Wenn das Gestern Tränen trägt

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Wenn das Gestern Tränen trägt


Ich muss noch einmal zurück. Meine Bemühungen haben nichts ausgerichtet.
Immer noch sehe ich Brenner vor mir, in der linken Hand das stumpfe Ende des Lampenschirms, mit dem er gerade ein Loch in Claras Schädel gerissen hat. Dieses Bild ist so unwirklich, wie ein Sonnenaufgang während der Mittagszeit.
Ich habe irgendetwas falsch gemacht, eine Kleinigkeit übersehen, eine Geste nicht richtig gedeutet.
So soll es nicht enden!
Ich weigere mich vehement, das so hinzunehmen.
Aber abschließend ist mir der erfolgreiche Ausgang meiner wichtigen Obliegenheit erneut durch die Hände geglitten.

Dabei hatte ich genau beobachtet, mich in der Deckung, die ich trotz des Wissens, dass weder er noch Clara mich würden sehen können, genau über den Ablauf informiert, wieder und wieder.
Als sehe ich mir einen Film an und würde zurückspulen.
Ich hatte mit angehört, wie Brenner ausfallend geworden war. Ein Verhalten, das so gar nicht zu ihm passte und mich mehr erschreckte, als Claras ebenso heftige Reaktion darauf.
Clara war schon immer temperamentvoll gewesen. Nun schwebte sie nächtelang auf der klebrigen Tanzfläche eines schummrigen Clubs, die Blicke der Männer wohlwissend auf sich ruhend, während Brenner in der gemeinsamen Wohnung auf sie wartete. Er ging nicht gern mit ihr aus. Die Blicke der Männer machten ihn verrückt. Er trank dann einen Whiskey nach dem anderen und musste sich irgendwann auf einem stinkenden Klo übergeben.
Sie waren verschieden, ja, das war mir von Anfang an bewusst. Aber im Grunde ihrer Seelen schwammen sie beide auch mit dem Strom der Einsamkeit und würden sich gegenseitig daraus retten können. So dachte ich jedenfalls und ich wollte mich nicht damit abfinden, dass mein heimlicher Traum sich nicht erfüllte.

Ich muss nur den Knackpunkt finden. Alles wieder geraderücken, bevor es zum Showdown kommt, einfach noch weiter zurückreisen und den Anfang aufdecken.
Immer wieder gehe ich die Szene durch. Vor meinem inneren Auge sehe ich Clara die Treppe hochsteigen.
Ihr kurzer, bauschiger Rock, der später über und über mit Blut besudelt sein sollte, umspielt ihre festen Oberschenkel. Sie trägt das Prada Täschen, das Brenner ihr geschenkt hat, als sie noch glücklich gewesen waren. Ihre Schultern sind von einem dünnen Tuch bedeckt, der Ausschnitt ihres engen Oberteils ist viel zu tief und drückt ihre Brüste unnatürlich nach oben.
Brenner hasste es, dass sie sich so anzog, obwohl er es war, der ihr die teure Garderobe finanzierte.
Seine Kreditkarte befindet sich in der linken Einfassung der Prada Tasche. Er wusste nicht einmal, wie viel Clara für den Inhalt ihres Kleiderschrankes ausgab.
Um Geld hatte er sich noch nie Sorgen machen müssen.

Vielleicht muss ich zurück an den Punkt ihres Kennenlernens. Zurück zu der dunkelgrünen Parkbank, auf der Clara gesessen hatte, in ein Buch von Jane Austen vertieft.
Vielleicht muss ich dafür sorgen, dass Brenners Blick auf das Buch in Claras Händen fällt, statt, wie geschehen auf ihr brünettes, von einem blassen Haarband gehaltenes Haar und ihre hohen Wangenknochen. Ja, er hatte auch auf ihren Busen geschaut, das tun alle Männer, auch die, die die Finanzen eines großen It-Unternehmens managten und in gehobenen Restaurants mit ihren Geschäftspartnern zu Mittag aßen.
Vielleicht sogar gerade diese Art von Mann.
Aber Brenner war bodenständig, 34 und suchte die Frau fürs Herz. Er brauchte jemanden, dem er mit seinem vielen Geld ein sorgenfreies Leben bescheren konnte, der zu Hause auf ihn wartete, wenn er müde und ausgebrannt von der Arbeit kam und in der Stille seiner Wohnung plötzlich in tiefe Traurigkeit verfiel.
Er suchte nicht wirklich, aber er hatte Clara gefunden. An einem heißen Sommertag wäre er fast über ihre riesige Strandtasche gestolpert, die vor ihren ausgestreckten Beinen lag, als sei es von ihr beabsichtigt, dass ein vorbeikommender Jogger darüber stürzen würde.

