Wassermusik

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solowasser

Mitglied
Einmal, sagtest du, einmal musst du mit ins Wasser. Immer wieder sagtest du das, es hängte mir zum Hals heraus. Und noch einmal, und noch einmal. Ich wollte nicht, dass mir irgendwas an dir nicht gefällt. Und doch konnte ich es nicht verhindern.

Ich ging nicht mit dir ins Wasser, egal was du gesagt hast. Du hast mir erzählt wie du das erste Mal schwimmen warst, du warst mit deinem Papa im Schwimmbad und hast eine Kröte entdeckt, an der Stelle, an der normalerweise der Bademeister stand. Nur der hatte sich gerade ein Eis geholt. Du formtest deine Hände, um die Kröte einzufangen und sie in einem richtigen Gewässer wieder auszusetzen. Aber sie entwischte dir. Sie entwischte dir immer wieder, bis du es schließlich aufgeben musstest, weil dein Papa beschlossen hatte, dass dir kalt wurde.

Du hast mir auch erzählt, wie du im See gebadet hast, als du im Urlaub warst. Es war kalt, aber du bist sehr weit hinaus geschwommen. Es war nicht ganz Herbst, aber eben auch nicht mehr ganz Sommer, die Blätter fielen bereits, aber waren noch gelb und nicht schon braun wie im richtigen Herbst. Du hast nach den gelben Blättern gegriffen, aber sie flutschten jedes mal weg, bevor du sie richtig in deine Hände schließen konntest. Diesmal wurde dir wirklich kalt – du warst schließlich schon älter – und du musstest schnell wieder ans Ufer schwimmen. Die Blätter trieben vor sich hin, manchmal erhoben sie sich, als sie von einem Windstoß ergriffen wurde, aber sie fanden stets ihren Weg zurück ins Wasser. Nur du bist hinausgegangen ohne ein Blatt.

Als du dann studieren warst, weit weg, und du mir nicht mehr geschrieben hast, da warst du wieder schwimmen, unter einem Wasserfall. Du bist umher geschwommen und untergetaucht – du hast viele Fische gesehen, es waren sehr kleine Fische und diesmal, hast du gedacht, diesmal erwischt du einen Fisch und nimmst ihn mit, als Andenken. Du bist untergetaucht und hast nach einem der tausenden Fische gegriffen, aber sie flutschten alle weg. Stundenlang hast du versucht einen Fisch zu fangen, aber vergebens. Immer wenn du dachtest, du hättest endlich einen erwischt, flutschte er wieder weg, wie durch Zauberhand. Du hast mir erzählt, dass du wütend geworden bist. Irgendwann hast du das Wasser verlassen müssen, weil der Wärter dir gesagt hat, dass es langsam zu kalt und zu dunkel wird. Bibbernd bist du am Ufer gestanden und hast die Fische gezählt, die dir entwischt waren.

Wieder zuhause wolltest du mich jeden Tag mit zum schwimmen nehmen, du wurdest immer ungehaltener, als ich jedes mal aufs Neue ablehnte. Ich wusste, dass ich niemals ins Wasser gehen würde. Du gingst trotzdem immer wieder hinein, ob es im Schwimmbad war oder im See oder im kleinen Bächlein. Immer und immer wieder bist du ins Wasser gegangen. Mit den Jahren jedoch hast du dich verändert. Das Strahlen in deinen Augen wurde immer unechter, als du das Wasser sahst, es verwandelte sich in eine bitterböse Grimasse. Es war sehr gruselig dich anzusehen. Ich wollte nicht, dass mir an dir etwas nicht gefällt, aber was sollte ich tun.

Du hast angefangen wunde Hände zu bekommen, weil du nach all den Kröten, Blättern und Fischen vorbeigegriffen und dir dabei deine Hände zerklatscht hast. Bald konntest du nach nichts mehr greifen. Dieser Moment machte dir schmerzlich bewusst, dass du nie eine Kröte fangen wirst und nie ein Blatt und schon gar keinen Fisch.

Ich versuchte dich zu trösten, aber wusste insgeheim, dass es nichts nutzen würde. Ich fühlte mich bestätigt, niemals ins Wasser zu gehen. Nie konnte mir etwas entgleiten und nie konnte mir etwas aus meinen Händen flutschen. Das, so dachte ich, war ein großer Erfolg in meinem Leben, ich konnte stolz auf mich sein, dass ich mich nie nach einer Kröte, nie nach einem Blatt und nie nach einem Fisch vergriffen hatte. Voller Glück hätte ich es beinahe herausgeschrien aus mir, als du mich wieder einmal fragtest, ob ich nicht mit ins Wasser gehen möchte. Ich hätte gerne geschrien, dass ich mich nie vergriffen hatte, niemals und dass es niemals passieren würde. Doch irgendetwas in deinem Blick hielt mich davon ab. Lange starrtest du mich an, du gingst auf mich zu und nahmst meine Hand. Ich zuckte weg, aus Angst dir zu entgleiten. Einmal, einmal musst du mit ins Wasser, sagtest du ein letztes Mal, bevor du mich vom Steg schubstest. Das Wasser war trübe und grünlich-nass. Ich sah auf einmal deutlich eine Kröte vor mir, auch ein Blatt und ein kleines Fisch und plötzlich verstand ich. Es war nicht die Kröte, und auch nicht das Blatt und auch nicht der Fisch. Es warst du. Immer nur warst es du. Ich spürte eine Hand und flutschte weg.
 
A

aligaga

Gast
Normalerweise würde @ali zu so einem Text etwas sagen.

Aber weil du, wie beim letzten Mal festzustellen war, keinen besonderen Wert auf Response legst, lässt er es sein.

