte mich nach Hause und wir verabredeten ein Wiedersehen.
Ein Jahr später feierten wir unsere Hochzeit. 24 glückliche Jahre lang gingen wir augenzwinkernd beim jedem Einkaufsbummel an unserer Holzbank vorbei, bis eine tückische Krankheit mir meinen Ben viel zu früh für immer nahm. Unsere Holzbank steht heute noch.
 

ENachtigall

Mitglied
Holzbank

Liebe Mariko,

mir gefällt es ganz gut so: die Einleitung, die Geisterstadtatmosphäre, scheint für einen Moment in eine ganz andere Richtung zu weisen, da weiß ich noch nicht, was mich erwartet. Das weckt Neugier.

Das Besondere der Situation: die solide und stabile Holzbank auf der Brücke, zuerst im Kontrast zu den darunter durchfahrenden Wagen, bleibt standhaft im Überdauern sogar der Vergänglichkeit des Lebens von Ben. Das hast Du unspektakulär mit viel leiser Liebe rübergebracht. Verbesserungsvorschläge kann ich Dir nicht bieten. Ich würde es genau so lassen!

Liebe Grüße von

Elke
 

Mariko

Mitglied
Liebe Elke,

vielen Dank für Deine Rückmeldung. Du hast gut erkannt, was ich damit ausdrücken wollte: das Leben ist manchmal vergänglicher als eine stabile Holzbank und eine eigentlich unromantische Holzbank kann auch für eine romantische Erinnerung sorgen.
 



 
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