Vielleicht muss ich auch noch einmal zurückgehen, an den Abend ihres ersten, wirklichen Streits.
„Ich lasse mich nicht einsperren“, hatte Clara gezischt. Ihre hellgrünen Augen hatten ihn angeblitzt, wie die Augen eines Raubtieres kurz bevor es seine Beute packt.
Ich hatte den Schlüssel, mit dem Brenner die Wohnungstür von innen verschlossen hatte und den er danach in der Hosentasche seiner dunkelbraunen Anzugshose verwahrte, verschwinden lassen.
Trotzdem baute er sich dann vor der Tür auf und ergriff Claras Handknöchel.
Sie hatte nicht den Hauch einer Chance gegen seine vom täglichen Sport gestärkten Arme.
Ich musste mitansehen, wie er sie so auf Abstand hielt und dann mit sanftem Druck zur Ledercouch führte, um sie dort mit einem zärtlichen Kuss zu versöhnen.
Aber an diesem Abend hatte Claras Liebe zu ihm noch dafür gesorgt, dass dieser Kuss sie weich werden ließ und ihr angriffslustiger Körper sich darunter entspannte.
Irgendwann hatte diese Liebe aufgehört und ich muss nur herausfinden, wann dieser Punkt gekommen war.

Ich muss einfach noch weiter zurück. Zu dem Weihnachtsfest mit Brenners exzentrischer Mutter.
Einmal war ich schon dort gewesen, hatte den Weinkelch auf dem stilvoll gedeckten Tisch umgeworfen, kurz bevor Brenners Mutter, gequält von ihrem sichtlichen Verfall, zu der spitzen Bemerkung über Claras anzügliches Kleid ausholen konnte.
Der Wein hatte sich über das Rosenbouquet ergossen, hatte die seidene Tischdecke durchtränkt und war, aufgrund der schlechten Saugfähigkeit bis auf den teuren Perser getropft.
Den, von Brenners Mutter, durch ihre Launenhaftigkeit mobilisierten, ausgeteilten Schlag gegen alles und jeden hatte dann Paula das Hausmädchen abgefangen.
Aber mein Bemühen hatte nichts genützt. Trotzdem hatte Clara an diesem Abend im gemeinsamen zu Hause Brenners Hand weggeschlagen, als er mit den Fingerkuppen leicht den Weg von ihrem Schlüsselbein hinunter zur Vertiefung zwischen ihren Brüsten nachgezogen hatte.
Seine Küsse waren auf harte Lippen gestoßen, ungeachtet der knisternden Spannung,
die in der Luft lag.
Denn auch hier war ich mit kaum merklicher Einmischung beteiligt gewesen.
Ich hatte die Vorhänge zugezogen, langsam Millimeter für Millimeter, ohne dass die Beiden es bemerkten, hatte das Licht gedimmt, während Clara erschöpft auf die Ledercouch gesunken war und Brenner sich mit aufrichtiger Sorge zu ihr gesellte.
Von den Tabletten, die Claras Erschöpfungszustände erklären würden, wusste er da noch nichts.

Ja! Ich muss zurück zu dem Nachmittag, an dem Clara, das Rezept in der zitternden Hand vor der jungen Frau in der Apotheke stand und sich von ihr die Einnahme erläutern ließ.
Ich muss dafür sorgen, dass Brenner die Packung findet, bevor Clara sie zwischen ihren Spitzen BHs verstecken kann.

Ich überlege einen Moment lang und rufe mir das Bild vor Augen, wie Clara nach einem Streit vier der hellblauen Pillen mit einem Glas Wasser herunterspült, obwohl die Apothekerin sie auf die Höchstdosis von 2en hingewiesen hatte. Wie Claras Augen die wässrige Farbe von welkem Gras angenommen hatten und sie sich dann sehnsuchtsvoll an Brenner geschmiegt hatte, der auf ihr Verhalten eher erfreut, als besorgt reagierte.
Die folgende gemeinsame Nacht war so voller Leidenschaft gewesen, dass ich ein Eingreifen meinerseits für unangebracht hielt.
Rückwirkend betrachtet war es kein Kitt für ihre Beziehung gewesen.
Es bereitete nur Claras Flucht in die dumpfe Welt ihres Tablettenrausches vor, der sich mit den manischen Phasen abwechselte, in denen sie hinter Brenners Rücken anfing, sich mit betrunkenen, widerlichen Kerlen während der durchtanzten Nächte zu amüsieren.

