Weihnachten

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T. Böhlke

Mitglied
In der Weihnachtsküche
Draußen fiel leise der Schnee auf die Erde. Die weißen Flocken tanzten durch die Dunkelheit und ließen sich schließlich auf Tannenwipfeln und Feldern nieder. Die glitzernde Schneedecke hüllte die Welt in eine zauberhafte Stille. So lag auch das Häuschen des Weihnachtsmannes ruhig und friedlich am Waldesrand und schien zu schlafen. Gerader Rauch stieg aus dem Schornstein hinauf in den dunkelblauen Himmel und aus den oberen Zimmern war das gleichmäßige Schnarchen des Mannes in rot zu vernehmen. Da ging in der Küche plötzlich das Licht an. „Ok Männer, die Luft ist rein“, rief der Dicke Eddie und sprang mit einem großen Satz aus seinem Versteck. Ihm folgte die gesamte Lebkuchenmännerbande. Wie jeden Abend hatten sie nur darauf gewartet, dass sich der Weihnachtsmann zur Ruhe begab, sodass sie die Küche in einen Spielplatz verwandeln konnten. Im Mixer wurde Karussell gefahren, Löffel wurden zu Wippen umfunktioniert und auf den bunten Tuben, in denen die bunte Zuckerschrift gelagert wurde, mit denen der Weihnachtsmann und seine fleißigen Helfer schließlich die Weihnachtsplätzchen verzierten, wurde herumgehopst, wie auf einem Trampolin. Die Toberei blieb aber nie folgenlos: die Lebkuchenmänner verstreuten öfter mal süße Zuckerstreusel, kleckertenmit Honig oder schütteten Zucker auf den Boden. Anfangs hatte sich der Weihnachtsmann stets gewundert, dass es in der Küche nach Zimt roch, wenn er morgens nach dem Aufstehen seinen Kaffee genoss, um wach zu werden. Mittlerweile hatte er sich aber an den würzigen Geruch gewöhnt. Den Weckmännern war er jedenfalls noch nicht auf die Schliche gekommen. So wurde die Küche Abend für Abend zum Spielplatz, bis den kleinen Franz eines Tages der Übermut packte. Er wollte gerade kopfüber in ein Meer aus Schlagsahne springen, als er beim Anlaufen auf den kleinen, süßen Liebesperlen ausrutschte, die Melli auf dem Tisch verschüttet hatte. Der arme Kerl landete in einer randvollen Keksdose, sodass er darin kaum auffiel. Sofort sprangen die anderen von ihren Schaukelpferdchen-Ausstechformen und eilten zu ihrem verletzten Freund. „Oh nein, du hast dir einen Krümel gebrochen!“, rief Nanni entsetzt. Erschrocken tastete Franz seinen Lebkuchenkörper ab. Wirklich wahr, von seinem Kopf fehlte ein Stückchen. Sofort holte die Bande den Honig herbei, um ihren Freund zu verarzten, doch die goldene Leckerei war zu flüssig, um den Krümel wieder anzukleben. Der arme Franz musste sogar die Tortur über sich ergehen lassen und in den heißen Backofen steigen, damit sein verlorenes Stückchen wieder an seinen Kopf schmolz. Doch auch der Saunagang blieb erfolglos. Um seinen Makel zu verstecken setzte er vorerst eine Walnussperücke auf, sah mit den welligen Locken jedoch eher albern aus. Trotz der schmerzlichen Erfahrung ließen sich die Weckmänner aber nicht von den nächtlichen Tobereien abhalten. Eines Abends wurden sie jedoch gestört. Sie spielten gerade Verstecken in einem Lebkuchenhaus, als sie Schritte vor der Tür hörten. Jemand tapste die schwere Holztreppe hinunter. Der Weihnachtsmann? Nein, dafür war der Störenfried zu leichtfüßig. Aber ganz egal, wer da so spät noch auf den Beinen war, dieser jemand steuerte auf die Küche zu. In heller Aufruhr krabbelten sie zurück in ihre Keksdosen oder verbargen sich hinter Zuckerstreuern und sonstigen Backutensilien. Nur Trixi, die zuvor ein Entspannungsbad in geschmolzener Schokolade genossen hatte, war vor lauter Ruhe eingeschlafen und klebte nun in der getrockneten Nascherei fest. Oh nein, wenn der Unbekannte jetzt in die Küche kam, würde er sie sofort entdecken und die Lebkuchenbande würde auffliegen. Der mutige Sam wollte ihr helfen, aber es war schon zu spät, in der Tür stand ein kleiner Wichtel, ein Helfer des Weihnachtsmannes, der sich offenbar heimlich nach unten geschlichen hatte, um zu später Stunde noch von den Backzutaten zu naschen. Als er die gefangene Trixi entdeckte, funkelten seine Augen und er rieb sich vor Appetit das Bäuchlein. Plötzlich war von draußen ein lautes Geräusch zu hören und der kleine Einbrecher kroch unter den Küchentisch, da er offenbar selber fürchtet erwischt zu werden. Blitzschnell kam Franz eine Idee: er schnappte sich ein scharfes Messer, sprang aus seinem Versteck, befreite seine Freundin in Windeseile aus der Schokolade und legte sich selber in die süße Masse. Trixi flüchtete in den sicheren Schatten der Keksdosen. Das Geräusch stellte sich als harmlos heraus. Wahrscheinlich hatte eins der Rentiere, die im Stall schliefen, nur genießt. Der Wichtel trat aus seinem Versteck und wandte sich wieder seinem Leckerbissen auf dem Tisch zu. Doch was war das? Da hatte ja jemand ein Stückchen abgebissen. War noch jemand außer ihm in der Küche? Ihm blieb keine Zeit, um den Lebkuchenmann zu vernaschen, aber ließ er das Männchen einfach so auf dem Tisch liegen, würde man ihm womöglich auf die Schliche kommen. Also mixte er mit ein paar geschickten Handgriffen klebrigen Zuckerguss, klebte dem kleinen Franz seinen verlorenen Krümel wieder an und verschwand in sein Bettchen. Als er verschwunden war, brachen die Lebkuchenmänner in lauten Jubel aus. Das Problem hatte sich von ganz allein gelöst. Trotzdem wollten sie sich noch bei ihrem unwissenden Helfer bedanken und schoben eine große Packung Spekulatius die Treppe hinauf. So konnte auch dieser seinen Appetit stillen. Nur der Weihnachtsmann wunderte sich, dass der leckere Zimtgeruch am Morgen künftig ausblieb, wenn er die Küche betrat. Aber das änderte sich natürlich bald, wenn er Hand anlegte und nach seinem Frühstück mit dem Plätzchenbacken begann
 



 
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