Vergebung

Anonym

Gast
Ich habe keine Angst.
Ayren hielt noch immer das Tablett in der Hand. Er stand vor Thomas Tür. Seine Beine waren schwer, seine Füße schienen am Boden festzukleben. So sehr er es auch wollte (wollte er es?), er konnte sich kein Stück näher an Toms Zimmer heranbewegen.
Das Quartier der Leader war leer, Ayren wusste das. Wer nicht mit seinen Gruppen einen Ausflug machte, trainierte auf der anderen Seite des Sees. Er und Thomas Matthews waren heute die beiden einzigen Menschen in dem großen Holzblockhaus. Niemand würde ihn sehen, niemand würde ihn hören, und trotzdem brachte er es nicht über sich, Tom entgegenzutreten. Seine Scham war zu groß. Wann hatte er sich in solch einen Feigling verwandelt?
In dem Augenblick, als du Thomas den Abhang hinuntergestoßen hast, antwortete die Stimme in seinem Kopf.
Noch immer stand Ayren Ladder mit gesenktem Kopf vor der hellblauen Zimmertür. Hellblau. Pastellfarben. Wirken beruhigend. Ayren fühlte sich nicht im geringsten ruhig, und die Teetasse klapperte leise vor sich hin, weil Ays Hände nicht zu zittern aufhören wollten. Nur ein leichtes Zittern, keine Angst, nur Nervosität, aber trotzdem hörte es nicht auf.
Er gab auf. Er würde das Tablett mit dem Tee und den Brötchen einfach vor der Tür abstellen und weggehen, wie die letzten fünf Tage zuvor auch. Was machte das schon? Niemand konnte ihn zwingen, das hier zu tun.
Aber das war der Knackpunkt. Es zwang ihn niemand. Beth hatte lediglich den Vorschlag gemacht, sich mit Thomas auszusprechen. Sich zu entschuldigen. Es gab keinen Druck, keinen Zwang, er konnte selbst entscheiden, wie er mit der Situation umgehen wollte.
Doch da gab es etwas, das ihn doch irgendwie zu zwingen schien, etwas in ihm selbst. In seinem Inneren. Und sein Gewissen würde ihn nicht in Ruhe lassen, das wusste er. Er hatte die Stimme in seinem Kopf nie zum Schweigen bringen können, konnte sie höchstens übertönen. Sein bevorzugtes Mittel war die Ablenkung. Und er lenkte sich meistens mit Gewalt ab. Deswegen war er schlussendlich hier gelandet. In diesem beschissenen Camp. Irgendetwas sagte ihm, dass es diesmal nicht so einfach werden würde, sein Gewissen zu verdrängen.
Seine innere Zerrissenheit schwoll zu einem Crescendo an, und bevor er noch weiter zögern oder es sich anders überlegen konnte, klopfte er zweimal mit dem Fuß gegen die Tür.
"Ja?", fragte Toms gedämpfte Stimme hinter der Tür.
Ayren öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder.
Das wird unangenehm. Du kannst immer noch gehen.
Ayren bückte sich, um das Plastiktablett auf den Holzdielen abzustellen, als sich die Tür öffnete. Er erstarrte in der Bewegung.
"Komm schon rein", sagte Tom so sanft wie immer, doch es war keine Bitte.