Ich muss also noch weiter zurückgehen. In die Zeit vor Claras Besuchen bei Dr. Fanning.
Ich könnte verhindern, dass Claras Gelegenheitsfreundin Lisala ihr das Post-it mit den Kontaktdaten Fannings in einer Geste der falschen Hilfsbereitschaft übergibt.
Ich könnte verhindern, dass Clara die Freundin an diesem Tag überhaupt besucht.

Nein, das erscheint mir nicht beständig genug.
Ich muss eher herausfinden, welche Begebenheit Claras Geisteszustand so verändert hat, dass sie eine Sitzung bei dem Doktor überhaupt in Betracht zog.

War es der Tag, an dem Clara sich, nach langem Ausbleiben ihrer Menstruation, über der Kloschüssel erbrochen hatte, weil der Schwangerschaftstest, über den sie kurz zuvor uriniert hatte, nur einen Streifen anzeigte?

Nein, das hatte sie nur noch enger zusammengeschweißt.
Ich sehe die Beiden vor mir, wie Brenner seine Clara fest in den Arm genommen und wie ein kleines Kind darin gewiegt hatte, während er darauf wartete, dass ihr anhaltendes Schluchzen erstarb. Ich erinnere mich an den heißen Kakao, den Brenner dann vor ihr auf den glatten Marmor des Küchentischs stellte und wie er ihr mit seiner speziellen Clara Grimasse ein schiefes Lächeln entlockte.

Wann hatte diese Verbundenheit aufgehört?
Wann war sie in Claras unterschwelligen Hass und in Brenners hilfloses Unverständnis umgeschlagen?

Gedanklich gehe ich noch ein weiteres Stück zurück. Ich muss mir genau überlegen, an welchem Punkt ich unwiderruflich eingreifen kann. An welcher Stelle mein Vermitteln die Handlung wirklich umschwenken würde.
Vielleicht an dem Tag, als Brenner Clara vorschlug, ihre Stelle in der kleinen Redaktion eines Zeitschriftenverlages aufzugeben? Ich könnte mich in das Gespräch Brenners mit dem Vorgesetzten Krüger schalten, ihn davon abhalten, Brenner die Gehaltserhöhung mit den Worten: „Jetzt muss ihre kleine Dame nicht mehr arbeiten und sie können sich ganz auf die Familienplanung konzentrieren“ zu übergeben. Oder Clara heimlich darin bestärken, ihre anfängliche Aversion gegenüber diesem Vorschlag beizubehalten. Oder noch ein paar Monate früher auftauchen und Brenners Verhandlungen mit Moonroom United sabotieren, die ihm diese Gehaltserhöhung einbringen würden.

All das erscheint mir nicht schlüssig genug.

Wieder schiebt sich das Bild von Clara in ihrem bauschigen Rock in meine Überlegungen.
Ich sehe, wie sie mit der Prada Tasche auf Brenner einschlägt, der sich mit der Unterseite seines rechten Arms dagegen schützt und trotzdem versucht weiter zu ihr vorzudringen.
Höre die schneidenden Worte Claras, die sie wie Gift vor Brenners Füße spuckt.
„Ich habe Dich nie geliebt. Du bist ein armseliges Muttersöhnchen. Jeder dahergelaufene Penner ist besser als Du“.
Ich sehe die tiefe Bestürzung, die diese Worte in Brenners Gesicht auslösen und kann den Anflug von Irrsinn nicht fassen, der sich dazu noch in seine klaren, blauen Augen mischt.
Ich muss beobachten, wie er ins Schlafzimmer eilt, während Clara auf der Kommode nach ihrem Telefon sucht, in dem sie hofft, die Nummer einer ihrer Clubbekanntschaften zu finden, um zu fragen, ob jemand sie abholen könne. Dann sehe ich, dass Brenner die leeren Tablettenpackungen aus der Schublade holt. Er schleudert die aufgerissenen Kartons und ungelesenen Beipackzettel Clara entgegen. Eine trifft sie an der Schulter, eine andere prallt gegen ihren Bauch.
„Das hast Du aus mir gemacht“, schreit sie, auch in ihren Augen glänzt das Feuer der Wut, aber die Tabletten machen, dass es sich zu keiner Handlung ausformen kann.
„Du hast mich hier eingesperrt in Deinem ach so tollem Leben. Hast mir die Luft zum Atmen genommen. Du hast alles zerstört, dass mir einmal wichtig gewesen war. Ich hasse Dich, ich hasse Dich, ich hasse Dich.“ Sie schreit es immer wieder heraus, wie ein trotziges Kind, das die Übermacht seines Gegenübers nicht zu Wort kommen lassen will. Ich sehe Tränen in Brenners Augen treten. Noch nie habe ich ihn weinen sehen. Er schwankt zwischen dem Wunsch, sie zu schlagen und dem Bedürfnis, ihre zarte Gestalt in seine Arme zu nehmen. „Du undankbare Schlampe!“ Aus seinem Mund klingen diese Worte so widernatürlich, dass ich mir einbilde, sie nicht gehört zu haben.
Sie spuckt ihm mitten ins Gesicht, als er sich zu erst gefasstem Gedanken entschließt.
Der Wahnsinn in seinen Augen springt über auf seinen ganzen Körper, bemächtigt sich seiner linken Hand, mit der er nach dem Messingständer des Lampenschirms greift.
Ich hätte die Einrichtung anders gestalten können, durchfährt es mich gerade, als der Lampenschirm auf Claras Kopf in seine Einzelteile zerbirst.

