Der Zeiger der Uhr schlug unaufhaltsam voran. 22 Uhr.
Noch 2 Stunden…
Er schaute zum Spiegel auf, sah sein Gesicht. Das letzte Mal. Lebendig.
Sein Lächeln zitterte, mühsam versuchten sich die Mundwinkel aufzurichten. Doch sie waren besiegt. Das Lächeln zerschlug.
Paweł Ważka. Dieser Name würde kaum noch einen Mund verlassen. Er war von Schande schwer, mit Blut behaftet. Schmach zierte ihn. Er würde mit ihm sterben. Getötet werden.
Doch vielleicht… vielleicht geschah noch ein Wunder.
Vielleicht klingelte noch das Telefon und sein Antrag um Aufschub wurde erhört.
Und er durfte weiter leben.
Noch weitere Atemzüge tun.
Künftige Sonnenaufgänge sehen, wenngleich auch zwischen schwarzen Gitterstäben hindurch.
Doch das Telefon schwieg sich aus. Es verharrte behaglich im wohlverdienten Feierabend.
Er würde das Licht nicht mehr wieder sehen.
Die Schultern hingen ihm herab. Von den unbeugsamen Paragraphen zertreten.
Er würde sterben. Heute, am 28.Dezember 2008 um Mitternacht.
Die Neonlichter schimmerten kalt auf den starrenden Fliesen. Grünlich-weiß dunste es sich allmählich auf, gleich einem Leichengesicht. Sein Gesicht.
Nur noch wenige Stunden.
Diese Sterilität ringsumher machte ihn wahnsinnig. Sie sollte bloß den moralischen Schmutz dieser Tat verbergen. Der Staat wusch seine Hände stets in Unschuld.
„Grand!“, riefen ihn die Wärter harsch.
Er genehmigte sich ein kurzes, verdorbenes Lächeln und seine Augen wurden dabei schmal, beengt von kleinen Fältchen wie Krallenspuren, die eine Krähe eingehackt hatte. Grand.
Sein verbrecherisches Pseudonym. Grand hatte die Bank überfallen und kaltblütig einen Zivilisten und den Bankwirt erschossen. Peng. Ihre Gesichter waren einfach weg gewesen.
Er hatte die Nerven verloren, er wollte doch nicht… er wollte doch bloß Geld für sich und seine kleine Schwester. Wie hätte er sie denn ernähren, ihr eine angemessene schulische Edukation verschaffen sollen?
Sein dreistes Lächeln, das ihm einen gewissen Charme verlieh, verlosch wie die toten Gesichter seiner Opfer. Jetzt war er einer von ihnen, er reihte sich neben ihnen ein.
Doch für seinen Tod musste niemand büßen.
Er war gerecht. Er erging im Namen des Volkes. Zum Wohle des Volkes.
Grand.
Sie kamen herein, in den Händen hielten sie die eisernen Fesseln bereit. Außerhalb der Zelle durfte er nicht einmal seine Henkersmahlzeit mit freien Händen einnehmen. Die bindenden Ketten gehörten bereits zu ihm, sie hangen wie überflüssige Glieder an ihm herab, behinderten ihn. Sie lasteten ihm Gewicht auf, die Bedrückung seiner Schuld, die in seiner Brust pochte.
Ja, er hatte getötet.
Ja, das Blut klebte ihm an den Händen.
Aber er war ein Mensch. Einerlei was sie sagten oder taten.
Er warf noch einen letzten Blick hin zum blanken Spiegel und in seinen haselnussbraunen Augen brannte etwas, das er schon längst als ausgelöscht gedacht hatte: Furcht. Verborgen in den Schatten seines Iriskranzes flammte sie. Lachend.
Sie stießen ihn vor. Die Ketten zogen ihn hinunter. Die Wärter gaben einen eiligen Schritt vor. Müh-sam hinkte er hinterher, die Fesseln machten ihn straucheln. Die Schritte vor fielen ihm schwer.
Irgendwo warf jemand klimpernd Münzen in den Getränkeautomaten. Menschen eilten geschäftig umher. Er wusste, sie bereiteten seinen Tod vor. Menschen, die lebten. Die nach der Exekution heim fuhren zu Frau und Kind. Es war bloß ihr Job, sie mussten ihr Geld auch verdienen. Wie jeder andere.
In all dem Leben wartete der Tod. Er saß grinsend auf einem Stuhl, die Beine auf dem Schreibtisch übereinander geschlagen und rauchte eine fette Zigarre. So musste es sein.
Die Zeit floh voran. Es war schon fast 23 Uhr. Noch knapp eine Stunde.
Sie sperrten ihn in seine Zelle zurück, der Pfarrer kam, malte ihm das Kreuz auf die Stirn und ging. Den Wärtern freundlich zunickend. Er brauchte das Geld, keine Gemeinde wollte ihn.