Gruß

aligaga
 

solowasser

Mitglied
Einmal, sagtest du, einmal musst du mit ins Wasser. Immer wieder sagtest du das, es hängte mir zum Hals heraus. Und noch einmal, und noch einmal. Ich wollte nicht, dass mir irgendwas an dir nicht gefällt. Und doch konnte ich es nicht verhindern.

Ich ging nicht mit dir ins Wasser, egal was du gesagt hast. Du hast mir erzählt wie du das erste Mal schwimmen warst, du warst mit deinem Papa im Schwimmbad und hast eine Kröte entdeckt, an der Stelle, an der normalerweise der Bademeister stand. Nur der hatte sich gerade ein Eis geholt. Du formtest deine Hände, um die Kröte einzufangen und sie in einem richtigen Gewässer wieder auszusetzen. Aber sie entwischte dir. Sie entwischte dir immer wieder, bis du es schließlich aufgeben musstest, weil dein Papa beschlossen hatte, dass dir kalt wurde.

Du hast mir auch erzählt, wie du im See gebadet hast, als du im Urlaub warst. Es war kalt, aber du bist sehr weit hinaus geschwommen. Es war nicht ganz Herbst, aber eben auch nicht mehr ganz Sommer, die Blätter fielen bereits, aber waren noch gelb und nicht schon braun wie im richtigen Herbst. Du hast nach den gelben Blättern gegriffen, aber sie flutschten jedes mal weg, bevor du sie richtig in deine Hände schließen konntest. Diesmal wurde dir wirklich kalt – du warst schließlich schon älter – und du musstest schnell wieder ans Ufer schwimmen. Die Blätter trieben vor sich hin, manchmal erhoben sie sich, als sie von einem Windstoß ergriffen wurde, aber sie fanden stets ihren Weg zurück ins Wasser. Nur du bist hinausgegangen ohne ein Blatt.

Als du dann studieren warst, weit weg, und du mir nicht mehr geschrieben hast, da warst du wieder schwimmen, unter einem Wasserfall. Du bist umher geschwommen und untergetaucht – du hast viele Fische gesehen, es waren sehr kleine Fische und diesmal, hast du gedacht, diesmal erwischt du einen Fisch und nimmst ihn mit, als Andenken. Du bist untergetaucht und hast nach einem der tausenden Fische gegriffen, aber sie flutschten alle weg. Stundenlang hast du versucht einen Fisch zu fangen, aber vergebens. Immer wenn du dachtest, du hättest endlich einen erwischt, flutschte er wieder weg, wie durch Zauberhand. Du hast mir erzählt, dass du wütend geworden bist. Irgendwann hast du das Wasser verlassen müssen, weil der Wärter dir gesagt hat, dass es langsam zu kalt und zu dunkel wird. Bibbernd bist du am Ufer gestanden und hast die Fische gezählt, die dir entwischt waren.

Wieder zuhause wolltest du mich jeden Tag mit zum schwimmen nehmen, du wurdest immer ungehaltener, als ich jedes mal aufs Neue ablehnte. Ich wusste, dass ich niemals ins Wasser gehen würde. Du gingst trotzdem immer wieder hinein, ob es im Schwimmbad war oder im See oder im kleinen Bächlein. Immer und immer wieder bist du ins Wasser gegangen. Mit den Jahren jedoch hast du dich verändert. Das Strahlen in deinen Augen wurde immer unechter, als du das Wasser sahst, es verwandelte sich in eine bitterböse Grimasse. Es war sehr gruselig dich anzusehen. Ich wollte nicht, dass mir an dir etwas nicht gefällt, aber was sollte ich tun.

Du hast angefangen wunde Hände zu bekommen, weil du nach all den Kröten, Blättern und Fischen vorbeigegriffen und dir dabei deine Hände zerklatscht hast. Bald konntest du nach nichts mehr greifen. Dieser Moment machte dir schmerzlich bewusst, dass du nie eine Kröte fangen wirst und nie ein Blatt und schon gar keinen Fisch.

Ich versuchte dich zu trösten, aber wusste insgeheim, dass es nichts nutzen würde. Ich fühlte mich bestätigt, niemals ins Wasser zu gehen. Nie konnte mir etwas entgleiten und nie konnte mir etwas aus meinen Händen flutschen. Das, so dachte ich, war ein großer Erfolg in meinem Leben, ich konnte stolz auf mich sein, dass ich mich nie nach einer Kröte, nie nach einem Blatt und nie nach einem Fisch vergriffen hatte. Voller Glück hätte ich es beinahe herausgeschrien aus mir, als du mich wieder einmal fragtest, ob ich nicht mit ins Wasser gehen möchte. Ich hätte gerne geschrien, dass ich mich nie vergriffen hatte, niemals und dass es niemals passieren würde. Doch irgendetwas in deinem Blick hielt mich davon ab. Lange starrtest du mich an, du gingst auf mich zu und nahmst meine Hand. Ich zuckte weg, aus Angst dir zu entgleiten. Einmal, einmal musst du mit ins Wasser, sagtest du ein letztes Mal, bevor du mich vom Steg schubstest. Das Wasser war trübe und grünlich-nass. Ich sah auf einmal deutlich eine Kröte vor mir, auch ein Blatt und einen kleinen Fisch und plötzlich verstand ich. Es war nicht die Kröte, und auch nicht das Blatt und auch nicht der Fisch. Es warst du. Immer nur warst es du. Ich spürte eine Hand und flutschte weg.
 
A

aligaga

Gast
Gerne würde ich deine Meinung hören. LG
Das glaubt @ali dir gern.

Aber da du nach wie vor nur an dir selbst interessiert zu sein scheinst und dich um andere Texte keinen Deut scherst, wirst du auch weiter auf Response verzichten müssen.

Du hast sicher Verständnis dafür.

Gruß

aligaga
 



 
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