Müde und von seltsamer Traurigkeit erfasst klappe ich den Deckel meines Laptops herunter und drehe mich auf dem Stuhl meines Arbeitszimmer zum Fenster. Einen langen nachdenklichen Blick werfe ich auf den Liegestuhl neben der Poolanlage, auf deren hellblauer Oberfläche sich die Sonnenstrahlen brechen.
Marie liegt dort, auf einem weißen Handtuch, neben sich einen ihrer speziellen Cocktails. Mittlerweile trinkt sie unzählige davon. Ich sehe den gelangweilten Ausdruck auf ihrem Gesicht, mit dem sie unser junges Gartenmädchen beobachtet, das sich um die eindrucksvolle Rosenhecke kümmert und versuche, mich daran zu erinnern, wann wir das letzte Mal wirklich miteinander geredet haben.

Vielleicht lässt sich die Entwicklung bei Clara und Brenner einfach nicht aufhalten, vielleicht sind manche Menschen einfach nicht füreinander bestimmt.
 

Herbstblatt

Mitglied
Hallo, lieber Hobbyschreiber, liebe Diana,

deine Geschichte hat mich ziemlich in ihren Bann gezogen.
Beim Lesen ging mir immer mal wieder der Gedanke durch den Kopf, dass es sich bei dem Erzähler um einen Regisseur oder Schreiberling handeln müßte. Aber eigentlich wollte ich die ganze Zeit wissen, wie es denn nun ausgeht. Gute Unterhaltung!

Auch den gedanklichen, dann wieder verdrängten Bezug zur eigenen Beziehung des Erzählers finde ich gelungen.

Also, alles in allem: mir gefällt es!
Bin gespannt, was du noch so drauf hast :)

LG vom Herbstblatt
 
M

Moony

Gast
Großartig, lieber Hobbyschreiber!

Endlich mal was anderes, nota bene sehr gut Geschriebenes! Eine Geschichte "erzählt" durch fragmentarisches Zurückblättern; ein Stil, bei dem man nicht so recht weiß, ob man lachen darf oder ob's einem eher gruseln soll. Daumenkino rasant von hinten nach vorn gerattert und immer wieder zurück. Richtig gut! Und der Epilog: erst recht obercool.

Wenn ich bewerten würde, gäb's eine glatte 11. Aber ich halt nix von Noten.

lg

Moony
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ein sehr, sehr interessanter Ansatz. Neben der rückwärts erzählten Geschichte von Clara und Brenner gefällt mir vor allem die Idee, dass der Autor den Gesetzen seiner Figuren gehorchen muss. Dass er sie selbst schafft, ist ebenso sichtbar. Gut! Das finde ich wirklich richtig gut.


Außer dem menschlichen und dem "schreib-gesetzmäßigen" hat dein Autor aber vor allem (auch) ein Stilproblem. ;) Er schreibt (und denkt) offenbar recht blumig, recht farbig (bereits die Überschrift ist ja schon etwas schmalzig). Aber er beherrscht diese Spracheebene (noch) nicht perfekt.


Meine Bemühungen haben nichts ausgerichtet.
Ich konnte nichts ausrichten / Meine Bemühen haben keine Früchte getragen.