Der Verurteilte hatte ihm gebeichtet. Seine Reue bekundet. Der Pfarrer hatte bloß genickt.
Mit abgewandten Gesichtern saßen die Wärter bei ihm, die Arme verschränkt. Wartend. Ihre Blicke trieben den Zeiger der Uhr an.
Er war allein. Niemand interessierte sich seiner.
Sein Name war ein bloßes Phantom. Paweł Ważka er konnte sich seines Klanges kaum noch entsin-nen. Sie nannten ihn Grand. Er war Grand.
Oder Nummer 2606.
Sie und das heutige Datum würden das kleine, weiße Kreuz auf dem Friedhof zieren. Das Datum sei-ner Hinrichtung. Schwarz gemeißelt. Das Grab lag schon ausgehoben.
„Ist es nicht seltsam?“, fragte er da, die Augen leicht zusammen gekniffen und sie sahen unlängst La-gen, die er niemals zuvor betreten hatte. Er hob den Blick auf. „In all den Jahren der Gefangenschaft wollte die Zeit nicht weichen, ein Tag erschien mir ein ganzes Leben lang anzudauern, sie kroch wie eine Schnecke voran. Jetzt, da ich versuche, sie festzuhalten, entflieht sie mir wie ein wilder Vogel.“ Er lachte leise und senkte den Kopf.
Die Wärter schauten sich einen Herzschlag an und beobachteten dann weiter das flimmernde, kalte Neonlicht. Sie hielten ihn seit seiner Aufnahme für einen Psychopathen.
Ihre starre, erzwungene Ignoranz verstärkte sein belustigtes, verzweifeltes Lachen nur noch. Es sprach sein ganzes Leben aus ihm.
Dann kamen sie ihn holen. „Es ist Zeit zu gehen, Grand“, sagte der Gefängnisdirektor nüchtern. All-täglich. Er hatte es schon so oft gesagt.
Paweł Ważka. Ich heiße Paweł Ważka, rief er sich in Erinnerung, seine Lippen öffneten sich.
Und schlossen sich wieder. Resigniert sanken ihm die Schultern ab. Was machte es jetzt noch?
Die Uhr schlug Mitternacht. Seine Todesstunde.
Es war sein letzter Gang.
Er starb schnell. Im Gegensatz zu den Malen vorher, als er noch in seiner Zelle einsaß.
Sie sagten:
Ein letztes bitteres Lächeln verzerrte seine Züge am Ende.
Noch 2 Stunden…
Er schaute zum Spiegel auf, sah sein Gesicht. Das letzte Mal. Lebendig.
Sein Lächeln zitterte, mühsam versuchten sich die Mundwinkel aufzurichten. Doch sie waren besiegt. Das Lächeln zerschlug.
Paweł Ważka. Dieser Name würde kaum noch einen Mund verlassen. Er war von Schande schwer, mit Blut behaftet. Schmach zierte ihn. Er würde mit ihm sterben. Getötet werden.
Doch vielleicht… vielleicht geschah noch ein Wunder.
Vielleicht klingelte noch das Telefon und sein Antrag um Aufschub wurde erhört.
Und er durfte weiter leben.
Noch weitere Atemzüge tun.
Künftige Sonnenaufgänge sehen, wenngleich auch zwischen schwarzen Gitterstäben hindurch.
Doch das Telefon schwieg sich aus. Es verharrte behaglich im wohlverdienten Feierabend.
Er würde das Licht nicht mehr wieder sehen.
Die Schultern hingen ihm herab. Von den unbeugsamen Paragraphen zertreten.
Er würde sterben. Heute, am 28.Dezember 2008 um Mitternacht.
Die Neonlichter schimmerten kalt auf den starrenden Fliesen. Grünlich-weiß dunste es sich allmählich auf, gleich einem Leichengesicht. Sein Gesicht.
Nur noch wenige Stunden.
Diese Sterilität ringsumher machte ihn wahnsinnig. Sie sollte bloß den moralischen Schmutz dieser Tat verbergen. Der Staat wusch seine Hände stets in Unschuld.
„Grand!“, riefen ihn die Wärter harsch.
Er genehmigte sich ein kurzes, verdorbenes Lächeln und seine Augen wurden dabei schmal, beengt von kleinen Fältchen wie Krallenspuren, die eine Krähe eingehackt hatte. Grand.
Sein verbrecherisches Pseudonym. Grand hatte die Bank überfallen und kaltblütig einen Zivilisten und den Bankwirt erschossen. Peng. Ihre Gesichter waren einfach weg gewesen.
Er hatte die Nerven verloren, er wollte doch nicht… er wollte doch bloß Geld für sich und seine kleine Schwester. Wie hätte er sie denn ernähren, ihr eine angemessene schulische Edukation verschaffen sollen?