Mechanisch folgte Ay Tom in sein Zimmer. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und das Sonnenlicht erfüllte den Raum. Thomas Matthews trug seine dunkelblaue Trainingshose und ein graues Shirt. Sein rechter Arm lag in der Schlinge. Der Kopfverband war schmaler als zuvor, das fiel Ayren gleich auf, und wurde größtenteils von seinem blonden Haar verdeckt, das ihm in die Stirn fiel. Der Leader ließ sich auf sein Sofa sinken, langsam, da er noch immer Schmerzen hatte. Ayren stand in der Mitte des Zimmers, doch er nahm seine Umgebung kaum wahr, sondern starrte nur aus das Tablett, konnte ncht anders. Er wartete darauf, das Tom etwas sagte, doch es blieb still. Nur die gedämpften Geräusche eines Frühlingsmorgens waren zu hören: Der Gesang der Vögel draußen, der Wind zwischen den Bäumen, und das Zirpen und Surren der Insekten.
Schließlich fasste sich Ayren ein Herz, stellte das Tablett vor Thomas auf den niederen Couchtisch und vollzog zum ersten Mal, seit er hierher gekommen ist, ein Ritual des Camps.
Er kniete nieder, beugte sich nach vorn und legte seine Stirn auf die Handrücken.
Die ehrenwerte Entschuldigung.
"Ich erbitte deine Vergebung."
Thomas sah Ayren überrascht an.
Natürlich wusste Thomas, dass Ayren nicht so kalt war, wie er sich gab. Aber er war stolz. Und stur. Dass Ayren die Sache leid tat, daran zweifelte Tom keinen Augenblick. Aber diese Geste hatte er nicht erwartet.
Er lächelte, ging zu Ay und legte ihm die Hand auf dessen geneigtes Haupt.
Das Zeichen der Vergebung.
Ayren richtete sich auf, doch seinen Kopf hielt er nich immer gesenkt. Thomas half nach und hob Ays Kinn an. Er sah in ein blasses, unsicher wirkendes Gesicht, dessen Augen seinem Blick nicht standhalten konnten und nach unten auswichen.
"Sie mich an", sagte Tom in seiner gewohnt ruhigen Art.
Ayrens Kiefernmuskeln spannten sich an, dann sah er endlich zu Tom auf.
"Es ist nicht deine Schuld. Es war ein Unfall", sagte er schlicht.
Tom hielt noch immer das Kinn des Jungen, und spürte ein leichtes beben.
"Nein", Ayrens Stimme klang gepresst.
"Nein, war es nicht. Als ich dich geschubst hab, wollte ich, dass du in den Abgrund fällst", seine Augen füllten sich mit Tränen, während er sprach.
"Ich habe es mir vorgestellt, und wollte, dass es passiert. Aber...", jetzt konnte sich Ay nicht mehr beherrschen und begann zu schluchzen.
"Aber, als ich dich hab fallen sehn... ich... es tut mir Leid!"
Ayren weinte hemmungslos und umklammerte dabei Thomas. Dieser war so überrumpelt, dass er die Umarmung erst einige Augenblicke später erwiderte. Der Junge, der so stolz, so stur und manchmal so gewalttätig war, weinte ungehemmt an der Schulter seines Leaders, den er seit dem ersten Tag als Konkurrenz, als den Feind betrachtet hatte. Thomas Matthews lächelte bei diesem Gedanken.
Langsam beruhigte sich der Junge wieder. Die Tränen flossen noch immer, und er lag noch immer in Toms Armen.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Als Studie ist das in Ordnung, aber es ist doch spürbar Teil eines größeren Werkes. Die Verzweiflung von Ay, die Beziehung zu Tom, ja die ganze Situation bleibt schwammig, nicht nachvollziehbar. Deshalb kann ich z. B. auch nicht entscheiden, ob das, was mir hier zu klischeehaft vorkommt, vielleicht doch stimmig ist.