Immer noch sehe ich Brenner vor mir, in der linken Hand das stumpfe Ende des Lampenschirms, mit dem er gerade ein Loch in Claras Schädel gerissen hat.
Ein Mensch kann mit einer Lampe ein Loch in einen Schädel schlagen. Man könnte mit einem Haken ein Loch in den Schädel reißen, aber dazu bräuchte man vermutlich mehr Kraft, als ein durchschnittlicher Mensch hat.

Dieses Bild ist so unwirklich, wie ein Sonnenaufgang während der Mittagszeit.
Das Bild hinkt: Ein Sonnenaufgang zur Mittagszeit ist (außer in Polnähe) schlichtweg unmöglich; der Mord ist möglich, fühlt sich nur „strange" an.

Ich habe irgendetwas falsch gemacht, eine Kleinigkeit übersehen, eine Geste nicht richtig gedeutet.
So soll es nicht enden!
Ich weigere mich vehement, das so hinzunehmen.
Aber abschließend ist mir der erfolgreiche Ausgang meiner wichtigen Obliegenheit erneut durch die Hände geglitten.
Ok, er akzeptiert es nicht. Und zwar sowas von nicht, dass er dafür gleich mehrere Absätze braucht. Aber was bedeutet der "Obliegenheiten"-Satz? Er ist so geschraubt (und wahrscheinlich sogar semantisch falsch), dass ich nicht verstehe, was du dein LyrIch damit sagen lassen willst. (Mir kann etwas durch die Finger gleiten/rinnen - Geld zum Beispiel. Oder aus den Händen – dann kann ich es nicht mehr beeinflussen. Aber ein Ausgang kann mir weder durch die Finger gleiten/rinnen noch aus den Händen gleiten. / Eine Obliegenheit ist eine "Verpflichtung", eine "Aufgabe" – die kann keinen "Ausgang" haben. )


Dabei hatte ich genau beobachtet, mich in der Deckung, die ich trotz des Wissens, dass weder er noch Clara mich würden sehen können, genau über den Ablauf informiert, wieder und wieder.
Schwer durchschaubarer Satz. Was mich noch mehr stört, ist allerdings, dass du den Leser hier in die Irre führst: LyrIch informiert sich nicht über den Ablauf (er schafft diesen ja erst). Auch, warum er dabei in Deckung gegangen sein soll, passt nicht. Und: Sich über den Ablauf zu „informieren" (richtigerweise: ihn immer und immer wieder durchzugehen) ändert an dem Ablauf ja nichts, wie sollte sich da also das Ergebnis (so) ändern(, dass er es akzeptieren kann)?


Als sehe ich mir einen Film an und würde zurückspulen.
Als sähe ich …
Als sähe er ihn an ODER als würde er ihn zurückspulen?

die Blicke der Männer wohlwissend auf sich ruhend,
Das heißt, dass die Blicke wohlwissend sind. Du meinst wahrscheinlich "wissend, dass die Blicke auf ihr ruhen".


Sie waren verschieden, ja, das war mir von Anfang an bewusst.
bewusst gewesen
Anmerkung: Er hat sie ja wohl so geschaffen. Mit welchem Zweck? Wundert ihn da wirklich, was passiert? Wenn ja, scheint er noch recht unerfahren zu sein.


Aber im Grunde ihrer Seelen schwammen sie beide auch mit dem Strom der Einsamkeit und würden sich gegenseitig daraus retten können.
Was ist der "Strom der Einsamkeit", mit (!) dem man schwimmen könnte? Wenn sie beide mit (welchem) Strom (auch immer) schwimmen, können sie sich daraus nicht retten. Es ginge schon eher, wenn sie darin treiben würden und - nun aneinander Halt findend - dem Strom nicht mehr ganz so ausgeliefert wären. Meistens kann man aber nur jemanden aus einem Strom retten, wenn man selbst außerhalb steht/ist …


So dachte ich jedenfalls und ich wollte mich nicht damit abfinden, dass mein heimlicher Traum sich nicht erfüllte.
An der Stelle: Ich verstehe diese Hoffnung. Und den damit verbundenen Zweck, die Figuren so zu schaffen. Aber das Bild vom Strom ist trotzdem falsch.


Ich muss nur den Knackpunkt finden. Alles wieder geraderücken, bevor es zum Showdown kommt, einfach noch weiter zurückreisen und den Anfang aufdecken
.
Anmerkung: Der Anfang besteht in der Schaffung dieser Figuren. Als erfahrener Autor sollte er das wissen.


Immer wieder gehe ich die Szene durch.
Welche Szene? Die Anfangszene? Aber er geht doch dann noch weiter zurück, zu anderen Szenen.

