Vergebung

4,00 Stern(e) 3 Bewertungen
H

HFleiss

Gast
Vergebung


Unsere Nachtworte vertreibt der Wind
Doch wohin sie auch fliegen,
sie werden da sein,
irgendwo, wo wir sie nicht mehr hören.
Denn sie sind gesprochen.
Fremde gehen vorüber, auch sie
Spülen sinnlos Worte aufs Pflaster.
Wir schwelgen unter der Sonne
Der Städte, und was war, verliert
Sich in dunklen Gassen, in die wir
Niemals gehen werden und deren
Worte Stein geworden sind,
Häuser des Zorns.
Nichts, das uns zum Verzeihen drängt.
Und nichts Veränderbares wurde verändert.
Doch wir vergeben unseren Nächsten,
lächelnd, großmütig, als sei, was war,
niemals geschehen.
 

rosste

Mitglied
hallo hanna,
"Vergebung" gefällt mir gut...
bis auf:
auch sie
Spülen sinnlos Worte aufs Pflaster.
- die fremden machen das sinnlose wie "wir" ("Unsere Nachtworte")
wenn sie so sinnlos sind, dann gilt doch nicht: "sie werden da sein"

Denn sie sind gesprochen. - "Denn" kannst du weglassen

"Verzeihen" und "vergeben" am ende sind ungünstig gewählt, so kurz hintereinander, und erinnern an wiederholung oder ungenauen gebrauch der beiden so wichtigen wörter

lg
 
H

HFleiss

Gast
Vielen Dank, rosste. Was ich nicht verstehe, ist der von dir genannte Gegensatz: Sie werden dasein - sinnlos. Das meiste ist doch verdammt sinnlos, was so gesprochen wird, und es ist auch verdammt gegenwärtig. Ist da ein Gegensatz, den ich nicht erkannt habe?

Lieben Gruß
Hanna
 

rosste

Mitglied
da haben wir unterschiedliche auffassungen:
ich denke: nichts ist sinnlos
auch das einfach so dahingesagte
das hat manchmal, vielleicht sogar oft, wenig sinn (z.b. "diese hitze heute wieder ist ja grausam.") - ohne sinn, also "sinnlos" ist das aber nicht -
der sinn besteht darin, dass ich von diesem sprecher erfahre, dass er ein oberflächlicher, negativer, kontraproduktiver typ ist, der sich nur mal schnell mit einem satz wichtig tuen will, der auf das wetter schimpft, anstatt sich nen sonnenschutz zu bauen...

die äußerungen werden alle da sein, ja
ihre spuren werden sie hinterlassen (und deren Worte Stein geworden sind) - diese spuren sind sichtbar, hörbar, spürbar - also nicht sinnlos (auch wenn sie belastend sind)

lg
 

Rhea_Gift

Mitglied
Hi HFleiss

ich finde das "vergeben" passend, da es ein Glaubensspruch ist, würde ich also nicht ändern - das Verzeihen kurz vorher stört mich nicht, das Vergeben am Ende hat eine ganz andere Gewichtung als das Verzeihen, daher unterscheidet der Sinn und es ergibt sich keine Wiederholung...

Tja, Sinn, Bedeutung, Kommunikation - Sinnloses gibt es wirklich nicht, doch in deinem Gedicht ist ein umgangssprachliches Verständnis von "sinnlos" gemeint, daher ist dein "sinnlos" hier ebenfalls passend.

LG, Rhea
 
H

HFleiss

Gast
Lieber rosste, liebe Rhea,

es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich Lyrik gelesen werden kann, jeder findet etwas anderes (oder lehnt es ab usw.) Vielleicht liegt darin der Sinn von Lyrik. Ich frag mich nämlich dauernd, warum ich eigentlich Lyrik schreibe, und wundere mich immer, was am Ende durch Assoziationen entsteht bzw. verworfen wird. Was man zum Beispiel in der Prosa nur sehr schwer kann, für mich ist Lyrik ein Ausweg, sie bewegt hinein ins Philosophische. Mir selbst geht es wie euch bei vielen Gedichten so, dass ich über eine Zeile nachdenke, weiter assoziiere und so (mitunter) einen neuen Blick auf die Dinge bekomme. Obwohl ich nicht glaube, dass meine Produktionen literarisch wertvoll sind, genauso wie fremde, die mich trotzdem zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr ansprechen. Ja, warum schreibt man sonst eigentlich Lyrik?

Lieben Gruß
Hanna
 
Ich finde das ein schönes, nachdenkliches Bild. Die Enjambments sind als Stilmittel gut gesetzt.
Was mich im Lesefluss störte, war:

Ich versuche immer, herauszufinden, wo ich hängen bleibe. Ich denke, das hier ist eine unbewusste Alliteration: wo wo wi.
 



 
Oben Unten