Weinen

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Kirschblüte

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Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal geweint habe… Ich meine nicht eine Träne verdrücken, wenn man sich den Finger eingeklemmt hat und auch nicht, wenn der Held in einem Film stirbt, nein, ich meine geweint, weil es einem gerade schlecht geht. Weil man nicht mehr vor und zurück kommt, man sich in die Ecke gedrängt fühlt, weil alles gerade einfach nur scheiße ist. Weil alles um einen herum gerade zerbricht und man nur zusehen kann. Weil man versucht zu helfen, aber es nicht kann. Weil man so laut schreit, wie es nur irgendwie geht, aber niemand dir zuhört. Dieses Weinen meine ich.

Das „lasst mich alle in Ruhe“ – Weinen, das „kann nicht einfach alles wieder so unkompliziert sein wie damals, als ich ein Kind war“- Weinen, das verzweifelte, das „es tut einfach so unglaublich Weh“- Weinen.

Du fliehst. Vor der Situation. Weil du es nicht mehr aushältst. Weil du nicht mehr kannst.

Das Gefühl, wenn du dann in deinem Zimmer stehst. Verloren. Einsam. Wütend. Und traurig. Ja, das wahrscheinlich am meisten. Traurig. Und angsterfüllt. Weil du nicht weißt, wie es verdammt nochmal weitergehen soll, was noch auf dich zukommt. Die Ungewissheit steht groß und aufgeplustert mit einem süffisanten Grinsen vor dir. Und du?

Du machst dich klein. Ziehst dich zusammen, du versteckst dich vor ihr, du sinkst auf die Knie, du vergräbst dein Gesicht in den Händen und weinst. Die Tränen brennen auf deiner Haut wie Säure, dein Schluchzen erstickt -wie das eines verwundeten Tieres. Und die Ungewissheit?

Sie lacht. Laut. Überlegen. Und du?

Du machst dich noch kleiner. Auf dem harten Boden. Rollst dich zusammen, ziehst die Knie an die Brust und weinst. Weinst aus Angst, Wut, Verzweiflung und noch so viel mehr. Weil dir dein Leben entgleitet und nur zusehen kannst, wie es dir durch die Finger rinnt. Das Zimmer kommt dir auf ein Mal so groß vor und du wünschst dich einfach nur an einen anderen Ort. Die Kälte des Bodens steigt langsam in diene Knochen. Du spürst es nicht. Du weinst so lange bis keine Tränen mehr da sind.

Du fühlst dich leer. Und allein. So unglaublich allein.

Die Ungewissheit? Sie steht weiter über dir. Lacht. Jubelt. Stichelt weiter.

Du würdest gern weg von hier, aber du weißt nicht wohin. Du würdest gerne schreien, aber dein Körper gehorcht dir nicht. Also liegst du einfach nur da. Unregelmäßig atmend. Durch den Tränenschleier siehst du verschwommen. So kennst du dein Zimmer gar nicht. Vor dir erkennst du die Füße der Ungewissheit. Du schließt die Augen. „Du träumst.“ Sagst du immer wieder wie ein Mantra vor dir her. „Du träumst.“ „Du träumst.“ „Du träumst.“

Aber du träumst nicht. Du beruhigst dich langsam, dein Kopf ist leer. Du willst aufstehen, hast aber keine Kraft mehr. Dann tritt sie zu. Die Ungewissheit. Weil es leicht ist. Weil du sowieso schon am Boden liegst. Weil es ihr Spaß macht. Du schluchzt tonlos. Dir tut alles weh. Du wehrst dich nicht. Du bist froh, irgendwas zu spüren.

Und als du denkst, du stirbst vor lauter Schmerz? – Dann geht sie -die Ungewissheit -und freut sich, weil sie weiß, dass du einen traumlosen Schlaf haben wirst, bevor sie dich morgen früh wieder weckt und dir alles noch einmal unter die Nase reiben wird. Weil sie weiß, dass sie dir morgen nochmal so viel Schmerzen zufügen wird, wie gerade eben.

Du bleibst liegen. Siehst ihr nicht hinterher.

Zitternd, müde, erschöpft, bleibst du am Boden liegen und schläfst ein.
 



 
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