Ihr kurzer, bauschiger Rock, der später über und über mit Blut besudelt sein sollte, umspielt ihre festen Oberschenkel.
Als Autor müsste ihm der Unterschied zwischen "sollte" und "würde" klar sein. Wenn der Rock besudelt sein sollte, dann ist doch alles richtig gelaufen …

Sie trägt das Prada Täschen, das Brenner ihr geschenkt hat, als sie noch glücklich gewesen waren.
Prada-Täschchen
ihr geschenkt hatte (als sie gewesen waren)


Ihre Schultern sind von einem dünnen Tuch bedeckt, der Ausschnitt ihres engen Oberteils ist viel zu tief und drückt ihre Brüste unnatürlich nach oben.
Ein Ausschnitt ist "nichts" - da kann nichts drücken.

Brenner hasste es, dass sie sich so anzog, obwohl er es war, der ihr die teure Garderobe finanzierte.
Seine Kreditkarte befindet sich in der linken Einfassung der Prada Tasche. Er wusste nicht einmal, wie viel Clara für den Inhalt ihres Kleiderschrankes ausgab.
Nicht so wild mit den Zeiten springen!
Prada-Tasche



dass Brenners Blick auf das Buch in Claras Händen fällt, statt, wie geschehen auf ihr brünettes, von einem blassen Haarband gehaltenes Haar und ihre hohen Wangenknochen.
Komma nach "geschehen"

Ja, er hatte auch auf ihren Busen geschaut, das tun alle Männer, auch die, die die Finanzen eines großen It-Unternehmens managten und in gehobenen Restaurants mit ihren Geschäftspartnern zu Mittag aßen.
das tun auch Männer, die Firmen managen / das taten auch Männer, die Firmen managten
IT-Unternehmen

der zu Hause auf ihn wartete, wenn er müde und ausgebrannt von der Arbeit kam und in der Stille seiner Wohnung plötzlich in tiefe Traurigkeit verfiel.
Der auf ihn wartete, wenn er in Traurigkeit verfiel?



Vielleicht muss ich auch noch einmal zurückgehen, an den Abend ihres ersten, wirklichen Streits.
Er war gerade beim Kennenlernen, wie kann er dann zurück zum ersten Streit gehen?

„Ich lasse mich nicht einsperren“, hatte Clara gezischt. Ihre hellgrünen Augen hatten ihn angeblitzt, wie die Augen eines Raubtieres kurz bevor es seine Beute packt.
Komma nach "Raubtieres"

Ich hatte den Schlüssel, mit dem Brenner die Wohnungstür von innen verschlossen hatte und den er danach in der Hosentasche seiner dunkelbraunen Anzugshose verwahrte, verschwinden lassen.
Trotzdem baute er sich dann vor der Tür auf und ergriff Claras Handknöchel.
Also LyrIch schreibt in sein Buch/Drehbuch "Brenner schließt ab, steckt den Schlüssel ein. Plötzlich ist der Schlüssel weg (wohin?). Brenner stellt sich trotzdem(?) vor die Tür." Versteh ich nicht.

Sie hatte nicht den Hauch einer Chance gegen seine vom täglichen Sport gestärkten Arme.
Ich musste mitansehen, wie er sie so auf Abstand hielt und dann mit sanftem Druck zur Ledercouch führte, um sie dort mit einem zärtlichen Kuss zu versöhnen.
Wieso "musste"? Ist es nicht das, was er erträumt?
(Sorry, aber mit einem "zärtlichen Kuss" dürfte er bei einer Frau, die "sich nicht einsperren lässt" nicht viel erreichen.)

Aber an diesem Abend hatte Claras Liebe zu ihm noch dafür gesorgt, dass dieser Kuss sie weich werden ließ und ihr angriffslustiger Körper sich darunter entspannte.
Wieso "aber"? Hatte er nicht von Anfang gehofft, dass es so werden würde (allerdings immer, nicht nur beim ersten Streit)?


Der Wein hatte sich über das Rosenbouquet ergossen, hatte die seidene Tischdecke durchtränkt und war, aufgrund der schlechten Saugfähigkeit bis auf den teuren Perser getropft.
Komma „nach Saugfähigkeit“ ODER keines vor "aufgrund"
Wessen Saugfähigkeit?