Darüber hinaus gibt es Detailfehler, die unabhängig von der Geschichte sind:

Hellblau. Pastellfarben. Wirken beruhigend.
Wort-Mischmasch: Das "Pastellfarben." ist nach "Hellblau." eigentlich "Es ist pastellfarben." – "pastellfabren" hier ist ein Adjektiv. Der nächste Satz benutzt "Pastellfarben" aber als das Substantiv "die Pastellfarben". Das hakt mächtig.


Es gab keinen Druck, keinen Zwang, er konnte selbst entscheiden, wie er mit der Situation umgehen wollte.
"Mit der Situation umgehen" ist mir zu modisch. Darum geht es auch nicht, er muss mit keiner sich ergeben habenden "Situation umgehen" (so wie ein Macho damit umgehen muss, dass sein Bruder schwul ist). Er muss entscheiden, ob er die Situation, ob er sich ändern will (vom rücksichtlosen Kerl zu einem, der sich seiner Verantwortung bewusst ist).

Doch da gab es etwas, das ihn doch irgendwie zu zwingen schien, etwas in ihm selbst. In seinem Inneren. Und sein Gewissen würde ihn nicht in Ruhe lassen, das wusste er. Er hatte die Stimme in seinem Kopf nie zum Schweigen bringen können, konnte sie höchstens übertönen. Sein bevorzugtes Mittel war die Ablenkung. Und er lenkte sich meistens mit Gewalt ab. Deswegen war er schlussendlich hier gelandet. In diesem beschissenen Camp. Irgendetwas sagte ihm, dass es diesmal nicht so einfach werden würde, sein Gewissen zu verdrängen.
Inhaltliche Unklarheit: Man liest es und denkt, sein Gewissen piesackt ihn wegen des Schubsers. Das "Gewissen übertönen" hat ihn ins Camp gebracht. Aber: Wieso ist dann sein damaliges Opfer auch hier? Erst dann merkt man, dass du hier etwas schluderst und das "Gewissen jetzt" zugleich als "Gewissen damals" benutzt. (Wobei unklar bleibt, was sein Gewissen damals in Aufrihr brachte.)

"Komm schon rein", sagte Tom so sanft wie immer, doch es war keine Bitte.
"Sanft" klingt wie ein zuckriges Klischee, sollte im hier nicht lesbaren Teild er Story gut untermauert werden.
Natürlich ist "Komm schon rein" keine Bitte sondern eine Aufforderung. "Möchtest du reinkommen?" ist eine (fragende) Bitte.

Ayren stand in der Mitte des Zimmers, doch er nahm seine Umgebung kaum wahr, sondern starrte nur aus das Tablett, konnte ncht anders.
auf das Tablett
nicht anders

Er wartete darauf, das Tom etwas sagte, doch es blieb still. Nur die gedämpften Geräusche eines Frühlingsmorgens waren zu hören: Der Gesang der Vögel draußen, der Wind zwischen den Bäumen, und das Zirpen und Surren der Insekten.
kein Komma nach Bäume

Schließlich fasste sich Ayren ein Herz, stellte das Tablett vor Thomas auf den niederen Couchtisch und vollzog zum ersten Mal, seit er hierher gekommen ist, ein Ritual des Camps.
niedriger Cochtisch
gekommen war

Natürlich wusste Thomas, dass Ayren nicht so kalt war, wie er sich gab. Aber er war stolz. Und stur. Dass Ayren die Sache leid tat, daran zweifelte Tom keinen Augenblick. Aber diese Geste hatte er nicht erwartet.
Dieser Wechsel des Standpunktes störte mich massiv. Um so mehr, als er gleich wieder aufgegeben wird.

Ayren richtete sich auf, doch seinen Kopf hielt er nich immer gesenkt.
noch immer

"Sie mich an", sagte Tom in seiner gewohnt ruhigen Art.
Sieh

"Es ist nicht deine Schuld. Es war ein Unfall", sagte er schlicht.
Tom hielt noch immer das Kinn des Jungen, und spürte ein leichtes beben.
kein Absatz
kein Komma nach Jungen
leichtes Beben

"Nein", Ayrens Stimme klang gepresst.
"Nein, war es nicht. Als ich dich geschubst hab, wollte ich, dass du in den Abgrund fällst", seine Augen füllten sich mit Tränen, während er sprach.
"Ich habe es mir vorgestellt, und wollte, dass es passiert. Aber...", jetzt konnte sich Ay nicht mehr beherrschen und begann zu schluchzen.
"Aber, als ich dich hab fallen sehn... ich... es tut mir Leid!"
keine Absätze
Hier immer Leerzeichen vor den drei Punkten.

… seines Leaders, den er seit dem ersten Tag als Konkurrenz, als den Feind betrachtet hatte.
Das scheint mir auch mit der denkbaren Rundrum-Geschichte nicht ganz richtig. Als Feind – ok. Aber als Konkurrent? Konkurrent um was? Ay wird ja wohl kaum ins Camp geschickt worden sein mit der Aussicht, dort Leader zu sein.


Thomas Matthews lächelte bei diesem Gedanken.
Bei welchem?

Langsam beruhigte sich der Junge wieder. Die Tränen flossen noch immer, und er lag noch immer in Toms Armen.
… komischer Schluss. Wie kurz vor einer (homo)erotischen Szene.
 



 
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