Sein dreistes Lächeln, das ihm einen gewissen Charme verlieh, verlosch wie die toten Gesichter seiner Opfer. Jetzt war er einer von ihnen, er reihte sich neben ihnen ein.
Doch für seinen Tod musste niemand büßen.
Er war gerecht. Er erging im Namen des Volkes. Zum Wohle des Volkes.
Grand.
Sie kamen herein, in den Händen hielten sie die eisernen Fesseln bereit. Außerhalb der Zelle durfte er nicht einmal seine Henkersmahlzeit mit freien Händen einnehmen. Die bindenden Ketten gehörten bereits zu ihm, sie hangen wie überflüssige Glieder an ihm herab, behinderten ihn. Sie lasteten ihm Gewicht auf, die Bedrückung seiner Schuld, die in seiner Brust pochte.
Ja, er hatte getötet.
Ja, das Blut klebte ihm an den Händen.
Aber er war ein Mensch. Einerlei was sie sagten oder taten.
Er warf noch einen letzten Blick hin zum blanken Spiegel und in seinen haselnussbraunen Augen brannte etwas, das er schon längst als ausgelöscht gedacht hatte: Furcht. Verborgen in den Schatten seines Iriskranzes flammte sie. Lachend.
Sie stießen ihn vor. Die Ketten zogen ihn hinunter. Die Wärter gaben einen eiligen Schritt vor. Müh-sam hinkte er hinterher, die Fesseln machten ihn straucheln. Die Schritte vor fielen ihm schwer.
Irgendwo warf jemand klimpernd Münzen in den Getränkeautomaten. Menschen eilten geschäftig umher. Er wusste, sie bereiteten seinen Tod vor. Menschen, die lebten. Die nach der Exekution heim fuhren zu Frau und Kind. Es war bloß ihr Job, sie mussten ihr Geld auch verdienen. Wie jeder andere.
In all dem Leben wartete der Tod. Er saß grinsend auf einem Stuhl, die Beine auf dem Schreibtisch übereinander geschlagen und rauchte eine fette Zigarre. So musste es sein.
Die Zeit floh voran. Es war schon fast 23 Uhr. Noch knapp eine Stunde.
Sie sperrten ihn in seine Zelle zurück, der Pfarrer kam, malte ihm das Kreuz auf die Stirn und ging. Den Wärtern freundlich zunickend. Er brauchte das Geld, keine Gemeinde wollte ihn.
Der Verurteilte hatte ihm gebeichtet. Seine Reue bekundet. Der Pfarrer hatte bloß genickt.
Mit abgewandten Gesichtern saßen die Wärter bei ihm, die Arme verschränkt. Wartend. Ihre Blicke trieben den Zeiger der Uhr an.
Er war allein. Niemand interessierte sich seiner.
Sein Name war ein bloßes Phantom. Paweł Ważka er konnte sich seines Klanges kaum noch entsin-nen. Sie nannten ihn Grand. Er war Grand.
Oder Nummer 2606.
Sie und das heutige Datum würden das kleine, weiße Kreuz auf dem Friedhof zieren. Das Datum sei-ner Hinrichtung. Schwarz gemeißelt. Das Grab lag schon ausgehoben.
„Ist es nicht seltsam?“, fragte er da, die Augen leicht zusammen gekniffen und sie sahen unlängst La-gen, die er niemals zuvor betreten hatte. Er hob den Blick auf. „In all den Jahren der Gefangenschaft wollte die Zeit nicht weichen, ein Tag erschien mir ein ganzes Leben lang anzudauern, sie kroch wie eine Schnecke voran. Jetzt, da ich versuche, sie festzuhalten, entflieht sie mir wie ein wilder Vogel.“ Er lachte leise und senkte den Kopf.
Die Wärter schauten sich einen Herzschlag an und beobachteten dann weiter das flimmernde, kalte Neonlicht. Sie hielten ihn seit seiner Aufnahme für einen Psychopathen.
Ihre starre, erzwungene Ignoranz verstärkte sein belustigtes, verzweifeltes Lachen nur noch. Es sprach sein ganzes Leben aus ihm.
Dann kamen sie ihn holen. „Es ist Zeit zu gehen, Grand“, sagte der Gefängnisdirektor nüchtern. All-täglich. Er hatte es schon so oft gesagt.
Paweł Ważka. Ich heiße Paweł Ważka, rief er sich in Erinnerung, seine Lippen öffneten sich.
Und schlossen sich wieder. Resigniert sanken ihm die Schultern ab. Was machte es jetzt noch?
Die Uhr schlug Mitternacht. Seine Todesstunde.
Es war sein letzter Gang.
Er starb schnell. Im Gegensatz zu den Malen vorher, als er noch in seiner Zelle einsaß.
Sie sagten:
Ein letztes bitteres Lächeln verzerrte seine Züge am Ende.