Den, von Brenners Mutter, durch ihre Launenhaftigkeit mobilisierten, ausgeteilten Schlag gegen alles und jeden hatte dann Paula das Hausmädchen abgefangen.
Was für ein Schlag? "Den, von Brenners Mutter durch ihre Launenhaftigkeit mobilisierten, (vom wem?) ausgeteilten Schlag" oder "Den von Brenners Mutter, durch ihre Launenhaftigkeit mobilisierten, ausgeteilten Schlag"? Etwas verworren.
Schläge kann man nicht mobilieren.
Paula hat den Schlag (gegen wen?) abgefangen? Oder doch eher abgekriegt?


Seine Küsse waren auf harte Lippen gestoßen, ungeachtet der knisternden Spannung,
die in der Luft lag.
Wieso "ungeachtet"? Wenn Streit in der Luft lag (diese Art Knistern war es wohl), ist das doch logisch. Wenn es erotisches Knistern war, waren ihre Lippen nicht hart.

Denn auch hier war ich mit kaum merklicher Einmischung beteiligt gewesen.
Ich hatte die Vorhänge zugezogen, langsam Millimeter für Millimeter, ohne dass die Beiden es bemerkten, hatte das Licht gedimmt, während Clara erschöpft auf die Ledercouch gesunken war und Brenner sich mit aufrichtiger Sorge zu ihr gesellte.
Von den Tabletten, die Claras Erschöpfungszustände erklären würden, wusste er da noch nichts.
Moment! Welcher Autor lässt die Vorhänge quasi von selbst zugehen und das Licht sich selbst dimmen?!
Und noch ein Moment! Das ist nicht wirklich das, was der Autor vorhin als "knisternde Spannung" bezeichnet, oder? Das ergibt allerhöchstens sowas wie ein romantisches Umfeld.
die beiden

Ja! Ich muss zurück zu dem Nachmittag, an dem Clara, das Rezept in der zitternden Hand vor der jungen Frau in der Apotheke stand und sich von ihr die Einnahme erläutern ließ.
Ich muss dafür sorgen, dass Brenner die Packung findet, bevor Clara sie zwischen ihren Spitzen BHs verstecken kann.
Spitzen-BHs


obwohl die Apothekerin sie auf die Höchstdosis von 2en hingewiesen hatte.
zweien (Klingt aber sowieso zu umgangssprachlich in diesem Kontext.)

Wie Claras Augen die wässrige Farbe von welkem Gras angenommen hatten
Welkes Gras hat eine wässrige Farbe? Ich würde sie eher als staubig bezeichnen.

und sie sich dann sehnsuchtsvoll an Brenner geschmiegt hatte, der auf ihr Verhalten eher erfreut, als besorgt reagierte.
kein Komma nach "erfreut"

Die folgende gemeinsame Nacht war so voller Leidenschaft gewesen,
… em … Was waren das für Pillen? Bei "wässriger Farbe" dachte ich, es seien Beruhigungspillen gewesen.

dass ich ein Eingreifen meinerseits für unangebracht hielt.
Dein LyrIch ist aber verdammt durch den Wind! In diese Szene muss er ja auch nicht eingreifen, sondern in die, die diese Szene ermöglicht. Zumal er ja selbst feststellt, dass die Pillen nicht kitten sondern eher trennen - was er ja nicht will.

Rückwirkend betrachtet war es kein Kitt für ihre Beziehung gewesen.
Es bereitete nur Claras Flucht in die dumpfe Welt ihres Tablettenrausches vor, der sich mit den manischen Phasen abwechselte, in denen sie hinter Brenners Rücken anfing, sich mit betrunkenen, widerlichen Kerlen während der durchtanzten Nächte zu amüsieren.
Moment: Unter Stoff wird sie "dumpf" – aber vorhin hatte sie unter Drogen eine heiße Nacht?

Ich erinnere mich an den heißen Kakao, den Brenner dann vor ihr auf den glatten Marmor des Küchentischs stellte und wie er ihr mit seiner speziellen Clara Grimasse ein schiefes Lächeln entlockte.
Komma nach "stellte"
Clara-Grimasse

Ich könnte mich in das Gespräch Brenners mit dem Vorgesetzten Krüger schalten, ihn davon abhalten, Brenner die Gehaltserhöhung mit den Worten: „Jetzt muss ihre kleine Dame nicht mehr arbeiten und sie können sich ganz auf die Familienplanung konzentrieren“ zu übergeben. Oder Clara heimlich darin bestärken, ihre anfängliche Aversion gegenüber diesem Vorschlag beizubehalten. Oder noch ein paar Monate früher auftauchen und Brenners Verhandlungen mit Moonroom United sabotieren, die ihm diese Gehaltserhöhung einbringen würden.
Ihre kleine Dame / Sie können sich


All das erscheint mir nicht schlüssig genug.
Schlechter Autor! Als halbwegs guter Autor wüsste er, dass genau das die Stelle ist …


Ich sehe, wie sie mit der Prada Tasche auf Brenner einschlägt, der sich mit der Unterseite seines rechten Arms dagegen schützt und trotzdem versucht weiter zu ihr vorzudringen.
Prada-Tasche
Komma nach "ersucht"


Höre die schneidenden Worte Claras, die sie wie Gift vor Brenners Füße spuckt.
„Ich habe Dich nie geliebt. Du bist ein armseliges Muttersöhnchen. Jeder dahergelaufene Penner ist besser als Du“.
Das Wort "du" wird klein geschrieben.


Ich sehe die tiefe Bestürzung, die diese Worte in Brenners Gesicht auslösen
Sie lösen sie in Brenner, nicht in Brenners Gesicht aus.

„Das hast Du aus mir gemacht“, schreit sie, auch in ihren Augen glänzt das Feuer der Wut, aber die Tabletten machen, dass es sich zu keiner Handlung ausformen kann.
du
Ich versteh die Wirkungsweise der Tabletten noch immer nicht: Clara kann zwar wütend sein und um sich schlagen, jetzt aber ist sie plötzlich körperlich (nicht emotional!) gelähmt??

„Du hast mich hier eingesperrt in Deinem ach so tollem Leben. Hast mir die Luft zum Atmen genommen. Du hast alles zerstört, dass mir einmal wichtig gewesen war. Ich hasse Dich, ich hasse Dich, ich hasse Dich.“
deinem, dich
was mir einmal wichtig gewesen war
Sie schreit es ohne Ausrufezeichen?

Er schwankt zwischen dem Wunsch, sie zu schlagen und dem Bedürfnis, ihre zarte Gestalt in seine Arme zu nehmen.
Komma nach "schlagen"

„Du undankbare Schlampe!“ Aus seinem Mund klingen diese Worte so widernatürlich, dass ich mir einbilde, sie nicht gehört zu haben.
Irreführung: "In echt" kann man den Eindruck haben, sich getäuscht zu haben, als "Erschaffer" (Autor) dieser Worte kann man das nicht.

Sie spuckt ihm mitten ins Gesicht, als er sich zu erst gefasstem Gedanken entschließt.
Als er was tut? Das klingt wie ein Rästel. "… als er sie schlägt."


Ich hätte die Einrichtung anders gestalten können, durchfährt es mich gerade, als der Lampenschirm auf Claras Kopf in seine Einzelteile zerbirst.
An der Stelle ein dickes Lob für die Struktur. Ja, dein Autor ist kein guter. Obwohl er (du hast ihn dahin geführt) sich an die/eine entscheidende Stelle vorgetastet hat, ändert er diese nicht. Diese neue Änderungsidee hier ist kaum mehr als ein schwaches Nachflackern des Änderungswunsches. Ihm war wohl doch - zumindest unterschwelllig - bewusst, dass er seine Chance (zu ändern) verpasst hat. Ist er zu schwach? Will er sich selbst bestrafen (mit der düsteren Aussicht, die er kreiert)? Eines jedenfalls tut er nicht: Er akzeptiert nicht, dass die Geschichte so ist, wie sie von Anfang an hatte werden müssen.


Ich sehe den gelangweilten Ausdruck auf ihrem Gesicht, mit dem sie unser junges Gartenmädchen beobachtet, das sich um die eindrucksvolle Rosenhecke kümmert und versuche, mich daran zu erinnern, wann wir das letzte Mal wirklich miteinander geredet haben.
Komma nach "kümmert"

Vielleicht lässt sich die Entwicklung bei Clara und Brenner einfach nicht aufhalten, vielleicht sind manche Menschen einfach nicht füreinander bestimmt.
… das ist übrigens nicht das Akzeptieren, dass die Clara-Brenner-Story so ist, wie sie sein muss. Sie geht weit über "nicht füreinander bestimmt" hinaus.
 

Charmaine

Mitglied
Hallo Diana,

auch ich finde deine Idee, während der Erzählung den Fortgang in Frage zu stellen, sehr reizvoll. Einige sprachliche Verhakelungen, die jon schon angesprochen, haben mich beim Lesen gestört. Das Ende ist für mich nicht ganz zufriedenstellend, mir wäre es lieber gewesen, der Erzähler hätte an einem anderen Punkt geendet, der nicht so deutlich auf seine eigene Situation reflektierte.

LG
Charmaine
 



 
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